Die verschwundene Tochter kehrt zurück - eindrückliche Geschichte über 3 Generationen!
„(…) Moll war das Wunder in ihrer Lebensmitte gewesen, ihr Lächeln von Gott, und jetzt war Moll weg, und auf ihren Schultern spürten sie das schreckliche Gewicht all der Dinge, die sie über die Welt nicht wussten.“
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INHALT:
Irland, 1973: Kit und Paddy Gladney, beide um die sechzig Jahre alt, leben in einem Cottage im Grünen von Knockagowny. Doch der Schein der friedvollen Idylle trügt.
Fünf Jahre ist es her, dass ihre gemeinsame Tochter Moll plötzlich verschwand. Lediglich eine Reisetasche und etwas Bargeld bei sich, verlor sich ihre Spur damals in Dublin.
Es hatte keinen Streit gegeben und ihre Tochter galt stets als vernünftig, anständig und brav – ein gewöhnliches Mädchen, das mit ihnen jeden Abend den Rosenkranz betete.
Noch immer besteigt die fromme Mutter Kit jeden Abend den Hügel zur Maria Magdalena gewidmeten Kirche und fleht um ihre verlorene Tochter.
Die Eltern führen seitdem ein „stilles Halbleben“, die Hoffnung, Moll lebendig wiederzusehen, schwindet von Tag zu Tag mehr und ihre Herzen wiegen schwer.
Als eines Tages die mittlerweile 25-jährige Tochter unerwartet wieder vor ihrer Tür steht, sind ihre Eltern zunächst froh und überglücklich, sie wieder bei sich zu haben und das weder tot noch schwanger.
„Sie war zurück und auf den ersten Blick unversehrt, und die Welt war wieder warm und voller Leben und Licht.“
Aber warum ist Moll damals gegangen? Was ist geschehen?
„(…) keine Frage war Frage genug, und keine Antwort konnte etwas an der Wahrheit des Augenblicks ändern, dass dieses Mädchen an ihrem Tisch saß und nicht ertrunken oder ermordet oder irgendwo eingesperrt war, sondern brav schweigend aß, und dass ihre Geschichte erzählt werden oder in ihrem Innern verbleiben mochte: Beides würden sie überleben.“
Doch spätestens als die Tochter nicht mehr mit zur Sonntagsmesse geht, anderen gegenüber ausfallend wird und plötzlich die Polizei an der Tür steht, wird den Eltern bewusst, dass Moll in Schwierigkeiten stecken muss …
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MEINUNG:
Zum Inhalt des Buches könnte man sicherlich noch so viel mehr schreiben, doch ich finde, hier ist weniger mehr.
Ich möchte die Gründe für Molls Verschwinden nicht spoilern und auch nicht, was in der Zwischenzeit alles geschehen ist und was noch passieren wird.
Dies war mein erstes Buch von Donal Ryan, der Klappentext hatte mich neugierig gemacht. Zugegeben, an den Schreibstil musste ich mich erst einmal gewöhnen. Auch wenn ich diesen an sich als schön und anschaulich empfunden habe, haben mich die langen Schachtelsätze herausgefordert und ich bin anfangs etwas abgeschweift. Mit der Zeit habe ich die langen Sätze aber immer weniger als störend empfunden, konnte mich immer besser darauf einlassen und mich auf den Inhalt fokussieren.
Denn tatsächlich ist die Geschichte, die hinter Molls Verschwinden steckt, interessant. Sie stellt das Leben einer ganzen Familie und weiterer Leute auf den Kopf.
Der Roman, der sich über drei Generationen erstreckt, handelt u. a. von Beziehungen unterschiedlicher Art, Liebe, Selbstfindung, Zugehörigkeit, Geheimnissen, Schuld und Rassismus, ohne dabei thematisch überfrachtet zu wirken.
Außerdem zieht sich ein religiöser roter Faden durch das ganze Buch. Die Eltern Kit und Paddy Gladney sind fromme Leute, die ihren Glauben ausleben. Zudem tragen die verschiedenen Kapitel biblische Namen und eine der Figuren entwickelt eine Erzählung rund um die Geschichte des blinden Bartimäus aus der Bibel.
Das Buch über drei Generationen hinweg fand ich insgesamt sehr eindrücklich und lesenswert. Die einzelnen Figuren sind differenziert ausgearbeitet und ihre Hintergründe habe ich gerne verfolgt. Vor allem das letzte Drittel des Buches hat mich auch emotional sehr berührt.
Die unerwarteten Wendungen und Entwicklungen haben zu noch mehr Spannung beigetragen.
So habe ich das Buch an einem Stück verschlungen, da ich es nicht mehr aus den Händen legen konnte.
Auch wenn ich einen thematischen Übergang bei einem der Perspektivenwechsel nicht ganz rund fand, schließt sich am Ende des Buches der Kreis und es wirkt sehr stimmig.
Anmerken möchte ich noch, dass mir persönlich der Titel des Buches nicht offensichtlich genug ist. Ich musste die Hintergründe nach der Lektüre erst einmal googeln. Da hätte ich mir noch mehr Bezug zum Inhalt gewünscht oder einen anderen Titel.
Leute, die das Buch noch nicht kennen, könnten z. B. auch denken, dass es hier um Falschgeld geht. ?
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FAZIT: Nachdem ich mich an die langen Schachtelsätze gewöhnt hatte, mochte ich das Buch immer mehr. Die Geschichte ist eindrucksvoll, lesenswert mit differenziert ausgearbeiteten Figuren und unerwarteten Wendungen. Ein Buch mit tollen Themen, dem ich noch mehr Aufmerksamkeit wünsche – das hat es verdient! 4-4,5/5 Sterne und eine klare Leseempfehlung!
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(C. N.: Rassismus, Fatshaming, Suizidgedanken, se*uelle Gewalt, Tod, Trauer)