Mainstream-Ökonomie: der Kaiser ohne Kleider
Robinson Crusoe ist die Lieblingsfigur der theoretischen Mainstream-Ökonomie – da heißt sie nur anders, nämlich homo oeconomicus. Robinson kann nicht anderes als rechnen, und zwar das, was die Ökonomen ihm Geistloses vorsagen. Das heißt dann rationales Wahlhandeln in einem gegebenen Prokrustesbett ohne jegliche kreative Freiheit und suggeriert ( schön wertneutral, wie es sich gehört), dass ein wie immer anderes Handeln „irrational“, also pfui teufel und verwerflich, sei. Jedenfalls in Sicht der Mainstream-Ökonomen. Daß nicht alle anderen, sondern möglicherweise die kalkülmechanische Modellchen pfricklenden Möchtegern-Sozialingenieure nicht alle Latten im Zaun haben, wenn sie ernsthaft behaupten, ihre virtuellen mikroökonomischen Haushalts- und Unternehmens-Welten seien die (leider durch „irrationales“ Handeln, insb. und eigentlich immer nur, „Gewerkschaften“, empirisch verschmutzte) „wahre Wirklichkeit“ (Neoliberale) dessen, was sich draußen vor dem Hörsaal tut bzw. das, wonach man die Welt möglichst zurecht zu biegen habe (Ordoliberale und neuerdings auch Sahra Wagenknecht)– diese selbstkritische Einsicht liegt den Ökonomen, selbst auch nur im Ansatz, völlig fern. Es gibt keine in ihren sämtlichen Grundlagen so völlig irrige „Wissenschaft“, die selbstzufriedener mit sich und ihrer rechnenden Dummheit ist als die Mainstream-Ökonomie. Daß es sogar jede Menge gute Gründe gibt, sich gerade nicht so zu verhalten, wie es die Mainstream Ökonomen als „rational“ postulieren, weil man nämlich nicht autistisch-solipsistisch in einer modellierten, sondern aktiv und kommunikativ mit anderen in einer wirklichen Welt lebt – es macht die Ökonomen nicht irre. Auch nicht, wenn ihre „Erklärungen“ nur in einem intellektuellen Bankrott wie z.B. der Theorie der sog. geoffenbarten Präferenzen bestehen. Da soll nämlich der ganz subjektive und nirgendwo sichtbare „Nutzen“ bzw. die „individuelle Präferenzordnung“ beobachtbare individuelle Kaufhandlungen „erklären“. „Bewiesen“ wird das dadurch, dass beobachtete Kaufhandlungen sich, unter gewissen „Annahmen“, dahin interpretieren lassen könnten, dass sie „präfreneztheoretisch“ strukturiert sind. Das zu Erklärende wird zum Erklärenden. Nicht nur in diesem Beispiel, sondrn in diesem Theorietypus durchgehend, sofern nicht einfach (zurecxht-)„definiert“ wird, damit es passt.
Die völlige intellektuelle Verdorbenheit der (neoklassischen) Mainstream-Ökonomie wird von Steve Keen, einem – die gibt es auch ! - recht gescheiten Ökonomen in der Tradition u.a. des Radikal-Keynesianers Minski, streng immanent auseinandergenommen. Keen ist dabei so großzügig, der Mainstream-Ökonomie ihren homo oeconomicus sogar erst einmal zu schenken. Sobald aber mehrere dieses merkwürdigen Typus als Ensemble agieren sollen, passt einfach im wahrsten Sinne des Wortes nichts mehr zusammen. Die mikroökonomische Theorie (per ebenso einfach über rein Subjektives aufsummierender wie gerade darin unmöglicher Aggregation plus monetaristischer Verkehrsgleichung auch zur Makroökonomie befördert), ob als Haushalts- oder Unternehmenstheorie, ist für den nicht-trivialen Fall mehrerer Individuen unheilbar INKONSISTENT. Das, was sie sagt (jeder Blödsinn ist natürlich sagbar, auch der der Mainstream-Ökonomen), ist schlicht nicht denkbar. Und deshalb gibt es auch das Heiligenbild sämtlicher Liberaler und Marktwirtschaftsfans (das auch das gewöhnliche Wirtschaftsdenken beherrscht), das berühmte Angebots-Nachfragediagramm mit den zueinander invers verlaufenden Preis-Mengenkurven und damit den ökonomischen Orgasmuspunkt des Gleichgewichts, schon auch nur als Denkmöglichkeit nicht – geschweige denn als ein in der Wirklichkeit wirksames Muster, das das aktive ökonomische Handeln Vieler „hinter deren Rücken“ als „unsichtbare Hand“ (die Ökonomen-Metapher für den allwissenden und allmächtigen GOTT) zum Rechten und zum Gemeinwohligsten zugleich lenke und leite..Es gab nie einen unplausibleren Gedanken als den, dass „der sozialökonomische Krieg aller gegen alle“ etwas anderes sei als eben ein alltaglicher in und über Umsätze, Preise, Kosten, Marktmacht, Allianzen etc. pp. zäh und verbissen geführter Krieg mit entsprechenden schädigenden Folgen solcher Handlungen, sondern vielmehr zu einem „sozialen Optimum“ führe, wenn man ihn nur ordentlich toben lässt (bzw. mit brachialen wirtschafts- und sozialpoltischen Eingriffen dafür sorgt, dass er tobt). Keen liefert mit „Debunking Economics“die unnachgiebig durchgeführte Demaskierung dieses modernen religiösen Wahns als ein falsches Denken. Ground Zero für Sinn und Co. Und zugleich, ohne weiteres zugegeben, eine späte intellektuelle Genugtuung auch für den Rezensenten. Der nämlich erlebte und erlitt einst ob des in mikroökonomischen Grund- und Hauptsemestern zuhauf gedachten Unfugs, - seien es das Gossensche Nutzendeschwatze, sinnlose Grenzprodukte, Ein-Gut-Welten und die Lagrange-Fummeleien von Hendersen-Quandt - , arge Kopfschmerzen, gegen die auch eine erhöhte Dosis Aspirin nicht half.
. Keens, - neben einer glasklaren Argumentation auch didaktisch sehr gut verfaßtes -, Buch ist bevorzugt jedem Ökonomie-Studierenden, der nicht einfach nur mechanisch-geistabgeschaltet seine Seminare zum Erlangen der Scheine absolviert, zu empfehlen. Es soll ja auch heute noch Studierende geben, die ernstnehmen, daß Ökonomie beansprucht eine Wissenschaft zu sein. Die Empfehlung gilt natürlich auch für Dozenten, so sie das Denken noch nicht aufgegeben haben. Denn Gift, wie im Falle der Mainstream-Ökonomie gedankliches, sollte nicht einfach ausgereicht, sondern immer auch ein warnender Beipackzettel mitgeliefert werden. Den hat Keen geschrieben.