Überraschend, emotional und intensiv.
Helen Francis Paris – Das Fundbüro der verlorenen Träume
Dot arbeitet seit Jahrzehnten im städtischen Fundbüro und sie liebt ihren Job. Als eines Tages Mr Appelby ins Fundbüro kommt und dort nach der Tasche seiner verstorbenen Frau sucht, gibt Dot alles, um sie wiederzufinden. Tag ein Tag aus berührt sie das Schicksals des älteren Herrn, der sich verzweifelt an die Hoffnung klammert, die Tasche bzw. die Erinnerung an seine verstorbene Frau zu halten.
Als sich die Tasche dann tatsächlich wiederfindet, ändert sich für Dot plötzlich alles.
Ich habe bisher noch kein Buch der Autorin gelesen.
Der Erzählstil ist sehr poetisch, die Story hat mich an vielen Stellen berühren können, ist sehr detailreich und ein wenig abgedreht, so wie das tägliche Leben.
Im Fokus steht Dot, eine Frau mittleren Alters, die sich mit Schuldgefühlen herumplagt und seit einigen Jahren auf der Stelle tritt. Sie wohnt im Elternhaus. Ihre Schwester hat längst ein eigenes Leben samt Familie aufgebaut, ihr Vater ist verstorben und ihre Mutter leidet an Demenz und ist nach einem Sturz ins Seniorenheim eingezogen.
Dot lebt für ihren Job, den sie sehr akribisch, fast schon zwanghaft ausführt. Als sie einen neuen Chef bekommt, ändert sich alles. Ihr geht das Schicksal von Mr. Appelby sehr zu Herzen, und der Leser bzw. Hörer erlebt ihre Gefühlswelt hautnah mit.
Die Charaktere sind insgesamt sehr lebendig und wie aus dem Leben dargestellt. Genau das macht Dot so sympathisch, auch wenn sie unter Absynth-Genuss von ihrem toten Vater halluziniert und das zugegeben ein wenig abstrus und abgedreht wirkt. Aber hey, manchmal ist das Leben so und von daher fand ich das absolut glaubhaft.
Die Autorin achtet akribisch auf Details, ich glaube ich habe noch nie in einem Buch so eine Fülle von Farben, beschriebenen Gerüchen oder Blumensorten gelesen, aber das hat die Geschichte noch aufgewertet, farbenfroher und intensiver gemacht. Leider führte das ab und an auch dazu, dass die eigentliche Story auf der Stelle trat und nicht voran kam, dass die Spannung nachgelassen hat, aber das holt die Autorin wenig später dann durch Intensität der Gefühle wieder heraus.
Das Buch hebt sich auf jeden Fall deutlich aus der Masse heraus. Ich bin froh es gelesen bzw gehört zu haben, aber ich denke, es ist unwahrscheinlich, dass ich ein weiteres Buch der Autorin lese, einfach weil es normalerweise nicht mein Genre ist.
Ich habe das Hörbuch, eingelesen von Julia Meier, gehört. Die ungekürzte Hörbuchdauer beträgt knappe 12 Stunden.
Die Synchronsprecherin lässt die Geschichte und Charaktere lebendig werden, sie erzählt die Story in einem guten, angehmen Tempo. Julia Meier lässt uns an der Gefühlslage von Dot teilnehmen; die Schrecken, die Angst, die Angst, die Schuldgefühle kommen glaubhaft und authentisch rüber, genau wie die positiven Gefühle, die Leidenschaft zu ihrem Job, die Liebe zu ihrer Familie, die auftauchenden Halluzinationen. Es war schön, Dot auf ihrem Weg zu begleiten und Julia Meier hat einen guten Job gemacht.
Ich fand das Buch schön, es hat mich berührt und ich möchte es an dieser Stelle gerne weiterempfehlen. Wer Bücher mit einer gewissen Intensität und aus dem Leben entstandenen Geschichten mag, der wird Freude am Buch haben. Allerdings sollte man im Vorfeld die Leseprobe gelesen haben, denn wie gesagt, die Autorin verfolgt akribisch und sehr detailliert den Weg von Dot. Ich kann also durchaus verstehen, wenn es dem einen oder anderen Leser zu detailliert ist.
Das Cover passt sehr schön in die Geschichte, die fliederfarbene Tasche bzw. Geldbörse mit der Tulpe, ist gut gewählt.
Fazit: Obwohl ich das Genre selten lese, hat mich die Story überraschen und berühren können. Dot findet zurück ins Leben und zu sich selbst. Überraschend, emotional und intensiv. 4 Sterne.