Selbstfindung, hin zu einem selbstbestimmten Leben & Beziehung zur Kunst
„In einem dunklen Raum eine schwarze Katze zu fangen, ist eine Kunst, besonders, wenn sie nicht da ist.“ (Angelehnt an Konfuzius)
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INHALT:
Schon früh weiß Anina, was sie einmal werden möchte. Das Mädchen mit der lebhaften Fantasie und den starken Gefühlen träumt davon, eines Tages eine berühmte Künstlerin zu sein.
Strengen Regeln möchte sie im Alltag entfliehen und wünscht sich mehr Freiraum.
Von der Mutter von einem auf den anderen Tag verlassen, türmt sie aus mehreren Internaten.
Als sie in die Kunstakademie in Paris aufgenommen wird, ist ihre Vorfreude riesig. Sie freut sich auf die Malerei und auf die Freiheit!
In Paris landet sie im Kurs vom berüchtigten Professor Perrot, für den der Künstler Corot als bedeutendster Landschaftsmaler in Frankreich gilt. „Er war bescheiden, wollte einfach malen. Als alter Mann sagte er, er hoffe von ganzem Herzen, dass er im Himmel weitermalen könne (…).“
Anina ist fasziniert von Perrot und fängt an, von ihm zu lernen: „Was da jetzt auf ihrem Skizzenblock war, leuchtete von innen und sah wirklich aus, als hätte Corot es gezeichnet. So wie er malt heute keiner mehr (….).“
Perrot weiß: „Aber vor allem, fühlen Sie, bevor sie zeichnen. Corot meint, Realität sei ein Teil der Kunst, aber erst das Gefühl mache sie komplett. (…) Wenn Sie davon berührt werden, werden Sie auch andere damit berühren.“
„Viele, die hier studierten, mussten es, sie mussten malen, sie konnten nicht anders. Deshalb kennt man ihre Namen. Viele wollten es nur, niemand kennt sie.
(…) Kunst weiß etwas über Sie, was Sie nicht wissen.“
Vor allem letztere Aussage von Perrot ist es, die bei Anina plötzlich große Ängste entfacht. Ängste, von deren Existenz sie nicht einmal ahnte.
Nachdem sie von Professor Perrot schwer enttäuscht wird, kehrt sie in die Schweiz zurück, wird Zeichenlehrerin und ihr Leben nimmt einen Lauf, den sie gar nicht für möglich gehalten hätte.
Nach einer ungeplanten Schwangerschaft muss sie erkennen, dass ihre Mutterschaft und ihre unglückliche Ehe nichts mehr mit dem selbstbestimmten Leben zu tun haben, von dem sie einmal geträumt hatte.
So begibt sie sich noch einmal auf die Spuren ihrer Vergangenheit, nach Paris und auf die Suche nach sich selbst und ihrer Beziehung zur Kunst …
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MEINUNG:
Diese Geschichte spielt insgesamt zwischen 1964 und 1990 und springt dabei in der Zeit hin und her.
Was anfangs durch die Wechsel recht turbulent wirkt, verschmelzt im Verlauf zu einem geschmeidigen Ganzen.
Das schmale Buch enthält zahlreiche Themen für Lesende bereit, ohne, dass es der Geschichte dadurch an Tiefe fehlen würde.
Ich denke, auf diese Weise ist die Lektüre möglicherweise in der Lage, eine größere Bandbreite an Leuten anzusprechen, als auf den ersten Blick gedacht.
Ja, sie handelt auch von Kunst und diese Szenen fand ich großartig und atmosphärisch beschrieben! Dass ich davon gerne mehr gelesen hätte, ist meiner persönlichen Affinität geschuldet.
Besonders finde ich dabei, wie sich das Buch von philosophischer Seite aus der Kunst annähert. Es wirft diverse Fragen auf (Wann bezeichnet man etwas als Kunst? Wann ist man eine richtige Künstlerin? Benötigt man dafür eine innere Zerrissenheit? Darf Kunst einen Zweck erfüllen? Usw.).
Ob man darauf eine Antwort findet, bleibt jedem selbst überlassen. Auf jeden Fall wird man zu eigenen Überlegungen angeregt.
Doch die Kunst steht nicht durchgehend im Mittelpunkt des Buches (was man durch das Cover evtl. annehmen könnte). Viel mehr bildet sie den roten Faden, der Lesende geschickt durch das Buch führt, was ich als eine schöne und passende Idee empfunden habe.
Letztendlich geht es thematisch um sehr viel mehr. Die Lektüre greift die Lebensgeschichte von Anina auf und ihre Suche nach sich selbst und einem selbstbestimmten Leben, auf der sie sich zwischendurch verloren fühlt. Sie enthält Szenen aus der Kindheit und Jugend (Coming-of-Age-Note) der Protagonistin, erzählt von ihrer Zeit auf der Kunstakademie in Paris und von ihrer Beziehung zur Kunst, von Landschaftsmaler Jean-Baptiste Camille Corot, von Sehenswürdigkeiten in Paris, von Freundschaft, von ihrer ungeplanten Schwangerschaft, von Mutterschaft und von ihrer unglücklichen Ehe.
Auch wenn mich die letzteren Themen etwas weniger interessiert haben, habe ich Anina gerne auf ihrem Weg begleitet. Ihre Entwicklung fand ich durchaus lesenswert. Ihre Ehrfurcht vor Perrot und seinem Können, kam gut zum Ausdruck.
Außerdem hat mich Professor Perrot ebenfalls fasziniert, weil ich beim Lesen seine Begeisterung für den Künstler Corot und für die Kunst an sich deutlich gespürt habe.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich auf philosophischer Ebene wirklich alles verstanden habe und auch, was die Ängste von Anina angeht. Dadurch bleibt manches etwas wage, aber das ist in Ordnung.
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FAZIT: Eine Lektüre über Selbstfindung, hin zu einem selbstbestimmten Leben, über die eigene Beziehung zur Kunst und die persönliche und philosophische Auseinandersetzung mit ihr. Abwechslungsreich und einfühlsam geschrieben, werden verschiedene Szenen geschickt miteinander verbunden. Empfehle ich gerne weiter, von mir gibt es 4/5 Sterne!
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C. N.: Drogenkonsum, enthält das Z-Wort