Gegensätze ziehen sich an….. sollte man meinen. Und manchmal fliehen sie sogar zusammen.
Sisters of the Sword – Wie zwei Schneiden einer Klinge von Tricia Levenseller
Heute gibt es mal eine Einleitung, die man so gar nicht im Fantasygenre erwarten würde. Angststörungen. Man fand sie früher gar nicht häufig in Büchern, und seit Neustem wenn überhaupt, dann eher im Romance – Genre. Natürlich können diese jeden Menschen treffen, auch denjenigen, der in einer fantastisch magischen Welt lebt. Sie sorgen dafür, dass man zum Sonderling gemacht wird, zu „Demjenigen, der merkwürdig ist, weil er kaum mit einem spricht, sich Nichts traut, nicht für sich sprechen kann ….. und überhaupt eingebildet sein muss, weil ……. Gäbe es sonst einen Grund, warum er so menschenscheu ist, wenn nicht der, dass er glaubt etwas Besseres zu sein?“. Doch hinter allen Fassaden stecken Geschichten, die wir nicht kennen, und die Menschen vor uns verbergen. Was es mit der vorliegenden Geschichte auf sich hat, und welche Geschichte sich in der Geschichte verbirgt? Das gilt es herauszufinden.
Was die Geschichte uns erzählt:
Ziva ist 18, und lebt zusammen mit ihrer 16jährigen Schwester alleine als Waise. Ziva ist Schmiedin, und bestreitet so den Lebensunterhalt für Beide. Doch ihre Schmiedekunst geht weiter, denn sie schmiedet Waffen, die magisch sind, und deren Kraft und Magie sich erst offenbart. Das macht Ziva nicht nur in dieser Hinsicht einzigartig, denn zusätzlich leidet sie unter Angststörungen, einer ausgeprägten sozialen Phobie, die oft mit Panikattacken einhergeht. Also übernimmt ihre Schwester, die draufgängerische Temra, den Verkauf der Waffen. Eines Tages soll Ziva für eine Kriegsherrin eine magische Waffe schmieden, mit der sie sich selbst übertreffen soll. Ziva schafft es das Schwert zu schmieden. Doch das Schwert birgt, im wahrsten Sinne des Wortes, Geheimnisse. Und so erkennt Ziva, dass das Schwert niemals der Kriegsherrin ausgehändigt werden darf, noch Jemandem, der damit Schlechtes im Sinn hat, weil er die wahre verborgene Magie kennt. Und so müssen Ziva und ihre Schwester vor der Kriegsherrin flüchten. Die Gruppe um die beiden vergrößert sich dann noch auf den Söldner Kellyn und den Gelehrten Petrik. Welche Richtung das Ganze dann nimmt, gilt es selbst herauszufinden. Denn eins ist gewiss: Die Gruppe der 4 könnte unterschiedlicher nicht sein. Und trotzdem schweißt so eine gemeinsame Flucht zusammen.
Cover:
Das Cover ist in Bezug auf die Geschichte wirklich wunderschön herausgearbeitet. Ich mag leuchtende Farben, Helles, die Sonne und das Licht. Und gerade auf diesem Cover symbolisiert alles genau das. Trotzdem ist es nicht zu überladen und zeigt symbolisch alles von dem die Geschichte lebt. Zwei Schwestern, beide auf ihre Art verschieden, das Schwert, die Glut. Hier macht auch der Untertitel einen Sinn. Denn Ziva und Temra gehören zusammen, eben wie zwei Schneiden ein- und derselben Klinge, die doch verschieden sein kann, und trotzdem zusammengehört. Diese Zusammengehörigkeit spürt man dann auch die ganze Geschichte über.
