Lebendig erzählte Geschichte
Lulu, Elsa und Fanny stammen aus den verschiedensten Gesellschaftsschichten und könnten auch sonst unterschiedlicher nicht sein, doch alle haben den Traum, Medizin zu studieren und einmal Ärztin zu werden. Doch die aufmüpfige Lulu soll von ihrem Vater, dem Direktor des Kinderspitals, standesgemäß verheiratet werden; Fanny wurde nach München geschickt, um ihrem Bruder den Haushalt zu führen, der als Mann bestimmt wurde, Medizin zu studieren, obwohl er lieber das Leben genießen möchte und Elsa erhält nach dem Tod des Vaters keinerlei finanzielle Unterstützung mehr. Als ihre Wege sich zufällig im Dr. von Haunerschen Kinderspital kreuzen, beginnt ihr gemeinsamer Weg zu mehr Gleichberechtigung zunächst bei einer unerwünschten Schwangerschaft, in der Fahrrad-Fahrschule und im Verein für Fraueninteressen und die Freundinnen müssen sich einer Vielzahl von Herausforderungen stellen.
Ina Bach ist das Pseudonym einer deutschen Autorin, die unter ihrem Klarnamen bereits einige Kriminalromane veröffentlicht hat. Mit ihrer Saga um "DIe Münchner Ärztinnen" widmet sie sich gegen starke junge Frauen, die sich gegen konservative Statuten auflehnen, um ihre Träume zu verwirklichen. Im vorliegenden ersten Band "Goldene Träume" sind die klugen Frauen jedoch noch weit entfernt davon, ein Medizinstudium zu absolvieren und müssen sich den diversen Herausforderungen ihrer männerdominierten Zeit stellen.
Die Handlung spielt im Jahr 1898 in der Residenzstadt München und der Autorin gelingt es mühelos, durch ihren bildgewaltigen Schreibstil die Handlung wie einen Film vor den Augen ihrer Leser*Innen ablaufen und die Zeit lebendig wirken zu lassen. Durch akribisch recherchierte und wie nebenbei in die Handlung einfließende Details ist das Buch ein hervorragender Geschichtsunterricht. Um nur ein Beispiel herauszugreifen: Wer wusste vorher, dass es zur vorletzten Jahrhundertwende sogar Fahrschulen zur Benutzung eines Velozipeds gab, welche - anstößige - KLeidung die modebewusste Frau dabei trug und wie sehr fortschrittliche Frauen für dieses unschickliche Tun angefeindet wurden? So fühlte ich mich manches Mal beim Lesen zwischen Lachen und Wut und Entsetzen über die konservativen Ansichten und die Unterdrückung der Frauen; haarsträubend die herrschende Meinung über die Intelligenz und Studierfähigkeit der Frau.
Wenngleich die Geschichte um die drei Freundinnen Lulu, Fanny und Elsa fiktiv ist, finden sich in der Saga neben vielen wahren Begebenheiten auch zahlreiche historische Personen als Nebenfiguren wie Prinzessin Ludwig, Direktor von Ranke und Oberarzt Doktor Herzog, die gestrenge Oberin Amalberga und die Frauenrechtlerin Änny Geissler-Lee. Zahlreiche bedeutende Themen werden zur Sprache gebracht wie beispielsweise Prostitution und die Härte eines Frauenlebens.
In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die Autorin in einem ausführlichen Anhang "Fiktion und Wirklichkeit" gegeneinander abgrenzt und so durch die zahlreichen geschichtlich verbürgten Sequenzen das Buch noch einmal auf eine besondere Ebene hebt.
Sicher ist es nicht verwunderlich, dass in einer Saga über angehende Ärztinnen auch medizinische Details und Behandlungsmethoden nach dem wissenschaftlichen Stand der damaligen Zeit beschrieben sind - und auch bei diesen Schilderungen war ich froh, in der heutigen Zeit zu leben!
Die Hauptfiguren sind mit viel LIebe ausgearbeitet und mit diversen Facetten dargestellt. Ihre Entwicklung ist feinfühlig dargestellt mit allen Selbstzweifeln und Hindernissen und wirkt absolut authentisch und glaubhaft.
Die 575 Seiten flogen für mich geradezu dahin und viel zu schnell war ich am Ende angekommen. Natürlich blieben einige Fragen offen; doch ich muss positiv anmerken, dass die Autorin auf einen effektheischenden Cliffhanger verzichtet. Der Auftakt der Saga spricht für sich und ich fiebere den Folgebänden entgegen, die am 17. Januar 2025 ("Goldene Zeiten") und 19. März 2025 ("Goldene Wege") erscheinen sollen.
Ein Rezept für einen Champagner Julep und eine Bücherauswahl für Interessierte runden - neben der oben angesprochenen Abgrenzung von Fiktion und Wirklichkeit - das Buch ab.
Wer Interesse an lebendig erzählter Geschichte hat und / oder sich für die Geschichte der MEdizin interessiert, kommt an diesem Roman nicht vorbei!