Mitten aus dem Leben!
Eine Beerdigung lässt die Familie von Alice wieder zusammenkommen. Ihre Mutter Celia, Bruder Michael und Zwillingsschwester Hanna haben sich lange nicht gesehen und versuchen sich an dieser Beerdigung zusammenzuraufen. Viel…zu viel… ist in ihrer Vergangenheit geschehen. Mutter Celia, oft nur noch genervt von ihren drei Kindern nach der Trennung von Mann Paul, ist und war nicht wirklich liebevoll. Hanna und Alice, die grundverschieden waren und sind, finden schwer Zugang zueinander. Zu viel ist in der Vergangenheit geschehen.
Titel und Cover suggerieren, dass es in diesem Roman um die Beziehung zwischen zwei Schwestern geht. Dabei ist diese Geschichte viel mehr!
Denn nicht nur die Zwillingsschwestern Hanna und Alice stehen im Mittelpunkt der Handlung, genauso oft ist auch ihr älterer Bruder Michael und die Mutter Celia zugegen. Von letzterer erfährt man auch die Geschichte, wie sie und Paul, der Vater ihrer Kinder, zusammengefunden haben. Dies wird im zweiten Kapitel erörtert und mir gefiel der Moment, als ich begriffen habe, dass diese Celia, die als junge Studentin im Mittelpunkt steht, die Mutter der Zwillinge ist.
«Meine bessere Schwester» ist eine typische Familiengeschichte mit typischen Themen, wie Eifersucht zwischen Geschwistern, unterschiedliche Lebenseinstellungen und Charaktere von Zwillingen. Allerdings herrscht in dieser Familie eine latente Unzufriedenheit. Die drei Frauen der Familie glänzen mit einem nicht vorhandenen Selbstvertrauen, was zumindest bei den beiden Töchtern ganz sicher mit der Wertschätzung von Celia zu ihren Töchtern zu tun hat. Immer wieder hat die Autorin kurze Bemerkungen eingestreut, die meiner Meinung nach nah an der Grenze von emotionaler Misshandlung schrammen.
Celia hat bei mir die grössten Emotionen ausgelöst und ich konnte kaum fassen, dass eine Mutter so gehässig, lieblos und böse mit ihren Kindern sein kann. So ist es denn auch nicht verwunderlich, dass eine der Zwillinge in eine psychische Erkrankung fällt und die andere dauer - angepasst Mäuschen spielt. Die psychische Erkrankung fand ich sehr gut thematisiert und eindrücklich war die Figur mitten in der Psychose skizziert.
Rebecca Wait hat es geschafft, jedes der vier Familienmitglieder sehr nah zu zeigen und man taucht als Leser völlig in die jeweilige Welt ein. Trotzdem wird die Handlung nicht wirr und/oder chaotisch, sondern man erkennt durchgängig den roten Faden.
Ab und zu hätte ich mir Szenen etwas gekürzt gewünscht. Ich denke da zum Beispiel an eine Studentenparty, die hätte gestrafft werden können.
Als Leser sieht man regelrecht zu, was in der Familie alles schiefläuft. Oft habe ich den Kopf geschüttelt über das manchmal verletzende oder seltsame Verhalten der Figuren.
Die Autorin hat eine Geschichte «mitten aus dem Leben» erschaffen mit Problemen, die sich, wenn auch nicht so ausgeprägt, in vielen Familien finden.