Liebevoller Roman über Einsamkeiten, den Tod & das Leben - lesenswert aber mit Längen
„Es kommt selten vor“, erklärte er uns, „ist aber auch nicht ungewöhnlich. Man muss nicht alt sein, um zu sterben, und um einsam zu sein, braucht es keinen Buckel.“
INHALT:
Suzu ist gerne allein. Seit 6 Jahren lebt sie in ihrer kleinen Wohnung in einer japanischen Großstadt und hat bisher nur wenige, lose Bekanntschaften geknüpft.
Unter einer idealen Beziehung versteht die 25-Jährige, keine allzu hohen Erwartungen an andere zu haben und nicht mehr, als ein wenig Small Talk zu betreiben. Das muss reichen.
Persönliches verursacht bei ihr dagegen Herzrasen und eine zugeschnürte Kehle. Lieber ist es ihr, in Ruhe gelassen zu werden.
Soziale Kontakte? „Wozu die Mühe? Es war schon anstrengend genug, ich selber zu sein.“
Eines Tages bricht Suzus Dating-Bekanntschaft plötzlich den Kontakt ab.
„Mit Beziehungen war es wie mit Weihnachtsbäumen. Es war schön, einen zu haben, andererseits auch egal, wenn man keinen hatte. Problematisch wurde es eher dann, wenn man unbedingt einen haben wollte und keinen bekam.“
Kurz darauf verliert sie auch noch ihren Job als Kellnerin in Restaurant, und der Chef rät ihr, sich eine Arbeit ohne Menschenkontakt zu suchen.
So landet Suzu, die sich seit dem Abbruch ihres Studiums mit Gelegenheitsjobs über Wasser gehalten hatte, beim Reinigungsunternehmen von Herrn Sakai.
Sie ahnt nicht, dass sich besagter Putztrupp auf Kodokushi-Fälle spezialisiert hat – vereinsamt in ihrer Wohnung verstorbene Personen, deren Tod häufig längere Zeit unbemerkt bleibt.
Ob sie wollen oder nicht, lernen sie sich als Putz-Team mit der Zeit gegenseitig etwas näher kennen. Und plötzlich muss sich Suzu eingestehen, nun viel weniger allein zu sein …
MEINUNG:
Als ich erfahren habe, worüber es in diesem Buch geht, wollte ich es lesen!
Der Inhalt hat mich sehr neugierig gemacht, tatsächlich wusste ich vorher nicht, dass es in Japan sogar einen Begriff für Todesfälle von sozial isolierten Personen gibt. Ein Thema, zu dem ich sonst noch kein Buch entdeckt habe.
Auch die Geschichte mit Suzu, hat mich interessiert.
An die Lektüre hatte ich recht hohe Erwartungen, da ich bisher nur begeisterte Stimmen dazu vernommen hatte.
Und schon auf den ersten Seiten mochte ich den Schreibstil mit seinen vielen sprachlichen Bildern.
Besonders beeindruckt hat mich persönlich, wie respekt- und würdevoll Herr Sakai mit den Toten und deren Hinterlassenschaften umgeht. Manchmal, so, als wären diese selbst noch anwesend. Diese Haltung gibt er auch an sein Team weiter.
Dadurch werden der Tod und die Arbeit des hiesigen Putztrupps ein Stück weit „normalisiert“. Es gehört zu unserem Leben schließlich dazu.
Hätte es hier Witze und blöde Sprüche über die Toten gegeben – das hätte ich nicht lesen wollen. Dieser respektvolle Umgang dagegen, ist der Autorin ausgesprochen gut gelungen und man kann ihn sich für unser aller Leben und Tod nur wünschen.
Trotz der eigentlich eher ernsten Thematik, schwingt immer wieder eine Prise Humor zwischen den Zeilen mit, jedoch nicht auf Kosten der Toten. Für mich hat es gut gepasst, um die Atmosphäre etwas aufzulockern und das Buch nicht allzu schwer werden zu lassen.
Mit der Protagonistin Suzu hatte ich anfangs meine Schwierigkeiten. Sie wirkt so unnahbar und gibt trotz der Ich-Perspektive nicht besonders viel von sich preis. Dies spiegelt zwar gut ihre soziale Scheu wider, hat mich als Leserin allerdings auch auf Distanz gehalten.
Dazu gibt es noch eine kurze Fat-Shaming-Szene von ihr beim Einkaufen, bei der ich mich sehr über sie geärgert habe. Klar, eine Protagonistin muss nicht sympathisch sein, aber es erleichtert oftmals den Zugang.
Dafür fand ich ihre Entwicklung bemerkenswert, wie sie sich nach und nach an ihr soziales Umfeld gewöhnt und sich hier und da auch mal ein bisschen öffnet. Dies wird authentisch und nachvollziehbar dargestellt.
Die Figuren empfand ich allgemein als eigenwillig und interessant – letztendlich sind sie es, die die Geschichte so vielschichtig erscheinen lassen ...
FAZIT: Ein liebenswerter Roman über Einsamkeiten, einen respektvollen Umgang mit dem Tod, das Leben und die Menschlichkeit.
Es gab Szenen, die ich geliebt habe, genauso tauchten für mich jedoch immer wieder einige Längen auf. Die eigenwilligen Figuren haben mich an sich begeistert, nur blieb mir die Protagonistin lange zu fern.
Aber insgesamt hat mir das Buch gut gefallen und es hallt noch eine ganze Weile in mir nach …
4/5 Sterne und eine Leseempfehlung!
(CN: Leichen, Fat Shaming)