Start einer neuen Kleinstadt-Dilogie
Mit „Still into you“, dem ersten Band einer zweiteiligen Reihe, gibt Jenny Holiday ihr Debut bei Forever Ullstein. Nach zehn Jahren kehrt Eve Abbott in die Kleinstadt Moonflower Bay zurück, denn ihre Großtante hat ihr ein kleines, heruntergekommenes Hotel vererbt. Direkt an ihrem ersten Tag trifft Eve außerdem Sawyer Collins wieder: den Grund, aus dem sie der Stadt vor Jahren mit gebrochenem Herzen den Rücken zugekehrt hat. Beide haben versucht, einander und die gemeinsame Zeit zu vergessen, doch alte Gefühle flammen schnell wieder auf – ob man will oder nicht.
Auf den ersten Seiten habe ich mich zugegebenermaßen etwas schwergetan. Der Satzbau war sehr holprig, viele Sätze musste ich mehrfach lesen und es wollte sich kein wirklicher Lesefluss einstellen. Dies war jedoch nur von kurzer Dauer und hat sich schnell geglättet, sodass ich Seite um Seite angenehm durch das Buch geglitten bin. Jenny Holiday hat es geschafft, dass ich mir die kleine Stadt am Lake Huron in Kanada sehr gut vorstellen konnte, jedes Gebäude und die malerische Umgebung haben vor meinem Auge Gestalt angenommen.
Eve und Sawyer waren sympathische Charaktere, deren Handeln und Beweggründe ich gut nachvollziehen konnte. Dabei hat auch geholfen, dass der Roman jeweils im Wechsel aus beiden Perspektiven geschrieben wurde. Den Charme eines solchen Kleinstadt-Romans machen für mich zu einem ganz großen Teil aber auch immer die Nebencharaktere aus, sei es Eves extrovertierte Freundin, Sawyers gutherzige Schwester, seine verlässlichen Freunde oder die etwas aufdringliche Konditorin mit den blauen Haaren, die es manchmal zu gut mit Eve und Sawyer meint. Sie alle zusammen prägen das Bild von Moonflower Bay, bringen viel Humor in die Geschichte und entzünden die typische Wärme, die so ein Wohlfühlroman in meiner Brust entfaltet.
Natürlich muss man einräumen, dass Jenny Holiday die Kleinstadt-Romanze nicht neu erfindet. Lake Starlight und Redwood lassen grüßen, sowohl hinsichtlich der allgegenwärtigen Hilfsbereitschaft, aber auch dem Einmischen in die Angelegenheiten anderer mit Tendenzen zum Verkuppeln. Zum Teil sind dies aber einfach die typischen Charakteristika, die dieses Subgenre ausmachen oder ohne die eine darin angesiedelte Liebesgeschichte schwerlich in Gang käme. Und ganz ehrlich: das sind doch auch die Dinge, die Leser*innen an diesen Geschichten lieben, davon nehme ich mich nicht aus. Eine heile Welt in der das Glück fast ohne dein Zutun zu dir kommt.
Die Autorin setzt aber auch ein paar eigene Akzente, die mich angesprochen haben: Sawyers Schwester Clara, die er selbst großgezogen hat, wird erwachsen und beide versuchen ihre problematische Kindheit aufzuarbeiten. Dies passiert natürlich mit einer gewissen Oberflächlichkeit, sodass der Roman immer noch ein Wohlfühlbuch bleiben kann. Dennoch hat mich die Herzlichkeit der geschwisterlichen Beziehung sehr berührt.
Zusammenfassend komme ich zu 4 von 5 Sternen. Ja, Jenny Holiday erfindet die Kleinstadt-Romanze nicht neu – muss sie aber auch gar nicht. So, wie sie „Still into you“ geschrieben hat, konnte ich es (nach einem etwas hakeligen Start) absolut genießen. Ich freue mich sehr, diesen neuen Ort und seine wunderbaren Bewohner entdeckt zu haben und bereits im August mit dem zweiten Band zurückzukehren („Someone like you“; ET 30.08.2021). Darin wird Sawyers Freund Jake sein Glück finden und falls dann noch nicht geschehen, wünsche ich mir tatsächlich noch einen dritten Band für seinen anderen Freund Law. Und jede*r Leser*in wird jetzt schon genau wissen, welche Bewohnerin von Moonflower Bay ich für ihn im Sinn habe...