Eine Hand, zurückkehrende Götter und Wildschweine im Kartoffelfeld
In den letzten 15 Jahren ist der Buchmarkt der deutschen Science-Fiction-Kurzgeschichte vollkommen umgekrempelt worden. Nachdem sich etablierte Verlage wie Heyne, Bastei-Lübbe, Ullstein oder Goldmann nahezu komplett aus dem Bereich der SF-Anthologien zurückgezogen haben, sind ein paar Klein(st)verlage in diese Lücke vorgestoßen. Dazu gehört der Wurdack-Verlag, der in den letzten 10 Jahren über 50 SF-Bücher verlegt hat, darunter eine Anthologiereihe mit neuen deutschen Kurzgeschichten, mehrere Romane und die Neuauflage der Jugendbuchserie „Mark Brandis“.
Mit dem vorliegenden Band tritt Wurdack nun in die Fußstapfen von Suhrkamps Phantastischer Bibliothek und dem Verlag Das Neue Buch und gibt eine Originalzusammenstellung mit übersetzten Geschichten heraus, dieses Mal von sechs polnischen Autoren. Stanislaw Lem ist allerdings nicht dabei, denn von diesem bekanntesten polnischen SF-Autor liegen wohl inzwischen schon (fast) alle Werke in deutscher Übersetzung vor.
Zwei der acht Geschichten sind nicht zum ersten Mal auf Deutsch erschienen: Der etwas naive Einstieg „Die Wahrheit über die Elekter“ von Andrzej Czechowski, in dem ein Inspektor von der Erde bei einem Kontrollbesuch auf einem Kolonieplaneten sich von zwei spielenden Kindern abspeisen lässt, die behaupten, dass Roboter alles besser können, war bereits im Almanach „Lichtjahr 2“ erschienen. Und die fast nur aus Dialogen und Mutmaßungen über eine fremde Intelligenz bestehende Story „Der Gigantomat“ von Konrad Fialkowski konnte bereits in der Anthologie „Das Molekular-Café“ gelesen werden.
Die anderen sechs Geschichten sind deutsche Erstveröffentlichungen, wobei drei der Autoren bisher überhaupt noch nicht ins Deutsche übersetzt wurden. Sehr lesenswert ist „Die Hand“ von Zbigniew Prostak über einen Astronauten, der einen Unfall im All überlebt hat, dem man jedoch nicht glauben will, dass er von Außerirdischen gerettet worden sei. In „Die Keule“ von Dariusz Filar landet ein fremdes Objekt auf der Erde und stellt Wissenschaft und Militär vor schier unlösbare Rätsel. „Die Schaufensterpuppe“ von Jacek Sawaszkiewicz ist größtenteils als Bericht eines unter Gedächtnisschwund leidenden Müllmanns über eine merkwürdige lebende Puppe verfasst.
Als einziger Autor ist Janus A. Zajdel mit mehreren Geschichten in diesem Band vertreten. In der hervorragenden Geschichte „Die Götter kehren in den Himmel zurück“ landen Fremde mit pyramidenförmigen Raumschiffen in der ägyptischen Wüste, im etwas willkürlichen „Welcome to the Earth“, das auch im Original so heißt, wartet ein Journalist seit seiner Kindheit auf Besuch aus dem All, und in „Wildschweine im Kartoffelfeld“ muss ein Biophysiker auf einem fremden Planeten das Rätsel lösen, wie einer der Forscher aus heiterem Himmel plötzlich unauffindbar verschwinden konnte.
Die Storys lesen sich leicht und angenehm, obwohl sich stellenweise nicht verbergen lässt, dass die polnischen Originalfassungen der Texte schon zwischen 1969 und 1981 erschienen sind. Der vermutlich wegen der Einschränkung auf das Thema Erstkontakt recht schmal geratene Band ist geschmackvoll gestaltet und mit einem Vorwort sowie den Kurzbiographien der Autoren ausgestattet. Eine Empfehlung nicht nur für Freunde der osteuropäischen SF.