Ab damit ins Fegefeuer
Wenn man sich den Urlaub so richtig verhunzen will, dann packt man Dan Browns "Inferno" mit in den Koffer, denn wenn man dann an einem lauen Sommerabend an einem Ufer sitzt und in diesem Buch liest, übermannt einem zwangsläufig irgendetwas Unangenehmes zwischen Sodbrennen und Migräne.
Schon "Das verlorene Symbole" war eine uninspirierte Zumutung und auf diesem äußerst schwachen Niveau setzt Dan Brown seinen literarischen Niedergang fort.
Ich möchte überhaupt nicht auf den Irrwitz der Geschichte herumreiten, nur so viel: die Uhr tickt mal wieder gnadenlos und Robert Langdon eilt verletzt (und mit einem ordentlichen Dachschaden) innerhalb eines Tages durch Feindesland und Weltgeschichte, - ein enormes Sightseeing, für das vermutlich selbst unversehrte Ortskundige, die nicht von gewissenlosen Widersachern verfolgt werden, eine Woche benötigen. Aber Langdon findet selbstverständlich immer einen Weg in oder aus bestimmten Bauwerken, Ortschaften und Notlagen. Um seinem Helden den Kragen zu retten, verzichtet Dan Brown nicht mal auf Mottenkistentricks wie "Guckt mal, da oben!". Und alle schauen hoch, während Robert Superschlau sich klammheimlich verdrückt. Das haben sich (wahrscheinlich) nicht mal die Autoren der "Drei ???" getraut - und die schreiben für Kinder.
Der Plot ist hanebüchen und wenn uns die Herren Brown, Beckett & Co. mal wirklich in Erstaunen versetzen wolten, dann würden sie endlich ihre Vernarrtheit in (angeblich) "überraschende Wendungen" ablegen und sich mal zur Abwechslung eine anspruchsvolle Geschichte ausdenken, bei der ein halbwegs intelligenter Leser nicht unentwegt mit den Kopf schütteln muss (und die nicht auf dies billige Blendwerk angewiesen ist). Da man aber inzwischen die recht einfältige Masche kennt (und leid ist), weiß man, dass Gegenspieler plötzlich zu Verbündete werden (und umgekehrt). Das nervt und langweilt langsam gewaltig.
Wie erbärmlich dieses Karussell funktioniert, erkennt man gegen Ende von "Inferno", wenn nämlich der schattenhaften Ich-Erzähler, der immer wieder geheimnisvolle Sätze spinnt und von dem wir Leser annehmen sollen, dass er der Unheilsbringer ist, sich als gröbste und widersinnigste Schwachstelle des Romans entpuppt. Das hätte kein guter Lektor einem unbekannten Schriftsteller durchgehen lassen.
Das Buch ist (abgesehen von der unfreiwilligen Komik) vollkommen humorlos geschrieben, sprachlich liefert Dan Brown eine bedauerliche Arbeit ab. "Inferno" mutet an, als habe ein Kreativ-Lehrer einem Neuntklässler eine bestimmte Anzahl an Fachbegriffen vorgegeben, die er allesamt in einem Aufsatz verwursten soll. Dieser fiktive Lehrer hätte bei der Korrektur jedoch etliche Rotstifte benötigt, denn kaum ein Absatz käme ohne Kommentar aus. Zu lieblos sind die Zeilen dahingeschmiert. Der schlichte Satzbau, ständige Wortwiederholungen und die Verwendung von einfachsten Verben machen die Lektüre zu einem fragwürdigen Vergnügen und stehen im krassen Kontrast zu den vielen spezifischen Termini, so dass man kaum den Eindruck gewinnt, der Autor wüßte wirklich, was er da erzählt. Überhaupt stellt sich beim Lesen des Buches sehr bald das Gefühl ein, dass Dan Brown beim Schreiben vor allem auf eine kulissenreiche Hollywood-Verfilmung seines Stumpfsinns schielte. Einzig der Aspekt der Überbevölkerung, die als eine maligne Entartung des Planeten dargestellt wird, besitzt einen leidlich interessanten Ansatz, wird aber in der Geschichte auch zur Farce.
Ich warne und mahne also vor "Inferno" als (Urlaubs-)Lektüre!
Zum Glück gibt es da ja noch alternativ Joanne K. Rowling, die mich als Nicht-Harry-Potter-Leser mit ihrer meisterlichen Erzählkunst wahrlich begeistert. Mit "Ein plötzlicher Todesfall" hat sie eine wunderbare und geistreiche Milieustudie zusammengepuzzelt, die sprachlich besticht, deren Humor zwischen den Zeilen hervorblitzt und die vor Reife nur so strotzt.
Qualitäten, die Dan Brown vollends vermissen läßt.