Nicht alles ist, wie es scheint – eine außergewöhnliche Lektüre
„Ich schaute und wusste, dass es kein Zufall war. Ich blätterte, immer schneller, bis zur letzten Zeichnung. Mit zitternden Händen schlug ich es wieder zu, für einen kurzen Moment glaubte ich, es verdecken zu können, so zu tun, als hätte ich es nicht gesehen. Aber da wusste ich schon, dass ich zu ihr musste.“
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INHALT:
Erst heute Morgen hat er seine Frau noch zum Bahnhof gebracht.
Anschließend sind daheim die Belegexemplare von Tess‘ neuem Buch angekommen. Doch was Robin in ihren Illustrationen findet, sieht für ihn aus wie ein Hilferuf oder gar eine Art Drohung.
Also setzt er sich selbst schnellstens in den Zug und reist seiner Frau die Strecke von knapp 700 Kilometern hinterher. Hoffentlich ist es noch nicht zu spät!
Bei ihm, ihr gemeinsamer 2-jähriger Sohn. „Es sollte ihn nicht geben. Aber es gab ihn, und wir nannten ihn Mats.“
Der Zug fährt durch das überschwemmte Ahrtal, in dem letzte Woche mehrere Menschen ertrunken sind und zahlreiche Leute ihr Hab und Gut verloren haben. „Wir schauen zusammen aus dem Fenster und sehen nichts von alledem. Es ist passiert und wurde schon verschleiert. Solange das noch möglich ist, werden wir so tun, als wäre es halb so schlimm.
Ich sehe ihn an. Er hat keine Ahnung. Er weiß es noch nicht.“
Robin denkt an die vergangenen Jahre mit Tess zurück und an die Entscheidung bzgl. ihrer Elternschaft. Sie hatten sich gefragt, ob es vertretbar wäre, ein Kind in diese Welt zu setzen, in der eine Naturkatastrophe die nächste jagte. War das einem Kind gegenüber wirklich fair? Bei all den Hitzerekorden, Überschwemmungen und Waldbränden? Oder war es gar purer Egoismus?
Doch „er wuchs vor unseren Augen und in unseren Köpfen auf und verschaltete die Kabel auf eine Weise, die vor allem mich überwältigen konnte.“
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MEINUNG:
Dieses schmale, handliche Büchlein sollte man nicht unterschätzen, denn es hat es in sich.
Aber bevor ich das erfahren durfte, fand ich den Anfang zunächst etwas anstrengend.
Robins Gedanken schweifen so oft ab, reißen so häufig Themen an und lassen sie zum Teil wieder fallen, dass man manchmal kaum hinterherkommt.
Dadurch habe ich etwa 50 Seiten gebraucht, um mich in die Lektüre einzufinden. Bei einer Geschichte von 163 Seiten, ist mir das ehrlich gesagt, etwas zu lange.
So viel zu meiner Kritik.
Was mich dann aber bald gefesselt und ausgesprochen überzeugt hat, waren die Sequenzen zwischen Robin und seinem kleinen Sohn. Diese Schilderungen empfand ich als äußerst authentisch und dem Alter entsprechend – da bin ich sehr sensibel.
Robin wirkt so liebenswert im Umgang mit dem 2-jährigen Mats. Und gleichzeitig konnte ich seine Sorgen und Ängste bzgl. einer Elternschaft gut verstehen. Der Klimawandel stellt uns und vor allem unsere nächsten Generationen vor große Herausforderungen. Sollte man also überhaupt noch Kinder in die Welt setzen? Mit dieser Frage wird man sich noch über das Ende des Buches hinaus beschäftigen, denn es klingt noch lange nach.
Außerdem war ich neugierig und wollte wissen, was Robin in den Illustrationen seiner Frau entdeckt hat, weshalb er den langen Weg auf sich nimmt. Schwebt Tess etwa in Gefahr?
Das Besondere an dieser Geschichte ist, dass manches nicht ist, wie es zunächst scheint.
Oft sind es Kleinigkeiten, die sich im Verlauf häufen und immer wieder zu kleinen Irritationen beim Lesen führen.
Man wird sich fragen: Habe ich etwas überlesen? Oder falsch verstanden? Wie soll ich den Satz interpretieren?
Irgendwann hatte ich eine Ahnung. Aber das würde der Autor doch nicht wirklich tun!?? Das würde doch keinen Sinn ergeben. Oder etwa doch?
Ich kann euch sagen, ich war am Ende erst einmal verärgert und wütend auf den Verfasser des Buches. Warum? Das kann und möchte ich euch an dieser Stelle nicht verraten. Das würde sonst sicherlich euer Leseerlebnis schmälern.
Aber je mehr ich diese Lektüre anschließend auf mich habe wirken lassen, desto raffinierter fand ich sie letztendlich. Sie stimmt äußerst nachdenklich und man wird sie vermutlich nicht so schnell vergessen. Es ist ein Buch, dass erst beim Zuschlagen so richtig in einem arbeitet. Und danach sollte man es eigentlich direkt noch einmal lesen. Kennt man das Ende und damit die Auflösung, wird man den Rest mit anderen Augen sehen und dadurch noch aufmerksamer durch die Seiten blättern und bestimmt noch viele Details entdecken, die einem zuvor entgangen sind.
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FAZIT: Eine außergewöhnliche Lektüre, die zum Nachdenken anregt und in der manches nicht ist, wie es zunächst scheint. Aufmerksamkeit ist gefragt, vielleicht auch ein erneutes Lesen des Buches. Man muss sich darauf einlassen können, aber dann kann die Geschichte einiges für einen bereithalten. 4/5 Sterne!