Gähnende Langeweile trotz glaubhaftem Sittengemälde des englischen Regency: bleibt leider nicht lange im Gedächtnis.
Buchinhalt:
Nach dem Tod des Barons Winthrop stürzt dessen ans Licht gekommene Spielsucht seine Witwe und Tochter in finanzielle Probleme. Titel und Herrenhaus erbt ein illegitimer Vetter, der Kaufmannssohn Jonathan Carlew, der sich fortan Baronet Winthrop nennt. Elvira Winthrop und Tochter Catherine ziehen in ein vernachlässigtes Cottage und während Elvira in Jammer um ihre verlorene gesellschaftliche Stellung versinkt, sucht Catherine Zerstreuung bei ihrer Freundin Lavinia. Jonathan Carlew ist ihr zunächst spinnefeind, denn er hatte Catherine in der Vergangenheit einst geküsst und war dann anschließend einfach verschwunden....
Persönlicher Eindruck:
Mit „Die wundervolle Miss Winthrop“ setzt Autorin Miller ihre Regency-Romantik-Reihe mit dem inzwischen vierten Band fort, eine weitere Miss reiht sich ein in die mittlerweile stattliche Zahl an zweifelhaften Missen, hinreißenden Ladys und unnahbaren Gräfinnen, die das englische Regency des 19. Jahrhunderts mit Leben und Geschichten füllen.
Ich kenne inzwischen mehrere Romane der Reihe, muss aber zugeben: dieser Band war der schwächste bislang und weckte statt Eintauchen in vergangene Zeiten eher gähnende Langeweile. Frau Miller erzählt detailverliebt und ausführlich, wie das Leben in dieser Epoche vor allem für Frauen aussah, verzettelt sich dabei aber ungemein in einer Fülle an Nebensächlichkeiten. Ein ungeheurer Wust an verschiedenen Namen und Personen macht es dem Leser nicht leicht, der Geschichte zu folgen, zumal außer dem Erbschaftsstreit gleich zu Beginn scheinbar nichts Weltbewegendes passiert.
Natürlich beschreibt die Geschichte sehr ausführlich das Leben im englischen Adel zur Zeit des Regency – wenn ich also davon ausgehe, dass das Leben der jungen, heiratsfähigen Töchter damals eben so war und sich lediglich zwischen Stickerei, Teegesellschaft und Bällen und unter der Fuchtel ihrer dominanten Mütter abspielte, dann ist die Handlung durchaus authentisch.
Für den heutigen Leser läuft so eine Geschichte aber nach einigen Dutzend Seiten schnell Gefahr, eintönig zu sein, wenn trotz Familiendrama so wenig auf eine spannende, zündende Kernhandlung Wert gelegt wurde. Immerhin hätte der Roman 400 Seiten und Raum genug dafür. Statt dessen spielt sich kaum mehr ab, als tägliche gegenseitige Besuche, Klagen der Witwe über ihren verlorenen gesellschaftlichen Einfluss und die Frage, wie sie am schnellsten ihre Tochter möglichst gut situiert an Mann bringt.
Hauptfiguren der Geschichte sind zweifelsfrei Catherine und Jonathan. Catherine blieb für mich bis zum Schluss relativ nichtssagend und farblos, Jonathan hatte schon mehr Profil und wusste meist, was er will und wie er dies durchsetzen kann. Trotzdem suchte ich die auf dem Klappentext versprochene entzückende, berührende und herzbewegende Geschichte leider bis zum Ende vergeblich.
Der christliche Aspekt der Geschichte war minimal und vernachlässigbar, Stoff zum Nachdenken gab es in meinen Augen in dieser Hinsicht keinen.
Als Sittengemälde der Regency-Zeit durchaus authentisch vermag es Autorin Miller hier nicht, mich emotional auch nur ansatzweise mitzunehmen, es fehlte mir an Tiefgang bei den Hauptfiguren, die Nebencharaktere waren allesamt austauschbar und nicht voneinander zu unterscheiden. Einzig Tante Clothilde (in meiner Gegend bezeichnet man so ein Frauenzimmer als „Beißzange“) und ihr Sohn Peter hatten Potential, hier hätte ich gerne noch mehr lesen wollen.
Letztendlich gibt’s von mir noch gerade so drei Punkte für die glaubhafte Beschreibung der Zeit und des Alltags in Adelskreisen; mit vergleichbaren Romanen kann „Die wundervolle Miss Winthrop“ in meinen Augen aber nicht mithalten. Eine Empfehlung mag ich hier nicht geben, da es durchaus andere Romane aus dieser Epoche gibt, die dann auch länger im Gedächtnis nachhallen.