Fazit und Gedankenallerlei (das mal wieder etwas länger ist):
Die Geschichte kommt langsam daher in all ihren Einzelheiten, aber genau das macht ihren Reiz aus. Diese Atmosphäre hat mir unheimlich gut gefallen, weil nichts überstürzt wurde. Keine überstürzte Magie, keine überstürzte Liebe. Das strahlt eine gewisse Ruhe aus, und das mag schon was heißen, befinden sich die Protagonisten doch immerhin auf einer Flucht, die überstürzt stattfinden muss. Die Liebesgeschichte ist nicht das übermäßige im Roman, sie nimmt die Geschichte nicht ein, kriecht langsam vorwärts, so wie die 4 langsam auf ihrer eigenen Flucht und Reise zu sich selbst sind (jaaa, irgendwie beides in einem, denn manchmal kann die Flucht von einer Sache auch er Anfang und Sprung in einen anderen Abschnitt im Leben bedeuten). Ich LIEBE es geradezu, dass die Liebesgeschichte zwischen beiden Paaren langsam vorangeht. Denn genau gesagt kann man nicht mal von Paaren sprechen, sondern nur davon, dass sich langsam etwas entwickelt, das man durch die Seiten spürt. Etwas, das kribbelt und mit ganz vielen Gefühlen gespickt ist. Und genau diese Langsamkeit sollten Gefühle ja auch in der Wirklichkeit haben. Dieses Überstürzte ist nicht immer meins, in Büchern gar auch nur, wenn es wirklich gut beschrieben wird. Hier ist es ein Herantasten aneinander. Und obwohl alle 4 Protagonisten verschieden sind, jedes Aneinandertasten anders funktioniert, ist es trotzdem schön anzusehen, dass alles gleichsam langsam und behutsam vorsichtig von statten geht. Denn sich kopfüber ins Liebesabenteuer zu stürzen würde einfach nicht zur Geschichte und Thematik passen. Und so kommt es, dass wir das Buch lesen, und man nicht sagen kann, dass die Geschichte nur aus diesem und jenem besteht, denn es ist eine Verkettung von allem. Flucht. Gefühle. Zu sich selbst finden. Vertrauen aufbauen. Eine Welt, die unserer ähnelt. Gaaaaaaanz viel Situationskomik und Kabbelei. Und ein Hauch Magie, der den Waffen, die geschmiedet werden, anhaftet, und die von Ziva ausgeht.
Ich verrate nicht zu viel, wenn ich hier schreibe, dass es eine Sache gibt, die mich so beeindruckt hat, dass ich sie nicht unerwähnt lassen kann. Als Kussszenenliebhaberin sind manche von ihnen gut, manche weniger, und manche werden ganz stiefmütterlich behandelt. Aber es steht schon im Buch geschrieben, also spoiler ich nicht einmal. Es GIBT eine Kussszene. Und die ist wirklich ganz besonders, und hat es in sich. Nicht nur, weil sie einfach bezaubernd ist, sondern weil sie auch genau in die Geschichte und zu den Menschen passt, die diese Szene erleben dürfen, und somit den Geist und alles im Buch wiederspiegelt, was Worte nicht sagen können. Für Jemanden wie Ziva, die oftmals stumm vor Angst ist, und nichts sagen KANN, wegen genau dieser Angst, finde ich die Bedeutung des Kusses dann nochmal umso schöner, weil er so viel mehr als Worte sagt.
Die Geschichte ist eben ein Potpourri aus verschiedenen Dingen. Daraus, wie wir uns der Welt zeigen. Zeigen wollen. Zeigen können. Es ist eine Geschichte darüber, was wir tun, oder tun müssen, um uns zu schützen, unser eigenes Selbst, oder auch andere, die uns lieb und teuer sind. Und es ist ein hinter die Fassade schauen, und seine Maske des Schutzes fallen lassen, und dabei seine eigene Sicherheit zu riskieren. Und damit auch eine stumme Bitte, hinter die Fassaden der Menschen zu schauen, um unsere ersten Eindrücke zu widerrufen, um zu verstehen, warum sie so sind, wie sie sind, um zu verstehen, warum sie Dinge tun, die sie tun. Und nicht gleich vorzuverurteilen, und in Schubladen zu stecken, wenn die Wahrheit dahinter viel komplexer, und nicht immer so einfach ist. Und tjaaa. Ich weiß, Menschen hören solche Dinge nicht gerne, aber ich muss es trotzdem erwähnen, schon allein, weil es der Grund war, er mich so neugierig auf das Buch gemacht hat. Die Angststörungen von Ziva sind wunderbar beschrieben. Jedes Zittern, jedes Rotwerden, jedes Zögern, jedes Zurückziehen wollen und jeder Zweifel sind an der richtigen Stelle untergebracht. DAS macht das Ganze sehr realistisch. Zumindest aus meiner Sicht. Woher ich das weiß? So in etwa erahne ich es, durch meine eigenen Angststörungen. Was für den einen Sicherheit ist, bedeutet für den anderen Enge und eingesperrt sein. Und so hat jeder seine Angst vor IRGENDWAS. Die Sicherheit des einen, immer an einem Ort zu verweilen ist die Enge des anderen. Die Sicherheit der Freiheit und Weite der Welt für andere beängstigend. Es gibt nicht „diesen einen Weg“, der für alle richtig ist, weil für jeden etwas Anderes richtig ist. Weil Richtigkeit für jeden etwas Anderes bedeutet.
