Sehr ergreifend und voll neuer Hoffnung
Bei dem Buch "Manchmal musst du einfach leben" von Gayle Forman war ich zuerst zwiegespalten, ob ich es lesen möchte. Ich bin selber in einer ähnlichen Situation wie die Protagonistin Maribeth, aber meine Familie zu verlassen, könnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Trotzdem hatte mich die Leseprobe so beeindruckt, dass mich das Buch nicht mehr losgelassen hat und ich es doch besorgt habe. Das Cover finde ich ansprechend und schön gestaltet.
Der erste Teilspielt in New York City und man lernt die 44-jährige Maribeth und ihre Familie kennen. Maribeth führt im Grunde ein Leben wie es für sie nicht schöner sein könnte, trotzdem kämpft sie täglich gegen Windmühlen. Das Einkommen ihres Mannes Jason reicht nicht aus, um sich den Lebensstandard, den sie sich wünschen, zu leisten, zudem sind die Kinderbetreuungskosten ihrer 4-jährigen Zwillinge sehr hoch und sie ist gezwungen, auch arbeiten zu gehen, und der Job bei einem Magazin, zu den sie ihre langjährige Freundin Elizabeth geködert hat, stellt sich bald als Vollzeitjob heraus. Maribeth ist überfordert und gibt stets mehr, als sie kann, bis es zu einem Herzinfarkt kommt. Vor allem diesen Teil der Geschichte fand ich sehr ergreifend und konnte schließlich doch nachvollziehen, dass Maribeth ihren Koffer packen musste, um etwas für sich selbst zu tun, wobei trotzdem fraglich ist, inwiefern ihr Verhalten realitätsnah ist.
Der zweite Teil spielt in Pittsburgh, wo Maribeth möglichst anonym versucht zur Ruhe zu kommen, ihre Gedanken zu ordnen und sich zu erholen. Sie findet schnell guten Anschluss in ihren Nachbarn Sunita und Todd, ihrem Arzt Dr. Grant und Janice, die bei BurghBirthParents arbeitet und Adoptivkindern hilft, ihre leibliche Mutter zu finden - Maribeth wurde nämlich als Baby zur Adoption freigegeben und möchte von ihrer Mutter Antworten haben, insbesondere der familiären Vorbelastungen wegen. An ihre Kinder schreibt sie Briefe, die sie jedoch nicht abschickt. Dass Jason und Elizabeth nicht nach ihr Suchen, macht sie mehr und mehr wütend, aber schließlich erfährt man den Grund. Immer wieder erfährt man auch in Rückblicken aus ihrem bisherigen Leben - ihrer Kindheit, ihrer Ehe mit Jason und ihrer Freundschaft zu Elisabeth. Maribeth erholt sich schnell, aber den Zeitpunkt, in ihr altes Leben zurück zu kehren, findet sie lange nicht. Nach einigen Wochen hat sie wieder Kontakt zu ihrem Mann und diese E-Mails und Chats haben mich sehr positiv überrascht. Es kommen plötzlich Tatsachen ans Licht, die die Beiden sich zu lange verschwiegen haben, Jason gibt zu, in so manchen Situation richtig Angst gehabt zu haben, sogar in psychologischer Behandlung gestanden haben bzw. aktuell zu stehen und auch nicht fehlerfrei zu sein und erst jetzt, wo Maribeth nicht da ist, zu verstehen, welche Last auf ihr gelegen hat. Dieser Teil hat mich sehr gefesselt weil ich neugierig war, wie sie es schafft, sich zu erholen, gleichzeitig damit umzugehen, ihre Familie im Stich gelassen zu haben und vor allem, inwiefern sie sich ihr wieder annähern kann und ob sie mit offenen Armen wieder empfangen wird.
Das Thema das Romans finde ich sehr aktuell und eine sehr gute Idee hinter der Geschichte. Sie zeigt sehr deutlich auf, welche tragende Rolle Mütter inne haben. Denn im Gegensatz zu (vermutlich den meisten) Männern sind sie eben auch noch hauptverantwortlich für Haushalt und Kinderbetreuung. Sehr deutlich wird wie wichtig es ist, sich als Mutter frühzeitig Freiräume zu schaffen, dass es zu einer solch eskalierenden Situation nicht kommen kann bzw. im Falle einer Krankheit vehement auf die "Blase" zu bestehen, die man um sich bildet, um sich zu erholen. Den Schreibstil fand ich als sehr angenehm und fesselnd. Der Roman regt sehr zum Nachdenken an, gerade wenn man in einer ähnlichen Situation wie Maribeth steckt. Und er gibt viel Hoffnung, dass es nochmal einen Neuanfang geben kann, auch wenn das Leben vor dem Aus zu stehen scheint. Ich vergebe sehr gerne fünf Sterne!