Von Urban Fantasy zu orientalischem Märchen
Mit dem Fantasy-Roman "Die Schattenarmee" schließt Akram El-Bahay seine 2021 mit "Das Schattentor" begonnenen Zweiteiler "Ministry of Souls" ab. Inhaltlich knüpft das Buch unmittelbar an den ersten Band an, wobei die Ereignisse aus Teil 1 zu Beginn kurz rekapituliert werden.
Im viktoriansichen London im Jahr 1850 verfolgen Soulman Jack und die arabische Prinzessin Naima die Spur des geheimnisvollen Schattenspielers, einem Ifriten, der zwischen den Welten hin und her wechseln kann. Als dieser Jack verflucht, wodurch er durchsichtig wird und zunehmend an Kraft verliert, liegt es an der Prinzessin und der sprechenden Katze Oz, eine Lösung zu finden. Die Jagd führt in Naimas Heimat, wo sich in der königlichen Bibliothek ein altes Buch befindet soll, welches den Schlüssel enthalten könnte, um den Fluch zu brechen. Während der Ifrit eifrig Seelen zu einer dunklen Heerschar um sich sammelt, zeigt sich dort, dass das Geheimnis der Schattenarmee eng mit ihrer eigenen Familie verknüpft ist.
Das markante Cover hat Wiedererkennungswert. Nach dem furiosen Auftakt von "Ministry of Souls", in dem Akram El-Bahay eine faszinierende Welt erschaffen hatte, deren Reiz nicht nur im historischen Schauplatz, sondern vor allem in der Beschäftigung mit dem Thema Sterben lag, konnte man sich als Leser auf die nun mit "Die Schattenarmee" vorliegende Fortsetzung freuen. Während jedoch in "Das Schattentor" der Fokus der Geschichte auf der Aufgabe der sogenannten Soulmen lag, die Seelen der Verstorbenen über eine Zwischenwelt ins Jenseits zu begleiten, führt "Die Schattenarmee" die Helden der Geschichte aus dem viktorianischen London mit einer abenteuerlichen Reise nach Arabien, der Heimat der Prinzessin Naima. Dieser exotische Schauplatz, der natürlich zu verwendeten Mystik des Ifriten passt, ist einerseits reizvoll und klang auch in ersten Teil an, andererseits wird dadurch der Roman weniger Urban Fantasy und mehr eine Erzählung aus 1001 Nacht. Nicht zum ersten Mal sucht El_Bahay Inspiration bei orientalischen Märchen. Durch Jacks geschwächte, prekäre Lage wird Naima, die schon zuvor als erfrischend mutige und starke Frauenfigur geschildert wurde, zum Hauptprotagonisten. Der Autor bricht hier bewusst mit dem Klischee der Märchenprinzession, die vom strahlenden Helden gerettet werden muss, indem er die Rollen vertauscht. Unterstützt werden die beiden wieder von der sprechenden Katze Oz, die teilweise die Rolle des Comic Relief übernimmt.
Obwohl der Mittelteil des Romans ein paar Längen aufweist, wo man als Leser den Eindruck hat, die Handlung dreht sich kurzfristig im Kreis, ist das Tempo der Erzählung insgesamt ähnlich hoch wie im ersten Band. Es ist nicht immer ganz einfach als Leser den Überblick über die einzelnen, verwobenen Handlungsfäden zu behalten. Der Autor bleibt seinem Stil treu, einen flüssig lesbaren Text abzuliefern, in den immer wieder auch längere, verschachtelte Sätze eingebaut sind. Zum Finale, wenn alle Handlungsstränge zusammenlaufen, setzt der Roman dann noch einmal richtig auf actionreiche Kämpfe und präsentiert eine zufriedenstellende Auflösung.
Auch wenn mich der zweite Teil von "Ministry of Souls" nicht ganz so überzeugt hat wie "Das Schattentor", so ist "Die Schattenarmee" für sich genommen ein gelungener Fantasy-Roman und eine würdige Fortsetzung. Gerne würde man mehr aus der Welt der Soulmen erfahren, vielleicht aus anderen Epochen, doch der Autor hat mehrfach betont, dass dieses Thema nun abgeschlossen ist. Schade! Wer Band 1 gelesen hat, sollte sich dieses Buch nicht entgehen lassen.