Die Konstellation der Protagonisten in ihrer Unterschiedlichkeit ist nicht nur wunderbar herausgearbeitet, sondern verspricht auch ein sprühendes Feuerwerk der Gegensätze, das nicht in Wortgefechten sondern regelrechten Wortfechtereien endet, die der Magie des Schwertes in nichts nachstehen. Denn die wahre Waffe des Buches sind seine Worte und Dialoge. Eine Waffe, die mitten ins Herz, aber auch die Lachmuskeln trifft. Und selbst in den Sticheleien merkt man, dass die 4 durch ihre Erlebnisse irgendetwas werden, das man fast schon Freunde, oder mehr, nennen kann, da Vertrauen wächst. Das Vertrauen als Hauptthema ist dann auch allgegenwärtig. Ständig wird es gebrochen, wieder neu geschmiedet, verletzt, neu aufgebaut, und auf die Probe gestellt. Auch Vertrauensbeziehungen allgemein. Zwischen Verwandten, Schwestern, einem selbst und Fremden, mit der Frage, wem man am Ende sein Vertrauen entgegenbringt.
Wir kommen im Buch ganz schön herum. Bereisen die Welt, in der das Buch spielt, mit mehreren Orten, und das Ganze in knapp über 400 Seiten. Trotzdem schafft die Autorin es irgendwie, dass es nicht gehetzt wirkt, jeder Ort seine Zeit bekommt, und die Flucht trotzdem nicht hastig von statten geht. So genau kann ich nicht mal erklären wie sie das hinbekommt. Vielleicht Autorenmagie? :D. Wo man in anderen Büchern bei der Seitenanzahl nur einen Ort bereist, so sind es hier mehrere. Die Flucht an sich ist das Herzstück der Geschichte. Die Odyssee, in der Ziva lernt, Dinge erkennt, und dazulernt. Und die anderen irgendwie auch. Ziva MUSS sich verlassen, muss loslassen, muss andere Leute zulassen. Zusätzlich merkt man, dass das Ganze eine Flucht ist. Von Flucht zu Flucht, Ort zu Ort, immer den suchend, der einem Sicherheit geben soll, sie aber nicht bieten kann, weil die Welt voller Gefahren ist, und der sichere Ort manchmal aus Menschen besteht, die bei einem sind.
Und was ich mag ist, dass das Buch die Besonderheit in jedem Menschen hervorhebt. Nicht nur in denen, die augenscheinlich besonders erscheinen, weil sie einer besonderen Tätigkeit nachgehen, oder eine magische Kraft besitzen. Es zeigt uns, dass in uns allen Besonderes steckt, in jedem ein Kämpfer, selbst, wenn wir gar keiner sind. Dass alle Unsicherheiten an den Tag legen und Angst haben in der eigenen Art und Weise. Dass die Starken auch mal Schwäche zeigen, und die, die man für schwach halten mag aufgrund ihres Makels, zu den Starken der Geschichte werden. Genau diese Facetten, die Seiten einer Medaille, die gleich ist, sich aber auf den ersten Blick unterscheidet, mag ich sehr. Und diese Wandlungen in den Charakteren zu sehen ist wahnsinnig unterhaltend, aber auch schön und eingängig herzerfrischend.
Was sich unter den Angststörungen und Panikattacken eines Menschen verbirgt muss sich erst zeigen. Man muss etwas tiefer graben, um zu verstehen. So ist es auch mit dem Buch. Anfangs erscheint einem die Geschichte anders, als auf dem Weg zum Ende, wo sie sich entfaltet, und immer mehr von ihrer Tiefe und ihren Geheimnissen preisgibt. Im Buch ist es ein Schwert, das die Last der Geheimnisse trägt. Die Lehre, dass es schön ist zu wissen, dass wenn man Geheimnisse teilt, alles leichter wird, und nicht mehr so viel Gewicht auf den eigenen Schultern lastet, finde ich metaphorisch ebenfalls sehr schön als Hintergrund. Das Spielen mit der Symbolik der Geheimnisse ist gut eingeflochten in die Story. Jemand mit Angststörungen hat Angst sich zu offenbaren, Dinge von sich preiszugeben, sich zu öffnen. Und wenn, dann passiert das nur bei Menschen, denen er felsenfest vertraut. Dass Ziva ihre Geheimnisse preisgibt, weil das Schwert aller Schwerter, die Waffe im Buch derer wegen sie flüchten müssen, nun eine ist, die Geheimnisse aufnimmt, auch Zivas, und somit das offenbart, was sie nicht auszusprechen wagt, gefällt mir einfach.
