Periodenblut oder wenn sich Frauen wie „Der Tatortreiniger“ fühlen
Einleitung:
Heute Morgen (17.11.20 Sat 1 Buchbesprechung „La Maison“ von Emma Becker) habe ich im Fernsehen gesehen, wie die Moderatorinnen es befremdlich fanden, dass eine Frau, die sich prostituierte, dies machte, um sich frei zu fühlen. Sie fand es fairer, für einen Akt bezahlt zu werden, weil man das gleiche kostenlos und in einer Beziehung macht, so sagte sie, auch ohne selbst etwas davon zu haben. Leider musste sie ein bisschen um Verständnis ringen.
Währenddessen hat sich ganz heftig meine Nasenreflex-Neurose gemeldet (erklärt und glücklicherweise verjährt, vgl. 73). Nach dem Gespräch wurde das Kochen von einer Frau anmoderiert und ein Mann zeigte ihr, was es neues in der Küche gab. Nun fand ich diese Situation etwas seltsam anmutend, weil zum einen so unterschiedliche Welten aufeinander prallten und es laut Caroline Perez sehr wenige weibliche Köche gibt, die beiden Moderatorinnen natürlich gut aussahen und ich kurz zuvor das alte Zitat in dem hiesigen Buch gelesen hatte:
"Eine Frau hat nur zwei Fragen im Leben: was soll sie anziehen und was soll sie kochen." Seitdem scheint sich wenig verändert zu haben" (vgl. s. 120 ). Außerdem stand in Caroline Perez Buch, dass es viele männliche Köche im Fernsehen gab, aber nur wenige Weibliche. Dafür aber viele davon zuhause.
Natürlich habe ich mehr Verständnis für die Meinung der ehemaligen S*xarbeiterin, die „La Maison“ geschrieben hat, auch, wenn ich ihre Exkursion nicht nachmachen würde.
Ein weiteres Bild zieht sich durch die Werbung: Das der munteren Traumfrau, die mutig Aktion Sportarten macht, in weißen Laken aufwacht, hochgradig produktiv ist, wunderschön aussieht und vor allem keine Probleme macht. Ihre Jungfräulichkeit bewahrt sie nur für die Freuden ihres Zukünftigen auf, um sich ihm billig und willig zu präsentieren, denn sie hat neben dem absoluten Perfektionismus auch keine eigene Sexualität.
Ja, so ein gesellschaftliches Bild scheint durchaus zu bestehen, da gebe ich Franka Frei recht. Jedenfalls geht es darum, neben der roten Flut, sowie die einhergehen Probleme.
Das Beschönigen dieser "Probleme" der Werbung geht so weit, bis sich sogar Männer beschweren, dass Frauen in der Periode nicht voller Tatendrang sind. Denn Frauen fühlen sich nicht gut, während der Tage. Eigentlich ist es schade, dass in einer solch aufgeklärten Gesellschaft erst ein gutes Buch geschrieben werden muss, um dies Leuten verständlich zu machen.
Das wahnhafte Weibchen
Immerhin ist schon Mal schön, dass man mittlerweile in einer Welt lebt, wo man sich als Frau so öffentlich beschweren darf, ohne gleich in eine Zwangsjacke gesteckt zu werden (vgl. 197 ff.). Doch selbst das ist so eine Sache für sich. Fern ab von google wird man fündig. Die Suchmaschine hat in der letzten Zeit leider sehr nachgelassen. Ich kenne den Begriff leider noch, dass die Frau „hysterisch“ ist. „Wahnhaft“ gilt auch als Krankheit, wobei der Begriff scheinbar sehr dehnbar ist und auch gerne mal (fach-)fern diagnostiziert wird...Wie gefährlich das für unsere Gesellschaft ist, ist hier sehr aufschlussreich beschrieben.
Dabei besitzen Frauen die Fähigkeit Zellen ineinander verschmelzen und leben entstehen zu lassen.
Doch sie werden ins Menstruationsexil gesteckt und ihnen werden andere Praktiken angetan, die ganz offen die Menschenwürde verletzen und das Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit!
In den großen Weltreligionen gelten Menstruierende Frauen als „unrein“. Auch im Christentum. Politik orientiert sich oft an der Religion.
Ich würde über das ganze Thema lachen, wenn es nicht so traurig wäre und in anderen Ländern zu ernsthaften Problem führt. Dass Frauen in Pakistan denken sie müssten verbluten, wenn sie ihre Tage bekommen ist schon uncool. Aber nicht lebensbedrohlich. Dass nicht über Sachen, wie die Geburt gesprochen wird, ist eine Katastrophe. Und lebensbedrohlich!
Verdammt ist die Gesellschaft rückständig, wenn es in England 2014 verboten ist weibliche Orgasmen zu zeigen, männliche aber schon. Wenn Uniprofessoren sich gegen Kampagnen stellen, die mit der Besteuerung von Tampons zu tun haben, nur weil sie scheinbar denken, das wäre unseriös. Besonders traurig wird es, wenn man in seiner Familie nicht von einem Tampon Business erzählen kann, auf das man stolz sein sollte (vgl. S. 69).
Da es ja Leute gibt, die Frauen für nicht ganz voll nehmen, vor allem wenn sie ihre Tage haben verdeutlicht dieses Buch noch einmal drastisch, wie gefährlich die Ansichten für die Gesellschaft sind. Sie zeigt auch, was passieren kann, wenn „mansplaining“ die Welt regiert.
