Lässt mich zwiegespalten zurück...
INHALT:
Giovanna ist 13 und momentan in der Schule schlechter geworden. Mit ihren kultivierten, der Mittelschicht angehörenden Eltern gerät sie immer wieder aneinander. Ihr Körper verändert sich und sie beginnt sich für Jungs zu interessieren.
In dieser sensiblen Phase muss sie mitanhören, wie ihr Vater sie mit Tante Vittoria vergleicht. Giovanna kennt die Familie des Vaters nicht persönlich, doch Tante Vittoria war in der Familie schon immer der Inbegriff von Boshaftigkeit und Hässlichkeit in Person! Schwer getroffen, das von ihren Eltern zu hören, beginnt sie mit ihrem Aussehen zu hadern („Mich im Spiegel zu betrachten, wurde sogar zu einer Manie. Ich wollte erkennen, ob meine Tante wirklich in meinem Körper aufschien (...)“).
Letztendlich gibt es für sie nur noch einen Weg: Sie muss die Tante persönlich kennenlernen. In Neapel kultiviert und im Wohlstand aufgewachsen, begibt sie sich nun in einen bildungsferneren, ärmeren und vulgären Teil der Stadt, um die Familie ihres Vaters kennenzulernen.
Doch plötzlich kommen Steine ins Rollen und Giovanna weiß nicht mehr, wem sie noch vertrauen kann. Und was ist damals zwischen ihrem Vater und dessen Schwester geschehen?
MEINUNG:
Es war mein erstes Buch von Elena Ferrante. Und ich wollte es so gerne mögen. Doch es lässt mich zwiegespalten zurück…
Die ersten Seiten habe ich mich sehr schwer getan und musste mehrere Anläufe starten. Ich konnte einfach keinen Zugang zur Geschichte finden, welche zudem etwas langatmig anfing. Immer wieder stolperte ich über lange Schachtelsätze, wodurch ich viele Zeilen mehrmals lesen musste und ehrlich gesagt, abends mehrmals dabei eingeschlafen bin.
Doch dann, nach etwa 100 Seiten konnte ich mich nach und nach tatsächlich doch noch mit dem Schreibstil anfreunden. Plötzlich mochte ich ihn sogar richtig gerne und zwischendurch konnte ich das Buch gar nicht mehr zur Seite legen. Was wieder einmal zeigt, dass es sich lohnen kann, dranzubleiben!
Giovanna erfährt durch ihre Tante Vittoria ein ganz anderes Umfeld, als sie es bisher kannte. Weniger kultiviert und vulgärer. Das fasziniert sie und doch gerät sie durch die angespannten Familienverhältnisse in eine Art Loyalitätskonflikt: Wem soll sie Glauben schenken? Wem kann sie noch vertrauen?
Trotzdem weiß die Heranwachsende, was sie möchte. Als Protagonistin fand ich sie daher sehr taff und interessant und auch manche ihrer Entwicklungen habe ich gerne verfolgt.
Neben ihr wirkte besonders die raue und dennoch liebenswerte Figur der Tante Vittoria sehr authentisch.
Insgesamt ist der Autorin die Zeichnung der weiblichen Figuren sehr gut gelungen, durch welche die Handlung für mich mit der Zeit immer lebendiger wurde.
Spannend fand ich auch die Beziehungsgeflechte zwischen den Figuren, vor allem in Bezug auf Giovanna, die in der Pubertät steckt, weshalb hier Chaos vorprogrammiert ist.
An der Männerwelt lässt Elena Ferrante in diesem Buch kaum ein gutes Haar. Hier wollen die meisten immer nur „das Eine“ und nichts anders, wodurch sie sich durch die Frauen stets manipulieren lassen oder diese betrügen – das war mir alles etwas zu platt.
Auch Giovanna macht ihre ersten Erfahrungen mit Jungs. Gegen Ende fand ich ihr Handeln diesbezüglich manchmal nicht mehr ganz nachvollziehbar.
Insgesamt war mir der Fokus auf diesen Themen etwas zu groß und ich mag es eher weniger vulgär, wodurch das Buch leider nicht so richtig meinem Beuteschema entsprach.
FAZIT: Ein Buch rund um das Erwachsenwerden, welches mich zwiegespalten zurücklässt. Die Beziehungsgeflechte und die weiblichen Figuren fand ich toll und lebendig gezeichnet. Aber 100 Seiten sind viele, um einen Zugang zur Geschichte zu finden. Und ich mag es weniger vulgär. Daher empfand ich mich nicht als die richtige Person für dieses Buch. Trotzdem konnte ich zwischendurch nachvollziehen, warum es die ein oder anderen Ferrante-Liebhaber gibt.