Eine Referenzaufnahme
Seit 25 Jahren gehört Alfredo Perl zu den stilprägenden Interpreten der klassischen und romantischen Klaviermusik. Von Deutschland und England aus entfaltet er seit den 80er Jahren eine weltweite Konzerttätigkeit. Sein Repertoire hat sich aus dem Kosmos der Klaviersonaten Beethovens heraus entwickelt, die auch heute noch im Zentrum seines Schaffens stehen. Von Anfang an bezog der 1965 in Santiago de Chile geborene Pianist seine Souveränität nicht aus Kraft und Virtuosität, sondern aus überzeugender Stimmigkeit und verführerischer Eleganz. Seit 2007 ist Alfredo Perl zudem Professor für Klavier an der Musikhochschule Detmold.
Perl zeichnet sich dadurch aus, dass er innerhalb des pianistischen Weltangebotes kein marketingrelevantes Markenzeichen in Form eines spitzen Anschlags, eines typischen Non-Legato oder eines unverkennbaren Hangs zu unmotivierten Akzenten und dergleichen Manierismen hat. Perls Auffassung ist anders: Interpretation ist letztlich ein synthetischer Vorgang als Ergebnis einer permanenten Auseinandersetzung mit dem Werk. Das Ergebnis muss höchsten ästhetischen Ansprüchen genügen. In dieser Hinsicht ist Perl sicherlich kein Revolutionär, sondern ein Erbe der klassischen europäischen Klaviertradition. Perls Spiel ist im Zeitalter medialer Zwangsprofilierung auffallend, ja aufregend allürenfrei. Wenn Perl spielt, lenkt er die Aufmerksamkeit des Zuhörers ganz auf die Musik. Zur ihr möchte er etwas sagen, nicht durch sie. Musik ist kein Medium, sondern Hauptsache. Perl ist ein Pianist, den man nicht anhört, sondern man hört ihm zu. Seine musikalische Identität entwickelt sich ganz aus dem Innern der Musik heraus, als Ergebnis eines unendlichen Zirkels von Reflektieren, Verstehen und Gestalten hauptsächlich großer, komplexer Werke. Perls Denken ist spürbar meta-instrumental. Perl vergisst aber nie, dass große Musik auch immer den Zuhörer verführen möchte. Er vermag in einzigartiger Weise Tiefe und Ernst mit Charme und Eleganz zu verbinden. Bei Pianisten wie Alfredo Perl fragt man nicht mehr nach richtig und falsch, auch nicht nach gut oder schlecht, schon gar nicht nach gefallen oder nicht gefallen. Große Interpreten sprechen mit uns und wir mit ihnen längst über andere Dinge, über das Wie und das Was in der Musik.
Gerade die drei letzten großen Schubert-Sonaten interpretiert Alfredo Perl in diesem Sinne. Man hört ihm zu und gerade bei der D 960 kommt es dem Zuhörer so vor, als würde der Pianist ihm eine Geschichte erzählen. Elektrisierend!