Rasante Fantasy - emotional und düster
Erster Eindruck:
Obwohl Luna McMullens „Ära der Dunkelheit – Entfesselt“ der zweite Band ihrer Fantasy-Dilogie ist, können wir uns als Leser leicht und schnell ins Geschehen hineinversetzen. Die Figuren sind dreidimensional und authentisch, das Setting um das Reich Midlinn und den abtrünnigen, von den Schattenmagiern beherrschten Norden führt uns die Autorin so realistisch vor, dass wir beim Lesen die Kerkermauern, Häuserecken und die altertümlichen Hafenanlagen vor Augen haben. Wem das zum Verständnis nicht genügt, dem rate ich zu einem Blick in die Leseprobe von Band 1 auf der Verlagshomepage. -------
Inhalt:
Juna, Rekrutin an der „Akademie“, der wichtigsten Bildungsstätte Midlinns, wird von Lord Fescol, dem führenden Schattenmagier, in den Kerker von Gravik, der Hauptstadt des Nordens, entführt. Hier herrschen die Schattenmagier mit eiserner Hand. Sklaverei, Willkür und Folter sind an der Tagesordnung. Da Juna als eine der wenigen die mächtige Magie der Dunkelheit besitzt, stellt ihre Entführung nicht nur einen politischen Affront, sondern zugleich eine Bedrohung des Landes dar. Und so sind die Missionen, sie zu befreien, und der vom herrschsüchtigen Lord Fescol unternommene Eroberungsfeldzug gegen Midlinn nur eine unausbleibliche Folge. Schließlich kennt er Junas magische Kräfte besser als sie selbst … -------
Schreibstil:
Beim Lesen von Fantasy-Romanen sind mir zwei Aspekte wichtig: Ich möchte die Handlungsorte so bildhaft vorgestellt bekommen, dass ich mich dort hineinversetzen und mich umsehen kann. Bei den Hauptfiguren möchte ich ihre so genannte innere Heldenreise miterleben, also ihre Charakterentwicklung. Mit beidem hat Luna McMullen meine Lesefreude befriedigt. In Kerkerszenen rieche ich förmlich den Schimmel an den feucht-kalten Mauern, und bei Flucht und Verfolgung haste ich im Geiste mit. Je nachdem, aus wessen Sicht gerade erzählt wird. Hier greift die Autorin zu einem selten gebrauchten, aber äußerst wirksamen literarischen Kunstgriff: Schlüsselszenen erzählt sie in jeweils vollständigen Kapiteln mehrmals hintereinander, wobei sie nacheinander die Perspektive geschickt auf den Blickwinkel der beteiligten Figuren richtet und dabei Freund und Feind gleichermaßen zu Wort kommen lässt. Darüber hinaus bringt sie Gefühle wie Ängste, Verzweiflung und Resignation einerseits und Hoffnung, Zuversicht und Gewissheit in Dialogen oder Gedanken lebendig zum Ausdruck. Die Sprache ist der jeweiligen Figur angemessen und somit authentisch. Dabei entwickelt sich besonders die Gesinnung Junas, und in ihr erwachen ungeahnte Charakterzüge – die innere Heldenreise eben. Dennoch fühlte ich mich am stärksten mit einer anderen Figur verbunden, weil ich trotz deren eigennütziger Absicht ihre tatkräftige Hilfe besonders schätze, vielleicht mehr als im Roman Juna selbst und König Kjell. Positiv empfinde ich, dass die Autorin Szenen der Gewalt gegen Frauen auf eine Weise zeigt, die beim Leser keine voyeuristischen Empfindungen aufkommen lassen, sondern Mitgefühl. Und den Twist im Epilog sollte sich kein Leser entgehen lassen: Im allerletzten Satz setzt McMullen die Ironie des Schicksals perfekt in Szene. -------
Fazit:
„Ära der Dunkelheit – Entfesselt“ ist echte Fantasy mit rasanter Handlung und gegensätzlich veranlagten Figuren, woraus viel Konfliktpotenzial entsteht. Das nutzt Luna McMullen geschickt zum Spannungsaufbau. Der Leser kann sich der düsteren Atmosphäre nicht entziehen, so eindrucksvoll lockt die Autorin ihn ins altertümliche Setting. Das Buch empfehle ich all denen, die Fantasy mit düsterer und dicht beschriebener Stimmung lieben und die sich von gelegentlicher Gewaltdarstellung nicht abschrecken lassen.