Ferdinand von Schirach: Verbrechen. Ausgezeichnet mit dem Kleist-Preis 2010
Verbrechen. Ausgezeichnet mit dem Kleist-Preis 2010
Buch
- Stories
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- Piper, 08/2009
- Einband: Fester Einband
- ISBN-13: 9783492053624
- Umfang: 205 Seiten
- Auflage: 2. Aufl.
- Copyright-Jahr: 2009
- Gewicht: 367 g
- Maße: 211 x 136 mm
- Stärke: 25 mm
- Erscheinungstermin: 15.8.2009
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Kurzbeschreibung
Ferdinand von Schirach hat es in seinem Beruf alltäglich mit Menschen zu tun, die Extremes getan oder erlebt haben. Das Ungeheuerliche ist bei ihm der Normalfall. Er vertritt Unschuldige, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten, ebenso wie Schwerstkriminelle. Deren Geschichten erzählt er ...Beschreibung
Ein angesehener, freundlicher Herr, Doktor der Medizin, erschlägt nach vierzig Ehejahren seine Frau mit einer Axt. Er zerlegt sie förmlich, bevor er schließlich die Polizei informiert. Sein Geständnis ist ebenso außergewöhnlich wie seine Strafe. Ein Mann raubt eine Bank aus, und so unglaublich das klingt: er hat seine Gründe. Gegen jede Wahrscheinlichkeit wird er von der deutschen Justiz an Leib und Seele gerettet. Eine junge Frau tötet ihren Bruder. Aus Liebe. Lauter unglaubliche Geschichten, doch sie sind wahr.Klappentext
Ein angesehener, freundlicher Herr, Doktor der Medizin, erschlägt nach 40 Ehejahren seine Frau mit einer Axt. Er zerlegt sie förmlich, bevor er schließlich die Polizei informiert. Sein Geständnis ist ebenso außergewöhnlich wie seine Strafe. Ein Mann raubt eine Bank aus, und so unglaublich das klingt: Er hat seine Gründe. Gegen jede Wahrscheinlichkeit wird er von der deutschen Justiz an Leib und Seele gerettet. Eine junge Frau tötet ihren Bruder. Aus Liebe. Lauter unglaubliche Geschichten, doch sie sind wahr.Doris Dörrie verfilmt als erste eine Geschichte aus Ferdinand von Schirachs Bestseller-Erzählband »Verbrechen«. »Glück« wird im Verleih der Constantin Film in die deutschen Kinos kommen.
Zum Lesungsvideo auf:
Auszüge aus dem Buch
VorwortJim Jarmusch hat einmal gesagt, er würde lieber einen Film über einen Mann machen, der mit seinem Hund spazieren geht, als über den Kaiser von China. Mir geht es genauso. Ich schreibe über Strafverfahren, ich habe in mehr als siebenhundert verteidigt. Aber eigentlich schreibe ich über den Menschen, über sein Scheitern, seine Schuld und seine Großartigkeit.
Ich hatte einen Onkel, der Vorsitzender Richter an einem Schwurgericht war. Diese Gerichte sind für Tötungsdelikte, für Mord und Totschlag, zuständig. Er erzählte uns Fälle, die wir als Kinder verstanden haben. Sie begannen immer da- mit, dass er sagte: "Die meisten Dinge sind kompliziert, und mit der Schuld ist es so eine Sache." Er hatte recht. Wir laufen den Dingen hin terher, sie sind schneller als wir, und am Ende können wir sie nicht erreichen. Ich erzähle von Mördern, Drogendealern, Bankräubern und Pros tituierten. Sie haben ihre Geschichte, und sie unterscheiden sich nicht sehr von uns. Wir tanzen unser Leben lang auf einer dünnen Schicht aus Eis, darunter ist es kalt, und man stirbt schnell. Manche trägt das Eis nicht, und sie brechen ein. Das ist der Moment, der mich interessiert. Wenn wir Glück haben, passiert es nicht, und wir tanzen weiter. Wenn wir Glück haben.
Mein Onkel, der Richter, war im Krieg bei der Marine, sein linker Arm und seine rechte Hand wurden von einer Granate abgerissen. Er hat trotzdem lange nicht aufgegeben. Man sagt, er sei ein guter Richter gewesen, menschlich, ein aufrechter, gerechter Mann. Er ging gerne auf die Jagd, er hatte ein kleines Revier. Eines Morgens ging er in den Wald, er nahm den Dop pellauf seiner Schrotflinte in den Mund und drückte mit dem Stumpf seines rechten Armes ab. Er trug einen schwarzen Rollkragenpulli, sein Jackett hatte er über einen Zweig gehängt. Sein Kopf zerplatzte. Viel später habe ich die Bilder gesehen. Er hinterließ einen kurzen Brief an seinen besten Freund, er schrieb, dass er einfach genug habe. Der Brief begann mit den Worten: "Die meisten Dinge sind kompliziert, und mit der Schuld ist es so eine Sache." Er fehlt mir immer noch. Jeden Tag.
Von solchen Menschen und ihren Geschichten handelt das Buch.
Fähner
Friedhelm Fähner war sein Leben lang prak tischer Arzt in Rottweil gewesen, 2800 Krankenscheine pro Jahr, Praxis an der Hauptstraße, Vorsitzender des Kulturkreises Ägypten, Mitglied im Lionsclub, keine Straftaten, nicht einmal Ordnungswidrigkeiten. Neben seinem Haus besaß er zwei Mietshäuser, einen drei Jahre alten Mercedes E-Klasse mit Lederausstattung und Klimaautomatik, etwa 750000 Euro in Aktien und Obligationen und eine Kapitallebensversicherung. Fähner hatte keine Kinder. Seine einzige noch lebende Verwandte war seine sechs Jahre jüngere Schwester, die mit ihrem Mann und zwei Kindern in Stuttgart lebte. Über Fähners Leben hätte es eigentlich nichts zu erzählen gegeben.
Bis auf die Sache mit Ingrid.
Mit 24 Jahren hatte Fähner Ingrid auf dem sechzigsten Geburtstag seines Vaters kennengelernt. Auch sein Vater war Arzt in Rottweil gewesen.
Rottweil ist eine durch und durch bürgerliche Stadt. Jedem Fremden wird ungefragt erklärt, die Stadt sei von den Staufern gegründet und die älteste in Baden-Württemberg. Tatsächlich trifft man hier auf mittelalterliche Erker und hübsche Stechschilder aus dem 16.Jahrhundert. Die Fähners waren schon immer hier. Sie gehörten zu den sogenannten ersten Familien der Stadt, waren anerkannte Ärzte, Richter und Apotheker.
Friedhelm Fähner ähnelte dem jungen John F. Kennedy. Er hatte ein freundliches Gesicht, man hielt ihn für einen sorglosen Menschen,
die Dinge glückten ihm. Nur wenn man genauer hinsah, fiel etwas Trauriges, etwas Altes und Dunkles in seinen Zügen auf, wie man es nicht selten in dieser Gegend zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb sieht.
Ingrids Eltern, Apotheker in Rottweil, brachten ihre Tochter zu der Feier mit. Sie war drei Jahre älter als Fähner, eine handfeste Pro
Biografie
Ferdinand von Schirach, geboren 1964 in München, arbeitet seit 1994 als Anwalt und Strafverteidiger in Berlin. Zu seinen Mandanten gehörten das frühere Politbüro-Mitglied Günter Schabowski, der ehemalige BND-Spion Norbert Juretzko, Industrielle, Prominente und Angehörige der Unterwelt.Anmerkungen:
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