Facettenreiche Romanbiografie über den Künstler Franz Marc, dessen Leben & Werke
„,Das reine Blau, ganz abgesehen von diesem Bild, steht für das männliche Prinzip. Für stark, herb, durchgeistigt.‘ Er sah August an. ,Und was löst es bei Ihnen aus?‘
Erst nahm Macke einen tiefen Zug und sah dem Rauch nach. ,Blau allein? Für mich ist es traurig, ohne Leichtigkeit. Da muss gleich Gelb her, um aufzuheitern.‘
Franz nickte. ,So sehe ich es auch. Gelb, mein weibliches Prinzip. Alle Sanftmut, Heiterkeit und auch Sinnlichkeit verbergen sich darin.‘“
INHALT:
Das Buch beschäftigt sich mit Franz Marcs Leben von 1906 bis zu dessen Tod im Jahr 1916.
Der 26-jährige Künstler Franz Marc malt mit Gouache, Ölfarbe, Bleistift, Kohle und Aquarell. Es entstehen Lithografien, Akte, Naturgemälde sowie große Tierbilder. Er mag Klarheit und stellt reine Farben in den Mittelpunkt seiner Bilder. Der Einklang mit der Natur scheint ihm wichtig zu sein.
Statt eines genauen Abbildes eines Motivs, malt er, was er fühlt. Der Maler versucht sich in Tiere hineinzuversetzen und mit bunten Farben ihr Wesen darzustellen (wie z. B. blaue Pferde). Dabei findet er sein eigenes Verständnis für die Bedeutung der unterschiedlichen Farben und wird schließlich einer der Mitbegründer des Expressionismus.
Frauen stehen ihm manchmal als Modell: Marie, Maria und Annette. Er mag sie alle drei gerne.
Marie Schnür, die Malerei lehrt, heiratet er zunächst aus der Not heraus, wofür er einen hohen Preis zahlen wird. Denn die Verhältnisse entwickeln sich nicht wie vorher abgesprochen…
Dazwischen taucht hin und wieder Annette, seine Affäre auf, mit der er früher eine Beziehung hatte.
Doch eigentlich liebt Franz Maria Franck, seine spätere Ehefrau und Schülerin von Marie, an der Damen-Akademie für Malerei.
Die Eifersucht zwischen den Frauen brodelt immer wieder von Neuem auf, bis Franz sich für ein Leben mit überwiegend einer der Damen entscheidet.
Vor allem mit August Macke verbindet ihn eine enge Freundschaft, aber auch andere Künstler*innen streifen seinen Weg (darunter z. B. Tiermaler und Freund Jean-Bloé Niestlé, Wassily Kandinsky, Marianne von Werefkin, Alexej von Jawlensky, Adolf Erbslöh).
Für Franz Marc bleibt es schwierig, sich als Künstler zu finanzieren und Bekanntheit zu erlangen. Er schließt sich der „Neuen Künstlervereinigung“ an und gründet mit dem befreundeten Wassily Kandinsky den „Blauen Reiter“. Gemeinsam organisieren sie Ausstellungen und sprechen sich für ihre moderne Kunst aus, die beim allgemeinen Publikum anfangs gar nicht als solche anerkannt wird…
MEINUNG:
Die Geschichte wird chronologisch aus den Perspektiven von Franz und Maria geschildert.
Anfangs stehen die Beziehungen von Franz und den drei Frauen im Vordergrund. Zugegeben, mir war Franz hier viel zu sexistisch und der Fokus lag mir zu sehr auf Körperteilen von Frauen. Irgendwann konnte ich nur noch die Augen verdrehen, weil es mir zu übertrieben erschien.
Ich hatte etwas Angst, dass sich dies über das ganze Buch erstrecken könnte, was aber zum Glück nicht der Fall war! Ja, man könnte fast meinen, der Anfang wäre von jemand anderem geschrieben worden.
Denn schon bald geht es glücklicherweise viel um die Kunst von Franz Marc, wie er andere Künstler und deren Werke kennenlernt und wie sehr er um Sichtbarkeit und Anerkennung für seine Arbeit kämpft. Bis der Krieg ins Land zieht…
Schön fand ich, dass verschiedene Künstler*innen und ihre Werke beschrieben werden. Sie besuchen sich teilweise gegenseitig in ihren Ateliers oder stellen gemeinsam aus. Als Kunst-Begeisterte liest man das gerne, man macht sich eigene Vorstellungen von den Bildern und schreitet sozusagen selbst durch die Galerien und Ateliers.
Den Schreibstil würde ich schon als speziell einordnen. Denn eigentlich ist das Buch in der 3. Person Singular und in der Vergangenheit geschrieben, aber Gedanken werden häufig aus der Ich-Perspektive und in der Gegenwart geschildert. Diese Wechsel passieren meistens im selben Absatz, manchmal sogar innerhalb eines Satzes.
Anfangs fand ich das ziemlich experimentell und man braucht dadurch etwas länger zum Lesen, aber mit der Zeit, konnte ich mich immer besser darauf einlassen
Zudem bekommt man so einen Einblick in das Innenleben der beiden Protagonisten und kann sich besser in sie einfühlen.
Vor allem mit Maria habe ich mitgefiebert. Es tat mir leid, dass sie so für ihr Glück kämpfen musste.
Franz war mir anfangs unsympathisch und trotzdem konnte ich mich später immer besser auf ihn und seine Geschichte einlassen.
Das Buch hat mir wieder gezeigt, wie schwierig es damals in der Kunstbranche war, mit etwas Neuem, mit moderner Kunst, Erfolg zu haben und sich finanzieren zu können. Ich war entsetzt, dass manche Leute bei den Ausstellungen sogar Gemälde angespuckt haben! Heute wäre das für mich undenkbar! Schon interessant, dass die Leute damals ein so einseitiges Verständnis von Kunst hatten, sich teilweise respektlos verhalten haben und so wenig offen für Neues waren…
Obwohl neben Franz auch Maria im Fokus des Buches steht, wird kaum thematisiert, dass und vor allem, was sie malt. Mit Ausnahme vom Anfang in der Akademie. Das fand ich etwas schade und es stellt Frauen in der Kunst zurück, wie es auch damals der Fall war. (Da passt es gut, dass kürzlich auch ein Roman über Maria erschienen ist - den darf ich mir wohl nicht entgehen lassen!)
Die Schilderungen bzgl. den Künstler-Gruppierungen und vor allem deren Meinungsverschiedenheiten, empfand ich als etwas zu sehr in die Länge gezogen und hätte sie mir deutlich kürzer gewünscht. Da bin ich irgendwann nicht mehr ganz mitgekommen, wer jetzt mit wem und weshalb Differenzen hegt.
Dafür hätte ich am Ende des Buches auf jeden Fall noch ein Nachwort erwartet, in dem beschrieben wird, was in der Romanbiografie fiktiv war, was nicht, und, wie es mit der Bekanntheit der Bilder und mit Maria nach dem Tod von dem noch recht jungen Franz Marc, weiterging.
FAZIT: Trotz einiger Kritikpunkte, wie dem Fehlen eines Nachwortes, war dies insgesamt eine lesenswerte, facettenreiche Romanbiografie, welche mir den Künstler Franz Marc und dessen Bilder etwas näherbringen und mir einen Einblick in die Welt verschiedenster Künstler gewähren konnte. Wer Bücher über Kunst & Künstler*innen mag, sollte hier mal hineinschauen! 4/5 Sterne!