Es ging um Freuds Freund und einer emanzipierten Frau Emma Eckstein, die von ihm wegen einer angeblichen Nasenreflex-Neurose das Gesicht verstümmelt bekam. Denn sie wollte eigentlich nur ihre Regel Schmerzen loswerden. Nicht ihre Gesichtshälfte (vgl. S.73)
Es ist ein wunderbares Buch, das erklärt, warum man Frauen nicht erzählen sollte, sie hätten einen Knall. Vor allem nicht, wenn sie menstruieren, schwanger sind., oder Kinder haben. Also immer! So etwas stellt nicht nur eine Beleidigung, sondern verhindert, dass sich ganze Nationen weiterentwickeln kann und verstärkt, dass Frauen um der Gesellschaft zu entsprechen zusätzlich auf ganz perfide Art ausgebeutet werden.
Der schlechte Witz des Systems
Das Buch wirbelt Fragen auf wie:
Wer kam auf die Idee Menstruieren zu besteuern und warum ließen wir uns das gefallen?
An dem Buch merkt man, dass Schwarm Intelligenz nicht immer Intelligenz ist und vor allem Männer in Hohen Positionen mit scheinbar viel Intelligenz nicht immer intelligente Erklärungen haben. Dafür unterhaltsame, aber leider problematisch. Unter der wer zu leiden hat? Nicht die Männer!
In fernen Ländern -Indien sind Tampons, wenn man es gegen gerechnet so wertvoll wie 60€. Sonst muss man als Frau einen Stofflappen nehmen, den man wiederverwendet. Dadurch können Infektionen entstehen. Vor allem in wärmeren Ländern. Dort wo es schon ein Tabu ist über die Periode zu sprechen, wie wird es erst mit Infektionen sein...? Nicht nur dort herrscht Tampon Armut, sondern auch in groß Britannien und hier in Deutschland (vgl. S. 107)? Hier gibt es nicht Mal Studien zu dem Thema! Wir Deutschland sind Hase und wissen von nichts.
Der zum Himmel schreiende Skandal dieses Buches ist, dass wir bis 2019 19 Prozent auf unsere Hygiene Artikel zahlen mussten. Luxussteuer. Dabei für zahlten die, die es sich leisten können für ein Reitpferd nur 7 Prozent. 19 Prozent zahlten alle. Selbst die Mutti mit dem ein Euro Job. Oder die, die 8 Stunden arbeiten gingen für ein Harz vier Gehalt. Laut Caroline Criado Perez, die Frau, die sogar einen Ritter Orden hat, haben wir sowieso schon eine Gender Gehaltslücke. Nur, weil wir weiblich sind.
Hersteller von Menstruationsartikeln sind nicht einmal verpflichtet anzugeben, was drin ist. Unvorteilhaft für Leute die keinem Krebs wollen, wegen Formaldehyd und Allergiker die keinen anaphylaktischen Schock wollen oder die nicht so auf Weichmacher stehen... Ne, Frauen mögen's doch lieber hart...
Übrigens: wir nehmen die Pille, zahlen monatlich dafür und dürfen zusätzlich die Menstruationsartikel dazu zahlen, denn wir haben nur eine Entzugsblutung. Bluten bräuchten wir nicht (Vgl. S. 140 + Quelle Karolin Kebekus).
Viele Frauen wissen auch nicht Mal etwas von Menstruationstassen...
Einen einzigen viertel Makel habe ich am Buch. Franka Frei geht viel auf die Angst ein bei Periodenschmerzen nicht ernst genommen zu werden. Aber welcher Arbeitnehmer gibt schon gerne zu, dass er einmal im Monat vorraussichtlich nicht arbeiten kann?
Hier kann man eine perfide Masche anschließen:
Wie selbstlos sind Aufklärungsmaßnahmen, zum Beispiel in Bangladesch (ab.S. 213)?
Schluss
Mal ein Gedankenspiel: Liebe Frauen, stellt euch vor ihr wärt in einer Quizshow. Ihr wüsstet nur, ob der Kerl euch auch im Bett will, wenn ihr eure Periode habt, oder nicht. Wenn er euch nicht im Bett will, wenn ihr sie hättet, hättet ihr dann wirklich wirklich Bock auf ihn? Wenn ihr ihn immer befriedigen müsstet, aber er euch nicht, weil ihr eure Tage habt? Jetzt Mal ehrlich, so einen würdet ihr doch von vornherein aussortieren. Was hält uns also bei solchen Männern? Die gesellschaftliche Norm, die eigene Scham ekelig zu sein? Woher kommt das?
Man könnte sich jetzt fragen wie man überhaupt dazu kommt, sich mit dem Thema auseinander zu setzen und es nicht einfach zu akzeptieren. Hier ist eins ihr prägenden Erlebnisse nachzulesen (S. 113). Vielleicht ist es auch generell einfach nur Soziologie und man könnte sich auch für prekäre Arbeit, prekäre Liebe: über Anerkennung und unsichere Lebensverhältnisse von Christine Wimbauer und Mona Motakef zurzeit kostenloses Buch interessieren. Der "Bindenrevolution" Film ist von 2018, heißt Padman und ist mit Akshay Kumar und Sonam Kapoor. Franka Freis Buch ist jedoch viel leichter Geschrieben und auch, wenn es ab und zu etwas umgangssprachlich und meinungsgefärbt ist, finde ich ist dieses Buch unterhaltsam und wirft einen anderen Blick auf ein Land, wo man immer gesagt bekommt, dass hier doch alles richtig läuft. Offenbar ja leider nicht. Nur dies ist sehr tief und fest in unseren gesellschaftlichen Strukturen verwurzelt.
Viel Spaß beim Lesen und vielleicht Düngen.