Nur eine einzelne kleine Schwäche im Weltenbau gibt es. Gerade die herausgearbeitete Welt hätte man etwas weitläufiger gestalten und beschreiben können? Es hätte eine Karte zur Welt geben können, damit man eine bessere Übersicht hat? Ja! Doch können einzelne wundervolle Szenen, genauso wie die humorvollen Dialoge dieses kleine Defizit ausgleichen, das uns nicht so viel über die Welt an sich bekannt ist? Meiner Meinung nach schon. Hier ran werden sich vielleicht die Geister, oder besser gesagt die Leser, scheiden. Da es hier um meine Meinung geht: Für mich hat es definitiv ausgereicht, und einiges ausgeglichen, weil die Freude über die Wortgefechte und ruhige Vorgehensweise der Langsamkeit einer sich aufbauenden Geschichte überwogen hat. Keine Konstante im Erzählstrang? Etwas chaotisch? Aber nein. Die Geschichte entwickelt eine gewisse Eigendynamik. Bis dahin braucht es. Doch dann ist es einer Sogwirkung gleich, und wir landen mittendrin.
Was ich ebenfalls toll finde ist, dass die Geschichte aufzeigt, dass wir Sicherheit und Vertrauen, und damit die Besiegung unserer Ängste, nicht immer in Familienmitgliedern finden, als vielmehr bei den Menschen, die uns beistehen, und uns so nehmen, wie wir sind. Und genauso harmonieren die Protagonisten dann auch miteinander. Wortgefechte, Kabbelei, liebenswürdige Sticheleien und sprudelnde Dialoge, die eine Lebendigkeit haben, die die Melancholie der Angststörungen ein wenig überstrahlen. Auch hier hat die Medaille, oder auch die Klinge, zwei Seiten oder Schneiden. Witzigkeit wird von Nachdenklichkeit und Ernsthaftigkeit abgelöst und wieder andersrum. Wie eine immerwährende Welle, wie ein Auf und Ab, zieht sich das Ganze durch Band 1 der Geschichte. Und am Ende ist man tatsächlich gespannt darauf, was in Band 2 passieren wird. Der Wortwitz kommt manchmal so unvorbereitet und spröde gesagt um die Ecke daher, dass man plötzliche Lacher kaum vermeiden kann. Auch wird es mit Leichtigkeit geschafft zu switchen zwischen den komischen Situationen, zwischen dem Humor, und ernsten Untertöten und Situationen, ohne dass die Szene einen dann runterzieht. Auch hier wie zwei Schneiden einer Klinge gehören die Lustigkeit der Situationen und die Ernsthaftigkeit der Thematik um Ziva mit all ihren Problematiken zusammen. Spätestens ab dem Zeitpunkt, wenn die 4 Gefährten auf Wanderschaft gehen, pardon…. Auf der Flucht sind …… und man den humorigen Schlagabtausch genießen kann, hat die Geschichte einen. Es dauert eine Weile, aber man wird belohnt. Gerade dieses frotzeln miteinander ist es, von was die Geschichte lebt. 4 Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, und trotzdem eine Einheit sind, zusammengehören, obwohl sie eigentlich nicht so viel verbindet. Zumindest auf den ersten Blick. Doch besagte Tiefe der Geschichte kommt dann noch. Auch mag ich wie herausgearbeitet wurde, dass es Menschen gibt, die ihre ganz eigene Art von Magie umwebt, obwohl sie keine Magie wirken. Ziva, die mit ihren Angststörungen echte Magie wirkt, die aber durch ihre Angststörungen nicht perfekt erscheint, bzw. mit einem Makel. Aber auch Temra als Schwester, die zwar keine Magie wirken kann, aber ihren eigenen Zauber hat auf Menschen zu wirken. Oder auch Kellyn, der gerade Ziva mächtig zu beeindrucken scheint. Und doch sind alle auf ihre eigene Art einzigartig. Die Geschichte ist schlüssig, und alle scheinen mit ihrer Art, mit ihren Makeln, oder auch ihrer Perfektion zumindest perfekt in den Fluss der Geschichte zu passen, so als ob sich alles schlüssig fügt. Für mich hat es das definitiv getan, so dass ich die Geschichte rundum genießen konnte.
Heutiges Rezensionslied? Da gibt es einige, die von der Angst der Menschen sprechen, sich der Welt zu zeigen in all ihrem Sein. Deswegen wird es das, was mir als erstes in den Kopf kam:
„I′ve always been the kind of girl………that hid my face.
So afraid to tell the world…..what I've got to say.“