Der Preis der Freiheit?
Gisa Stein wächst nahe Berlin auf. Ihr Traum ist es, Tänzerin zu werden. Sie schafft es bis an die Staatsoper, wo sie in die Fänge der Stasi gerät. In ihrer Verzweiflung versucht sie mit ihrem Ehemann Edgar in den Westen zu fliehen. Doch in einer kalten Januarnacht 1974 wird das Paar an der Grenze festgenommen und wegen Republikflucht zu 3,5 Jahren Haft verurteilt. Was Gisa dann im Frauenzuchthaus Hoheneck durchmacht, ist die Hölle. Von unzähligen Briefen, die ihr Mann Ed ihr über die lange Haftzeit schreibt, erreicht sie nur ein einziger.
„Hintern zusammen kneifen und durch!“, mit diesen Worten, die Gisa von ihrer russischen Ballettlehrerin eingebläut wurden und die für Selbstdisziplin stehen, schafft es die junge, sensible Gisa durch die Häftlingshölle. Erfolgsautorin Hera Lind hat die persönliche Geschichte von Gisa Stein aufgegriffen und erzählt sie in der Ich-Form. Da es sich um einen Tatsachenroman handelt, sorgt dies jedoch ein wenig für Verwirrung und wäre plausibler gewesen als Biografie (zumindest ihrer DDR-Zeit) der Tänzerin Gisa Stein anzupreisen. Denn die Sicht und Erfahrungen der Protagonistin sind höchstpersönlich und schmerzlich, vermitteln jedoch kein Gesamtbild der Situation der politischen Gefangenen der DDR.
An keiner Stelle werden Fakten wiedergegeben, ins Gesamtbild eingeordnet oder erklärt, sondern vermitteln nur das Bild von Gisa Stein. Hier hätte ich von Hera Lind, die die Geschichte erzählt, erwartet, dass sie eine breitere Perspektive einnimmt und Hintergrundinformation gibt, während sie die Geschichte erzählt. Doch das geschieht nicht, sondern die Biografie der schrecklichen DDR-Jahre, Flucht und Haft der Gisa Stein plätschern mit vielen Wiederholungen vor sich hin. Das schmälert natürlich keineswegs die Grauen, die die Protagonistin erlebt hat und nimmt auch nicht die Wichtigkeit dieses Zeitzeugnisses, das nicht in Vergessenheit geraten darf! Ganz im Sinne von Gustav Heinemann: „Man erkennt den Wert einer Gesellschaft daran, wie sie mit den schwächsten ihrer Glieder verfährt.“ Mit Bezug auf die politischen Gefangenen der DDR ein Armutszeugnis.
Gelesen wird das Hörbuch von Svenja Pages, die mich in die „Hölle war der Preis“ nicht überzeugen konnte. Die verschiedenen Dialekte, besonders das Sächsische, klingen sehr gestelzt und aufgesetzt – irgendwann überkam mich das Gefühl einer Endlosschleife. Die Botschaft des Werkes und die Frage, ob das Erleben der Hölle der Preis für die Freiheit gewesen sein sollte, sind wiederum sehr aktuell und sorgen für einen Nachklang. Die von Gisa Stein erlebten Ungerechtigkeiten können sinnbildlich noch heute für viele Schikanen stehen, denen Menschen in Unrechtssystemen ausgesetzt sind. Ein Zeitzeugnis, das ich nicht als klassischen Tatsachenroman empfehlen würde zu hören, sondern vielmehr als Biografie einer DDR-Tänzerin, der die Freiheit und ihr großer Traum genommen wurden. Ein Schicksal, das es verdient, gehört zu werden!