Subjektiv, provozierend und ohne Lösung
Dieses Buch hat mich nachdenken lassen bzw. hängt mit seinen Aussagen immer noch in meinen Gedanken nach. Während der Lektüre habe ich mich aufgeregt, war teilweise richtig wütend, fühlte mich manches Mal etwas angegriffen, konnte einigen Aussagen zustimmen und bei anderen nur den Kopf schütteln.
Die Autorin hat in ihrem Buch Situationen und Geschehnisse beschrieben, die sich alle um das Thema Anti-Girlboss drehen. Der Titel des Buches, der schlichte große Titel, der eine klare Haltung ausdrückt, passt auf die Gesamtheit des Buches, sehr gut. Den zweiten Teil des Titels finde ich nicht so richtig passend, denn die Autorin macht zwar deutlich, dass sie das derzeitige System grauenvoll und für viele Menschen unzumutbar findet, kann aber wegen der Komplexität der Thematik, eigentlich nur beschreiben, wie sie zum jetzigen Zeitpunkt versucht, sich selbst nicht für den Kapitalismus zu 'opfern'.
Dieses Buch versucht meiner Meinung nach zu viel. Es wirkt, als wenn es einen Weg aufzeigen möchte, der dem Kapitalismus entgegen wirkt. Einen Weg, der einen selbst mehr Ruhe und Zufriedenheit gibt, indem man sich nicht ausbeuten lässt. Die Autorin hält selbst fest, dass es eben nicht so einfach ist, wie sie es immer wieder gerne niedergeschrieben hat. Einfach einen Gang zurückschalten, nur das Nötigste an Arbeit verrichten und Freizeit vor Arbeit zu stellen, klingt nach etwas, was auch ich gerne machen möchte, doch sieht es in der Realität sehr häufig so aus, dass die Möglichkeit seinen Alltag so zu gestalten, nicht immer gegeben ist. Ja, es könnte nun gesagt werden, dass ein jeder Mensch immer eine Wahl hat und man, wenn man bei der Arbeit Abstriche z.B. vom Zeitpensum vornehmen würde, dass man dann auch die Abstriche im Bezug auf den Lohn, hinnehmen muss, doch haben halt nicht alle Menschen die gleichen Chancen und Lebensumstände.
Die Autorin weiß dies auch und verweist nicht nur einmal auf soziale, strukturelle, kulturelle etc. Umstände, sondern webt diese immer wieder ein. Sie bringt auch ihre eigene Lebensgeschichte sehr stark mit ein und erzählt wie sie aufgewachsen ist, wie ihre Zeit während des Studiums war und die ersten Jahre im Arbeitsleben nach der Universität.
Meine Schwierigkeit ist, dass sie sehr subjektiv schreibt, was ich in der Leseprobe schon gemerkt hatte und was sich durch das ganze Buch zieht. Anstelle von objektiven Aussagen oder einem gegenüberstellen von Behauptungen aus verschiedenen Lagern, hat sie ihre Position gefunden und haut einem Sätze an den Kopf, welche so verallgemeinernd sind, dass sich mir die Nackenhaare aufstellen. Wenn es für ihre Aussagen passend erscheint, werden Personengruppe gemeinschaftlich über den Kamm geschert.
Wie der Titel schon aussagt, sieht die Autorin sich als 'Anti-Girlboss' und an den sogenannten 'Girlbossen' lässt sie kein einziges gutes Haar. Wer ein 'Girlboss' ist, sich als solcher darstellt oder äußert einer werden zu wollen, ist in den Augen der Autorin jemand, der nur sich selbst im Sinn hat und das bestehende System, dass auf Ausbeutung und Arbeit vor Freizeit aufbaut, nicht verändern will, sondern für sich benutzen möchte. Sie führt große und bekannte Frauen an, welche, teilweise erfolgreich, versucht haben, eigene Wege zu gehen und stellt ihre 'Machenschaften' als das Böse dar, da sie dies, laut Aussage der Autorin, nur zu ihrer persönlichen Erfüllung angestrebt haben.
Unsere Gesellschaft ist eine auf Leistung basierte. Dies ist deutlich spürbar und eigentlich jedem bekannt. Auch, dass dies zu Stress, (Leistungs-)Druck, erhöhtem Krankheitsrisiko etc. führt. Da widerspreche ich überhaupt nicht. Wirklich überhaupt nicht. Ich selbst finde es schwierig in diesem System meinen Weg zu finden und das geht bestimmt einigen anderen Menschen ebenso. Eine allgemeingültige Lösung habe ich jedoch nicht und die Autorin leider auch nicht.
Es ist gut, dass sie auf die Problematiken versucht aufmerksam zu machen und ihr ist bestimmt bewusst, dass sie anecken wird, bestimmt auch einige richtig blöde Kommentare erhält und ich bin der Meinung, dass sie einige Aussagen mit Absicht provozierend niedergeschrieben hat, aber es war für mich ein zu großes Durcheinander, besonders weil ich irgendwie gehofft hatte, doch zumindest einen Hinweis zu erhalten, wie ich das mit dem 'Anti-Girlboss' sein, umsetzen könnte.
Leider ist die Kernessenz des Buches, dass man einfach einen Gang zurückschalten sollte, nur das was nötig ist und innerhalb der Arbeitszeit machbar, abarbeiten, seine Freizeit einfach als erste Priorität ansehen und mehr entspannen soll. Natürlich nur, sofern man es sich leisten kann.
Wer Einblicke in das bisherige Leben der Autorin lesen möchte, denn davon gibt es einige und die sind, wie sie auch selbst oftmals schreibt, mehr 'Girlboss' als 'Anti-Girlboss', wer sich über das System aufregt und eine Verbündete sucht, wer wissen will, was am System mancherorts verkehrt läuft und wer gemachte Behauptungen und Aussagen nicht einfach nur lesen, sondern sich selbst im Anschluss weiter informieren möchte, der sollte dieses Buch kaufen. Es ist zwar nicht lang und es liest sich sehr gut, da der Schreibstil der Autorin flüssig und die Sprache meiner Ansicht nach meist einfach gewählt ist, aber es bleibt auch noch im Nachhinein in den Gedanken hängen.