Christ und AfD - zwei verschiedene Welten
Es gibt keine Religion, die ohne Konsequenz für die Lebensführung bleibt. Insofern hat jede Religion auch eine politische Dimension. Sie betrifft nicht nur das private, sondern auch das öffentliche Leben. (Seite 27)
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Meine Meinung
Zu Zeiten eines Franz Josef Strauß hieß es noch, rechts von der Union dürfe kein Platz für eine demokratische Partei sein. Aber das ist lange her, die Union ist weit in die Mitte (bzw. je nach Sichtweise nach links) gerückt, und rechts von ihr ist somit ein riesiges freies Feld entstanden. Immer wieder haben Parteien versucht, in diesen Bereich vorzustoßen, um die entstandene Leere auszufüllen. Derzeit trifft dies auf die AfD zu. Doch füllt sie diese Leere wirklich aus, ist sie wirklich nur rechts von der Union angesiedelt - oder ist sie mittlerweile doch außerhalb des Spektrums, das gemeinhin als demokratisch bezeichnet wird, angekommen? Und ist diese Partei, angesichts der kommenden Bundestagswahl durchaus aktuell, für Christen überhaupt wählbar?
Dieses Buch versprach Antworten auf diesen Fragen, aber - um es gleich vorweg zu nehmen - so ganz glücklich bin ich nicht damit geworden. Ich hatte beim Lesen immer wieder das Gefühl, daß der Autor nicht faßbar ist, daß er um das Thema herum schreibt ohne glasklar Stellung zu beziehen. Was möglicherweise daran liegt, daß ich mit seinem Schreibstil nicht zurecht kam, denn grundsätzlich waren seine Schlußfolgerungen schon eindeutig gegen die AfD. Nur angekommen ist das bei mir nicht so recht.
Schließlich habe ich das Buch ein zweites Mal gelesen, um dem auf die Spur zu kommen. Dabei fiel mir auf, daß der Autor Begriffe auf andere Art definiert, als ich sie definieren würde - oder als sie von der AfD definiert werden. Damit konnten seine Erklärungen nicht so ganz aufgehen. Als Beispiel sei hier „Multi-Kulti-Gesellschaft“ genannt. Der Autor definiert praktisch jede Gesellschaft als „Multi-Kulti“ (vgl. Seiten 39ff): "Den Gesichtstätowierten und die Diakonisse, den Gel-im-Haar-Manager im Nadelstreifen und die Henna-im-Haar-Hippiefrau im Batickwickelrock. Schrille Punks und blasse Nerds, füllige Kegelclubdamen und drahtige Klappfahrrad-Wanderer ziehen da an mir vorbei, Fußballfans in Vereinskluft trinken sich Optimismus an, Teenagerbuben schielen unterm Hoodie einer blonden Diva auf Highheels hinterher, bis wir alle von den örtlichen Obdachlosen um Geld oder Zigaretten angeschnorrt werden." (S. 39) Es wäre, um klar argumentieren zu können, sich also vonnöten, sich erst einmal auf eine gemeinsame Begrifflichkeit zu einigen oder, genauer, der Autor müßte für seine Argumentation die gleiche Begrifflichkeit verwenden wie die, deren Standpunkte er angreifen will. So hatte ich über weite Teile des Buches das Gefühl, daß Autor und AfD quasi aneinander vorbei redeten.
In insgesamt zehn Kapiteln geht der Autor auf Äußerungen der AfD ein. Mit Überschriften wie „Die reden wenigstens Klartext“, „Die lassen sich nicht bevormunden“ oder „Die brechen politische Korrektheit auf“. Gerade im letztgenannten Kapitel fiel mir wieder auf, daß der Autor - für meine Begriffe - oft eigene Definitionen verwendet, denn soweit ich ihn verstanden habe, ist er der Ansicht, so etwas wie politische Korrektheit gibt es praktisch nicht. Nun, als geschriebenes Gesetz gibt es das in der Tat nicht. Wenn man aber zu manchen Themen eine andere Meinung als die derzeit herrschende (oder als sich herrschend meinende) vertritt, wird man sehr schnell feststellen, daß es so etwas wie „politische Korrektheit“ eben doch gibt.
Insgesamt gesehen geht der Autor auf wesentliche Fragen im Zusammenhang mit der AfD, und ob die für Christen wählbar ist, ein. Allerdings empfand ich seine Argumentation über weite Strecken als nicht so recht zielführend bzw. er konnte mich damit nicht richtig erreichen. Insofern bin ich mit dem Buch nicht so recht froh geworden, ohne daß ich jetzt ganz genau festmachen könnte, woran das lag. Es ist also durchaus möglich, daß das Buch auf andere Leser einen ganz anderen Eindruck macht und ihnen genau die Frage beantwortet, die der Buchtitel stellt.
Mein Fazit
In zehn Kapiteln vergleicht der Autor das Menschen- und Weltbild der AfD mit dem christlichen und versucht die Frage zu beantworten, ob diese Partei für Christen wählbar sei. Er ist zwar der Meinung „nein“, jedoch ist diese Argumentation bei mir nicht so richtig angekommen.
3,5 Punkte ergibt aufgerundet 4