Wenn Perfektion zu Obsession wird und Leben zerstört...
"Ich will dein Leben" von Amanda Jennings ist im Juli 2020 als Taschenbuch mit 448 Seiten bei Lübbe erschienen.
Es ist als Thriller deklariert, und der Titel weckt evtl. falsche Erwartungen.
Meiner Meinung nach handelt es sich nicht um einen klassischen Thriller, sondern um einen äußerst spannenden Roman.
Der englische Original-Titel "The Cliff House" wäre in direkter Übersetzung ins Deutsche wohl zutreffender gewesen.
Das Buch spielt in Cornwall und wechselt zwischen den Zeiten "1986" und "Heute".
Hauptprotagonistin ist Tamsyn, eine 16-jährige aus eher einfachen Verhältnissen, die vor einigen Jahren ihren Vater verlor und sehr stark mit dem Verlust zu kämpfen hat.
So auch ihre Familie, die Mutter Angela, der Bruder Jago und auch der Großvater, jeder auf seine eigene Weise.
Die letzte gemeinsame Unternehmung mit ihrem Vater war das Schwimmen im Pool der Villa auf den Klippen - verbotenerweise.
So zieht es Tamsyn häufig zur Villa, und sie beobachtet die Davenports, eine Familie aus London, die aus London kommt und in der Villa ihre Wochenenden verbringt.
Die Davenports, das sind Vater Max, ein bekannter Schriftsteller, Mutter Eleanor, eine mondäne Dame mit Alkoholproblem sowie Tochter Edie, ein Teenager in Tamsyns Alter.
Die Mädchen lernen sich kennen, denn Edie erwischt Tamsyn beim heimlichen Besuch in der Villa... Die Mädchen verbringen mehr und mehr Zeit miteinander, und Tamsyn kann sich nun in der Villa aufhalten und gehört bald fast zur Familie. Die Freundschaft ist problematisch, denn die beiden Teenager kommen aus vollkommen verschiedenen Verhältnissen und Edie ist in ihrer Entwicklung wesentlich weiter als Tamsyn, die so dringend Anerkennung sucht...
Angela putzt in der Villa und auch Jago erledigt dort einige Arbeiten, und so geraten sie alle gemeinsam in einen verhängnisvollen Strudel, der schließlich zur Katastrophe führt...
Tamsyn ist regelrecht besessen von dem Haus und seinen Bewohnern und ihre Gedanken und Handlungen kreisen um nichts anderes, außer noch um den verstorbenen Vater, der bei einer Rettungsaktion im Meer ertrank.
Ihre Mutter Angela ist einsam und leidet ebenfalls sehr unter dem Verlust des Ehemannes, und auch Jago hat damit eine Menge Probleme und hat seinen Platz im Leben noch nicht so recht gefunden.
Leider findet innerhalb der Familie keine wirkliche Kommunikation statt, alles bleibt oberflächlich und Probleme macht jeder mit sich selbst aus...
Die Autorin hat die einzelnen Kapitel aus der Perspektive jeweils eines Charakters erzählt, die meisten aus der Sicht von Tamsyn, aber ebenfalls gibt es welche von Edie, Angela und Jago, so dass der Leser die Geschehnisse aus unterschiedlichen Blickwinkeln erfährt.
Das finde ich sehr gut gemacht, es ist abwechslungsreich und man will unbedingt weiterlesen, weil die Kapitel häufig mit kleinen Cliffhangern enden...
Amanda Jennings´ Schreibstil ist leicht und flüssig lesbar, man ist schnell im Thema und erfährt viel über die einzelnen Personen, trotzdem bleibt es teils geheimnisvoll, teils vage.
So war es mir in diesem Buch nicht möglich, zu einem Protagonisten besondere Sympathien oder Antipathien zu entwickeln, sie bleiben trotz allem gewissermassen auf Distanz.
Die Handlung geht relativ gemächlich voran, aber die Grundstimmung ist unterschwellig bedrohlich und es brodelt permanent unter der Oberfläche.
Dadurch wird eine Spannung aufgebaut, die sich kontinuierlich steigert und den Leser auf einen Ausbruch warten lässt.
Es gibt schließlich einen fesselnden Showdown, dessen Inhalt überrascht und für sämtliche Beteiligten weitreichende Konsequenzen hat...