Düsterer & erschreckender Roman über eine sektenartige Gemeinschaft
Benni kehrt nach einem schlimmen Ereignis nach über 25 Jahren nach Welsum zurück. Hier hat er vor allem die Sommer bei seinem Vater verbracht – der Benni auf eine Seite sicherlich geliebt aber nicht viel für ihn übrig hatte.
Und Welsum ist ein komplizierter Ort: In 25 Jahren hat ich außer ein paar neuen Häusern nicht viel verändert. Vor allem nicht die Menschen, die so streng religiös sind, dass sie wie eine Sekte erscheinen und manipulieren wo es geht – immer weitere kleine Samen in die Köpfen pflanzen zu versuchen. In der Kirche sitzen Jungs und Männer von Mädchen und Frauen getrennt. Fenster bleiben geschlossen, damit der Tod nicht reinkommen kann. Häusliche Gewalt an Frauen ist legitim, weil sie vielleicht einen eigenen Kopf haben. Hände unter der Bettdecke bringen Schmach und Schmäh. Fernseher und Musik sind verboten (und doch konsumieren es fast alle) sowie auch Jeans bei allen, Hosen allgemein bei Mädchen.
Ich denke es war Absicht der Autorin, keine cozy Atmosphäre zu schaffen, sondern eher Verblüffung, Abneigung und fast schon Ekel. Ständig stinkt es irgendwo nach Knochen, Alkohol, Feuchtigkeit, Zigaretten. Alles ist ständig nass und kalt. Die Menschen sehen überall Schrecken und geben es von Genration zu Generation weiter. Und hier ist nun Benni wieder gelandet, trifft seine alten Freunde und Bekannte, obwohl die Beziehungen für mich nicht viel von Freundschaft hatten, die nah und fern sind. Benni ist generell glaube ich ein recht einsamer Mensch, der nie seinen Wohlfühlort gefunden hat. So wie ich keine Figur gefunden habe, die mir wirklich sympathisch war. Bis auf Simon, der einfach nur lieben wollte. Als ich es schon fast aufgegeben habe, auf eine Entwicklung in der Geschichte zu hoffen, kam sie! Und wie! Ein Plot und Auflösungen, dass es mich mitgerissen hat!
Die gesprochene Rede ist komplett im Dialekt abgebildet, es sind keine Rechtschreibfehler und es ist ein gelungenes Stilmittel, mit denen die Figuren geschärft werden. Nach und nach erfahren wir, was in der Vergangenheit passiert ist und noch in der Gegenwart relevant ist. Andeutungen und offene Enden werden aufgelöst und aufgeklärt. Man muss nur dran bleiben.
In viele Geschichten kann ich mich ja reinfühlen. Hier kann ich häufig nur mit dem Kopf schütteln und bin erschrocken. Aber genau aus dieser Perspektive muss man das Buch lesen: Wie ein Beobachter von außen und dann eröffnet das Buch ganz neue Pfade und Einblicke. Es zeigt Dynamiken unter Menschen und auch denjenigen mit etwas mehr Macht. Es Geht um Glauben und Überzeugungen, Zugehörigkeit und Ängste.
Ich musste mich auch manchmal zum Lesen motivieren, eben weil es eher düster ist. Aber ich bin froh, dass ich es gemacht habe. Denn eine sektenähnliche Gemeinschaft ist kein Ding aus den USA. Und es zeigt, was diese Überzeugung aus Menschen machen kann, die darin verwurzelt sind. Gut für Benni, dass er nicht immer da war.
Der Titel hat meiner Meinung nach auch mehrere Bedeutungen:
- Der Wald spielt eine zentrale Rolle und auch hier muss der richtige Pfad gefunden werden
- Rechtes Gedankengut ist nicht immer extrem und wird in dem Buch (wahrscheinlich auch in der Realität) häufig einfach abgetan, weil jemand Alkohol getrunken hat oder gar nicht so ein schlechter Mensch ist. Benni erkennt das zum Glück und macht da nicht mit.
- Spiegelt sich wunderbar im Cover wieder – passender hätte es fast gar nicht sein können.
Fazit: Es lohnt sich bei diesem Buch dranzubleiben und zu lesen. Ich musste danach noch viel über Sachen daraus nachdenken – ein gutes Zeichen! Es ist viel vielschichtiger, als es am Anfang vermuten lässt. Eine Empfehlung für alle, die aus ihrer Komfortzone ausbrechen möchten!