Kreditismus – Sloterdijk goes economics
Wahlverwandtschaften – eine Adnote zu Sloterdijks „Im Weltinnenraum des Kapitals“
I
Es muß sofort gefunkt haben, als sie sich fanden. Der Sloterdijk den Heinsohn, der Heinsohn den Sloterdijk. Denn der eine wie der andere ist sehr von seiner Person eingenommen und meint sein zwanghaftes Vielgeschwatze wäre eine "grundstürzende" Bereicherung des Denkens der Menschheit. So lauert Ökonomie-Kopernikus Heinsohn ja, wie er bekannte, stets darauf, eine Gelegenheit zu finden, „sich in das Denken einzumischen“ darüber, dass er etwas als „Rätsel“ hinstellen kann, an dem sich die ganze bisherige Wissenschaft blamiert und wozu er stangengrad und stante pede die Lösung gefunden habe. Sei es drum, dass nur meist Heinsohns „Fund“ selbst ein Rätsel ist, die Sache ansonsten aber glasklar. Das ist auf jeden Fall mit eifrigem Lobbyismus und universitärer Alimentierung allemal, siehe „Eigentumsökonomik“, gut dafür, „Schule zu machen“. Da es Sloterdijk bei der Art seines Philosophierens, die er „Zeitdiagnostik“ nennt, ganz ähnlich hält und somit seiner imperialen Egomanie ein öffentliches Feld erobert hat, goutiert er in seiner Wertschätzung des Heinsohn den seelenverwandten Bruder in der Disziplin der exzessiven Windbeutelei: Heinsohn zähle „zu den höchst anregenden, die engeren Fachdisziplinen immer wieder zu wisschenschaftlichem Nutzen überschreitenden Gelehrten“, was der Heinsohn sich natürlich sofort wiederum in seinen WIKIPEDIA-Eintrag schreibt (schreiben lässt).
II
Aber es bleibt nicht nur bei solchem respektablem grosso modo Schwanzreiben zwischen zwei Hallodris, die vor allem sich selbst im je anderen bewundern. In seinem „Essay“ über den „Weltinnenraum des Kapitals“, für den er 2005 einen Wirtschaftsbuchpreis nachgeschmissen bekam, liefert Sloterdijk mit „lichtstarker Optik“ im ersten Teil des krampfigen Geblähes allerlei Miniaturen „zur Entstehung des Weltsystems“, die durchweg den klar durchdachten Gedanken rigoros meiden und stattdessen als Schwall bedeutungsheischenden Geraunes in den Raum und darin über den Leser sich ergießen. Da „brennen Lunten auf Zündpunkte zu“, um des schwer existentialistisch ausgemalten Kontrasts wegen wird ein Weltbild herangezerrt, von dem „schon seit Jahrhunderten nicht mehr die Rede“ ist, also auch fraglich, was es denn für „Einrichtung und Ausgestaltung des kapitalistischen „Weltinnenraums““ eigentlich genau besagen soll und quallt im übrigen sich das bildungsbürger-schwafelnd fort bis Miniatur 7, Wasserwelt betitelt, in der – durchaus vergleichbar wirr wie Kevin Costners schwerstambitionierter SF-Film gleichen Titels - dann, nach allerlei Weltumseglung und –umschiffung als Sinnbild der ausgreifenden Globalisierung (wie wahr: per Fußmarsch von wanderlustigen Pfadfindern hätte das wohl so nicht hingehaut), auf S. 79 immerhin dann auch schon die „Schlüsselfigur des neuen Zeitalters“ auftreten darf, als Phrase, nicht als entwickelter Begriff natürlich. Das ist deshalb nicht etwa Sombarts „Bourgeois“ oder Brodbecks „Geldsubjekt“, sondern der „Schuldner-Produzent“, ausdrücklich und dankesschuldig entnommen aus dem „suggestiven Modell“ von Heinsohn/Steiger, mit dem die Innovationsdynamik der neuzeitlichen Wirtschaft als „Eigentumsökonomie“ erklärt sei. Und dieser geldhandelnde, in seinem Denken und Handeln auf Geldhecken programmierte Typus bedient sich nun, so die zentralen Erkenntnisse des „suggestiven Modells“ nach Sloterdijk, nicht des Kredits bzw. macht Schulden, um seine Geschäfte anzukurbeln und zu erweitern und darüber Rendite zu hebeln und zu quetschen; nein, der macht Geschäfte ausgerechnet dazu, um „aufgenommene Kredite rechtzeitig zu tilgen.“ Schulden „rechtzeitig tilgen“ statt Perpetuierung des Schuldenmachens als Dauerhebel und Anspruchspeitsche der Rendite – gründlicher lässt sich das Innere der „Innovationsdynamik der neuzeitlichen Wirtschaft“ wohl kaum gedanklich verfehlen.
