Gute Lektüre zum Mutmachen
Peter Sonntag, Sohn eines einflußreichen Großfabrikanten von sanitären Einrichtungen, wird im Alter von 10 Jahren durch den Tod seines Opas zum Millionenerbe, da dieser das Unternehmen seinem Enkel direkt überschrieb und dessen Vater nur so lange weiter als Geschäftsführer einsetzte, bis Robert volljährig sein wird. Zwischen Opa und Enkel bestand schon seit jeher eine tiefe Beziehung, ja im Grunde war der Großvater für das Kind die einzige Bezugsperson, da seine Eltern ihn zwar mit materiellen Dingen beglückten, sich ansonsten aber nie wirklich Zeit für ihn nahmen. Schon auf der Beerdigung hat Robert das Gefühl, sein Opa sei nicht gänzlich von ihm gegangen, sondern kommuniziere als eine Art Schutzgeist noch weiterhin mit ihm, besonders in gefährlichen Situationen. Eine solche tritt dann auch tatsächlich bei einem Reitunfall ein: Robert stürzt schwer und fällt ins Koma. Wie in vielen Berichten von Komapatienten schon zu lesen war, sieht auch er einen dunklen Tunnel mit einem verheißungsvollen Licht am Ende. Robert verspürt den unwiderstehlichen Wunsch, zu diesem Licht zu kommen, doch sein Opa erscheint ihm und bittet ihn, diesen Weg noch nicht zu gehen, da er noch eine Aufgabe zu erfüllen habe. Robert kommt voller Vertrauen in seinen Großvater dieser Bitte nach und erwacht wieder aus dem Koma.
Sein Körper erholt sich auch schnell wieder von den Folgen des Reitunfalls, seine Seele erscheint ihm aber vom Körper abgetrennt. Ja, es kommt ihm vor, als stünde er ständig neben sich und sei nie wirklich ganz bei der Sache. Mit niemandem kann er über seine Nahtoderfahrung wirklich reden, manchmal kommt es ihm sogar selbst so vor, als bilde er sich alles nur irgendwie ein. Mit 14 Jahren schieben ihn seine Eltern, die mittlerweile durch allzu viele eigene Probleme noch weniger Ambitionen zeigen, sich mit ihrem Kind wirklich auseinander zu setzen, in ein schweizer Internat ab. Doch da geschieht es: Robert wird von einem ehemals engen Mitarbeiter seines Vaters entführt und in einer abgelegenen Berghütte ohne jeglichen gewohnten Komfort in einer Bretterkiste, die einem Sarg gleicht, gefangen gehalten. Als eine Übergabe des geforderten Lösegeldes scheitert, dreht der Entführer völlig durch und läßt Robert in der Bretterkiste allein zurück. Nur durch hohe eigene Lebenswillenskraft und den massiven Mutzuspruch des Geistes seines Opas gelingt ihm völlig entkräftet die Flucht. Doch wiedereinmal kann er niemandem wirklich klar machen, was ihm tatsächlich geholfen hat und er muss zusätzlich feststellen, dass mit seiner Entführung offenbar auch nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Seine eigene Mutter ist offenbar von einem anderen Mann schwanger, von dem sie sich aber nach Roberts Rettung trennt, um äußerlich wieder eine heile Familie ab zu geben, in Wahrheit gehört allerdings ihre volle Konzentration nur noch ihrem ungeborenen Töchterchen. Es bestehen außerdem starke Indizien dafür, dass Roberts eigener Vater aus materiellen Gründen die Entführung nicht nur inszeniert, sondern auch den eventuellen Tod seines einzigen Sohnes billigend in Kauf genommen hat.
An dieser Stelle endet der Roman und überläßt dem Leser jede weiterführende Spekulation. Robert ist allerdings nach der Geburt seiner Schwester klar geworden, worin die Aufgabe besteht, von der sein Opa gesprochen hatte. Ich finde dieses Buch toll. Zum einen halte ich nichts davon, Kinder in Watte zu packen, um sie vor jeglichen (auch schlimmen) Erfahrungen zu schützen und macht-und habgierige Menschen (die auch mal der eigene Vater sein können) gibt es nun einmal in dieser Welt. Zum anderen hat das Buch einen sehr guten ethischen Ansatz, über den man sich nicht nur als Jugendlicher Gedanken machen kann. Ob man nun an Wiedergeburt, Seelenwanderung etc. tatsächlich glaubt oder nicht, auf jeden Fall hat es dem entführten Robert geholfen, seine Situation realistischer einzuschätzen und sich zur Wehr zu setzen.