Spannender Sci-Fi Roadmovie aber leider etwas hölzern und oberflächlich.
Rainer Wekwerth habe ich kurz bei einem Bloggertreffen des Thienemann-Esslinger Verlags mit ihm und Julia Dippel auf der FBM 2019 kennen gelernt, aber bis jetzt hatte ich es immer noch nicht geschafft, einen Buchtitel von diesem Autor zu lesen. Auf Netgalley fand ich dann dieses Buch und meine Anfrage wurde freudigerweise bestätigt. Vielen Dank an dieser Stelle an das Team vom Thienemann-Esslinger-Verlag und Netgalley Deutschland für das Rezensionsexemplar!
Coverbild
Das Cover ist schon ein Hingucker. Eine große Stadt aus der Vogelperspektive und in die schwarz-weiße Wolkenkratzerlandschaft schräg eingebettet liegt der Buchtitel in goldenen Versalien. Dazwischen erkennt man Nullen und Einser. Das Cover ist mystisch, dunkel und irgendwie auch erdrückend, und passt auch zur gesamten Story.
Handlung
Jonas Vater hat sich das Leben genommen und seine Mutter ist verschwunden, die Schule sitzt ihm im Nacken, aber Geld kann er nur als Moondancer auf seinen digitalen Botengängen in den Virtual Realities großer Konzerne verdienen. Als ihm dann ein sehr lukrativer Ghostwalk angeboten wird, bei dem er auch endlich mehr über seinen Vater erfahren soll, muss er die mehrmaligen Verwarnungen seines Schuldirektors ignorieren und klinkt sich in die virtuelle Welt von BioCom ein. Dabei läuft ihm die hübsche Ghostwalkerin Blue über den Weg, die anscheinend das gleiche Ziel hat.
Auch Blue lebt alleine und hat sich in der virtuellen Welt durch ihre Walkes einen Namen gemacht. Bei einem Walk kommt es aber zu einem Unfall und ihr Zahlengedächtnis wurde aus ihrem Gehirn gelöscht und auf einem anderen Datenträger gespeichert. Da sie ohne ihr Zahlengedächtnis auch nicht an ihr Bankkonto kommt, und ihr die japanische Mafia wegen dem verpatzten Walk auf den Fersen ist, muss sie sich in die Welt von BioCom einklinken und versuchen wieder an die Daten zu kommen. Dabei trifft sie auf den Ghostwalker Moondancer, der genau das in den Händen hält, was sie braucht.
Buchlayout / Haptik
Das eBook ist sehr schlicht gehalten und ist ganz ohne jeglicher Ausschmückung. Die 338 Seiten werden in 45 recht kurze Kapitel aufgeteilt, welche lediglich mit der Nummer und dem aktuellen Ort des Geschehens eingeleitet werden.
Idee / Plot
Eine spannende und futuristische Idee - die Welt wird immer digitaler und die Gefahr der Datenlecks größer. Große Konzerne fürchten sich immer mehr vor dem Diebstahl der Daten, dem Öl des 21. Jahrhunderts. Nichts ist wertvoller. Und um sich davor zu schützen, kapseln die Konzerne ihre gesamte digitale Infrastruktur vor dem möglichen Zugriff von außen ab. Nur noch durch komplizierte Einschleusungen von echten Personen, die sich mit Hilfe von VR Brillen und Anzügen in die digitale Welt einhacken, können Daten ausgetauscht werden.
Dass sich da junge Leute, die eh schon ein gescheitertes Leben leben müssen, sich in dieser virtuellen Welt wohler fühlen, sich für gebührende Entlohnung den Kick holen und dabei hohe Anerkennung genießen, obwohl sie daheim die Looser sind, ist irgendwie verständlich.
Emotionen / Protagonisten
Trotz interessanter und plausibler Idee, konnte ich mit Jonas und Blue nicht wirklich warm werden. Mir waren die beiden dabei tatsächlich zu wenig ausformuliert und wirkten mir zu oberflächlich. Oft haben mir mehr Emotionen, mehr Gedankengänge oder Reflexion gefehlt.
Jonas, der Looser, kurz davor ist von der Schule zu fliegen, ist in der virtuellen Welt gefragt und anerkannt. Klar, hat er da keinen Bock auf die reale Welt. Blue ist eher eine Kämpferin und dabei aber eine Einzelgängerin und lässt sich wenig reinreden. Trotzdem konnte ich so manche Handlungsweisen der beiden nicht so wirklich nachvollziehen. Da hat mir einfach ein bisschen das “dazwischen” gefehlt, wie sie zu den Entscheidungen nun gekommen sind. Dabei sind mir beide durchaus sympathisch.
Handlungsaufbau / Spannungsbogen
Die Handlung ist gekonnt spannend aufgebaut. Der Anfang ist schon recht packend und durch die wechselnde Perspektive erlebt man immer wieder kleine Kapitel-Cliffhanger. Rainer Wekwerth hält sich auch nicht sehr lange mit einer Einführung auf, sondern der Leser springt gleich mitten ins Geschehen. Ständig passiert auch etwas, es ist wie ein Roadmovie, die Protagonisten stolpern von einer Szene in die nächste. Der Spannungsbogen wird auch kontinuierlich aufgebaut, aber leider mündet es dann in einen Showdown, der mich dann doch ziemlich enttäuscht hat. Plötzlich war alles vorbei, ohne großen Knall. Da hat mir definitiv was gefehlt. Ja, am Ende ist alles aufgeklärt und wir bekommen ein Happy End, aber zufrieden bin ich damit nicht wirklich.
Szenerie / Setting
Deutschland in der Zukunft, 2047, Daten werden nicht mehr klassisch über das Internet versendet und das heutige bekannte Datenmanagement gibt es nicht mehr. Alles wird in einer virtuellen Realität abgebildet. Das erinnert mich ganz stark an Matrix. Leider finde ich aber viele der Szenen zu wenig ausgearbeitet. Das mag vielleicht daran liegen, dass es sich um einen Einzelband handelt, und der Leser wie bei einem Roadmovie von Szene zu Szene stolpert, aber vieles wirkt auf mich dadurch oberflächlich und wird auch einige Male verwirrend.
Sprache / Schreibstil
Die Geschichte wird in der Multiperspektive aus der Sicht von Jonas und Blue als personaler Erzähler im Präteritum erzählt. Die Perspektiven wechseln sich bei jedem Kapitel. Obwohl Rainer Wekwerth sich einer passend jugendlichen Sprache bedient, ohne übertrieben oder gekünstelt zu wirken, hatte ich das ein oder andere Mal auch meine Probleme. Es gibt einige Szenen, die werden eher berichtartig abgehandelt und die Handlung wirkt aufgezählt. Rainer Wekwerth benutzt oft sehr kurze Sätze, die manchmal abgehackt wirken und die Wirkung der Aufzählung und Oberflächlichkeit noch mehr unterstützen. Auch einige der Dialoge empfinde ich hin und wieder als etwas hölzern und es gibt doch ein paar Wiederholungen.
FAZIT
Spannende Sci-Fi Roadmovie mit interessanter Idee der digitalen Zukunft, der trotzdem an einigen Stellen auf mich eher etwas oberflächlich und hölzern wirkt. Trotz gekonntem Spannungsaufbau bleibt der Showdown zu unspektakulär.