III
Aber das ist dem lichtstarken Optiker Sloterdijk ohnehin egal, es geht ihm ja seit Jahr und Tag nicht um so was Profanes wie Stimmigkeit einer mit Argumenten vorgetragenen Erklärung, sondern um inhaltsoffene, schwebende Metaphern, „suggestive Modelle“ eben. So, wen wundert`s da noch, erfährt man auch in diesem Buch Sloterdijks wieder sehr wenig bis nichts über die Sachverhalte, über die er zu reden vorgibt, viel aber über seine elende Art des Als-Ob-Philosophierens, die leider ihr gescheit-geschmäckelndes Publikum hat. Das es sich allzeit labernd-wabernd mit ihm im „Kristallpalast“ und seinem admirablen „Zauberzusammenhang der Geldsphäre“ mit jener „Fülle von Optionen“ bei „Shoppen und Ficken“ zeitdiagnostisch, also „in ordentlicher Distanz zu den Phänomenen“ komfortabel und selbstgefällig gerichtet hat. Lausige Zeiten, fürwahr: Kapitalismuskritik als Talkshow der oskarprämierten Marketingfachfrau für eine facegeliftete soziale Marktwirtschaft, Dr. cand. rer. pol. Sahra Wagenknecht, und Philosophie als verbales Furzkissen eines ranzigen alten Herren, der sich für den Feldwebel des Weltgeistes hält. Joh, stimmt schon: die Philosophie ist der Begriff des Geistes einer Zeit, und – so ist Hegel heute leider fortzuschreiben - wenn diese geistlos ist ist jene die Sendezeit eines Sloterdijk…
IV
…und den „Kreditismus“, wie le formidable Sloto seine Adaption der Bremer Eso-Post-Keynesianer zwischenzeitlich labelt, gibt`s, dank der listigen tautologisch-identitären Dopik, auch passivisch, als „Debitismus“. Dessen Erfinder ist der Mario Barth der Ökonomie, der splendide Theoriekrawallo und kapitalistische Freiheitsheld Paul Christoph Martin, bekannt aus BILD und anderen seriösen Publikationen, zwischenzeitlich Anführer und Idol einer gspinnerten Blase von Weltformel-Besessenen, die sich erwähltenstolz und selbstaffirmativ bis auf die Knochen „Wir Debitisten“ nennen.. Auch dieser goldspekulierende Theoriekasper versuchte jahrzehntelang, sich devot-parasitär an Heinsohn als seinem theoretischen Vater dranzuflanschen, um Reputation für seine mehr schlecht als recht als Ökonomie getarnte erzkatholische Mystik „der Schuld“.zu erschleichen. Die ausgesprochene Spezialität dieser in der suggestiv-aggressiven Manier von Verkaufsförderungsseminaren vorgetragenen Ökonomiereligion ist dabei die Verwechslung des Zeichens mit dem Bezeichneten bzw. rechnerischer Salden mit der kaufmännischen Handlung selbst. Trash as Trash can. Heinsohn, Sloto, Wagenknecht und Martin – das wär mal ein telegenes ökonomisches Quatsch-Quartett vom Feinsten.
PS: Im übrigen ist "Im Weltinnenraum" natürlich nur recycelter Sphären-Trash - das wurde aber anderswo schon gewürdigt..