Monolog zwischen Leben, Entbehrung, Hoffnung und Verzweiflung
"Nein, ich bin nicht verrückt - mir ist jetzt klar, dass dies hier nicht die Hölle ist - bis auf die wenigen Male, die ich wieder vergesse, dass ich in einer Nervenklinik in der normalen Welt bin." (Buchauszug)
Während zwei Nächten in einer Nervenklinik vertraut Heleen der Nachtschwester vom Dienst ihre Lebensgeschichte an. Dabei erzählt sie von ihrer Kindheit in einer protestantischen Großfamilie. Als Älteste der Kinder muss sie schon früh im Haushalt mithelfen und ihre anderen acht Geschwister versorgen. Als dann der Vater einen Unfall erleidet und fortan bettlägerig ist, erhält sie noch mehr Verantwortung. Unverhofft kommt dann noch ihre jüngste Schwester Lientje zur Welt, für die Heleen fast wie eine Art Mutterersatz wird. Eine viel zu frühe Anstellung lässt sie dann aus ihrem Elternhaus entfliehen. Durch ihre Schönheit findet sie später einen reichen Mann, den sie heiratet und mit dem sie nie glücklich wird. Erst nach der Trennung von ihm lernt sie ihre wahre Liebe kennen, die sie durch ihre Eifersucht und Zweifel selbst zerstört.
Meine Meinung:
Die Geschichte "Die Beichte einer Nacht", entstanden im Jahr 1930, ist in vielen Dingen eine Geschichte, die noch immer modern ist. Selbst heute noch können Ängste, Zweifel, Depression und Eifersucht oft zu Katastrophen führen. Aufgebaut ist sie einzig und allein auf Heleens Monolog in diesen beiden Nächten.Trotz allem ist dies kein einfacher Roman, den man mal so nebenbei liest, da er doch recht anspruchsvoll und deprimierend ist. Schon alleine die Kindheit von Heleen, die im Grunde gar keine hatte, da sie viel zu früh Erwachsen sein musste. Zudem heute völlig unverständlich, dass ein Ehepaar zehn Kinder in die Welt setzt, obwohl sie körperlich und von ihren Verhältnissen aus sich diese gar nicht leisten können. Doch sicher waren Kinder zur damaligen Zeit die Altersversorgung der Eltern. Sie mussten sich um die Eltern kümmern, ob materiell oder fürsorglich sie später oft noch pflegen. Von daher hatten gerade ärmliche Familien viele Kinder, um im Alter gut versorgt zu sein. Außerdem war zu dieser Zeit das Thema Verhütung natürlich nicht so weit wie heute und bei einer gläubigen Familie schon gar nicht. Waren doch für sie Kinder ein Geschenk Gottes. Doch zurück zu Heleen, die in zwei Nächten einer Krankenschwester ihr ganzes unglückliches Leben beichtet. Wenn man es liest, kann einem diese Frau wirklich leidtun. Hat sie doch in ihrem Leben nie richtig das Glück gefunden und als sie es hatte es sich selbst kaputtgemacht. Die Niederländerin Marianne Philips schildert hier ein Frauenbild, das zu jener Zeit, als das Buch entstand, sicherlich prägnant war. Kein Wunder, das ihr Buch zur damaligen Zeit viele Skeptiker hatte. Man muss sich vorstellen, dass zu jener Zeit Frauen oft noch gar nicht oder erst seit Kurzem wählen durften. Man musste die Ehemänner um Erlaubnis fragen, wenn man einen Beruf ausüben oder zur Schule gehen wollte und der Haushalt lag einzig und alleine in den Händen der Frau. Genauso erging es meist den Töchtern, die oft nie eine andere Wahl haben, sich ihr Leben selbst auszusuchen und stattdessen in eine Arbeitsstelle oder Heirat gedrängt wurden, wo sie vielleicht nie glücklich wurden. Kein Wunder, das diese Frauen oft mit Ängsten, Zweifel, Sehnsüchten und Depressionen behaftet waren wie Heleen. Jedoch sie versucht aus diesem Teufelskreis auszubrechen und heiratet einen reichen Mann. Leider entdeckt sie erst viel zu spät, dass sie ihn gar nicht liebt, sondern sogar abstoßend findet. Dass sie sich von ihm scheiden lässt, war damals sicherlich genauso selten gewesen. Die Autorin selbst, ebenfalls geprägt durch ihre schwere Kindheit und den viel zu frühen Tod ihrer Eltern, musste sich wie Heleen um ihre Geschwister kümmern, statt die Schule abzuschließen. Kein Wunder also, das sie versucht von der Familie weg zukommen, ihre Schule nachholt und eine leidenschaftliche Aktivistin wird, um für Verbesserungen und die Rechte von Frauen zu kämpfen. Diese Leidenschaft spiegelt sich selbst in diesem Buch wider. Zudem ist viel Biografisches enthalten, dass die Autorin eigens erlebt hat. Sie war sicherlich ihrer Zeit voraus, als sie hier diese Gedanken zu Papier brachte und sie wäre garantiert glücklich über das heutige Frauenbild. Selbst das ich mit Heleens persönlicher Sichtweise nicht immer klargekommen bin, was wahrscheinlich an ihrer psychischen Erkrankung lag, gebe ich dem Buch 4 von 5 Sterne.