Ein Frauenschicksal zwischen Jahrhundertwende und Erstem Weltkrieg.
Buchinhalt:
Lisette wächst zur Zeit der Jahrhundertwende in einem gutbürgerlichen Haushalt in Wiesbaden auf. Alles, was ihre Mutter will, ist Lisette gutsituiert mit einem Baron zu verheiraten, denn die Rolle der Frau in der damaligen Zeit beschränkte sich auf die Mutterschaft und darauf, dem Mann ein schönes Heim zu bereiten. Lisette jedoch rebelliert, sie fühlt sich eingezwängt in das Korsett der damaligen Zeit. Als sie eines Tages den Schneider Emile kennen und lieben lernt, brennt sich in einer Nacht-und-Nebel-Aktion einfach mit ihm durch...
Persönlicher Eindruck:
Mit „Leuchtende Tage“ hat Autorin Ruppert den ersten Teil ihrer „Winterfrauen-Trilogie“ geschaffen und nimmt den Leser mit in die Kaiserzeit zwischen der Jahrhundertwende und dem Ersten Weltkrieg. Bildgewaltig und authentisch beschreibt der Roman die damaligen Zustände und geht ein auf die Rolle von Mädchen und Frauen als (zukünftige) Mutter und ohne weitere Rechte. Dora Winter, Lisettes Mutter, ist ein Paradebeispiel für eine Frau aus dem gehobenen Bürgertum: man hatte Hausmädchen, eine Köchin, wohlerzogene Kinder. Doch was tun, wenn gerade die Tochter eigene Ideen hat und sich das sprichwörtliche Korsett der Gesellschaft einfach nicht anziehen will?
Lisette ist die uneingeschränkte Hauptfigur und Mittelpunkt der Geschichte, ihr Leben voller neuer Ideen, fernab der gesellschaftlichen Norm macht sie zu einem Paradiesvogel in der damaligen Zeit. Lisette lebt in wilder Ehe mit dem Schneider Emile zusammen, entwirft die Reformkleider, die er näht und ist glücklich. Leider ist dieses Glück aber nicht für eine Frau dieser Zeit vorgesehen und Lisette bricht schließlich mit ihrer Familie.
Mir hat gut gefallen, wie facettenreich und spannend das Leben von Lisette und Emile in den historischen Kontext eingearbeitet ist und wie überzeugend der Plot Kopfkino beim Lesen hervorruft. Die Welt steht an einer Zeitenwende und Lisette ist in ihrem Denken und Empfinden der Zeit weit voraus: in ihrem Weltbild sollte eine Frau die Wertschätzung erfahren, die weit über das reine Mutter-Sein hinaus geht und ihr einen eigenen Willen, ja sogar Selbstverwirklichung zubilligt. Das hat Frau Ruppert farbenprächtig und lebhaft eingefangen in ihrer Geschichte, die mich nur so durch die Seiten hat fliegen lassen.
Was mir hingegen gar nicht gefiel, weil es in meinen Augen für die Geschichte keinerlei Mehrwert hatte, waren die Gegenwartspassagen von Urenkelin Maya, die eines Tages auf den Spuren ihrer Großmutter wandelt und selbst aus einem eher lotterhaften Elternhaus stammt. Anfangs war ich noch bemüht, diese zweite Handlung auch in mich aufzunehmen, doch gegen Ende habe ich besagte Passagen nur noch überflogen. Mir haben sie rein gar nichts gebracht und ich hatte auch nicht den Eindruck, als hätte ich irgend etwas versäumt.
Die Reihe ist auf der Bände angelegt, wobei jeder der Bände eine der Frauen des Winter-Clans zur Hauptfigur hat. Band 2 beschäftigt sich mit Paula, Lisettes Enkelin, Band 3 schließlich mit der Großmutter Charlotte. Warum hier keine chronologische Erzählung gewählt wurde, weiß ich (noch) nicht.
Alles in allem empfand ich die vorliegende Geschichte, die kurz nach dem Ersten Weltkrieg endet, spannend, aber auch noch durchaus ausbaufähig – man kann also gespannt sein, inwieweit Frau Rupert das noch zu steigern in der Lage ist. Für diesen Band, den man auch gut für sich alleine stehen lassen könnte, kann ich durchaus eine Leseempfehlung aussprechen, auch wenn die Autorin an die wirklich großen Blockbuster des historischen Genres noch nicht so recht heranreichen kann.