Ungewöhnlich authentischer historischer Roman
Eigentlich muss man das bei dem Verlag Hoffmann und Campe schon gar nicht mehr erwähnen, denn der Verlag legt offenbar immer sehr viel Wert auf eine gute Buchbindung und ein Coverbild, das auch mit dem Inhalt des Buches zu tun hat. So jedenfalls meine bisherige Erfahrung mit diesem Verlag, der wie man sieht, auch Wert auf die Meinung von Laien legt. Da dies weiß Gott nicht bei jedem Verlag der Fall ist, gehört es sich erstens, dass ich mich an dieser Stelle dafür sehr herzlich bedanke, dass mir auch dieses Buch für eine Meinungsabgabe zur Verfügung gestellt wurde und für den äusserst freundlichen Kontakt noch ein besonders herzliches Dankeschön. Ich hoffe, den Erwartungen gerecht zu werden.
Das vorliegende Buch ist gut gebunden, hat ein normales Format und liegt gut in der Hand. Der schwarze Schutzumschlag zeigt eine nachdenklich blickende Frau in einer Kleidung, die man durchaus bei den Siedlerfrauen des 18. Jahrhunderts erwarten würde.
Am Schluß des Buches ist eine sehr interessante zehnseitige Nachbemerkung der Autorin angefügt, die das ganze Buch erfreulich abrundet und interessante historische Zusatz-Informationen birgt.
Auf Geheiß Seiner Majestät werden zwanzig junge Frauen zur Verehelichung mit Kanadiern und anderen männlichen Bewohnern nach Fort Louis expediert, um die Kolonie auf solidere Grundlage zu stellen. Diese jungen Frauen sind allesamt fleißig und wurden fromm und tugendhaft erzogen. Es wird der Kolonie zum Vorteil gereichen, wenn sie ihre nutzbringenden Kenntnisse den Indianerfrauen angedeihen lassen."
Mit dieser Bekanntmachung an die Gemeinde von Fort Louis in Louisiana, März 1704 beginnt ein historischer Roman, der an Schreibstil und Authentizität seinesgleichen sucht.
Im Jahr 1704 werden 23 junge Frauen aus Frankreich in der französischen Kolonie Louisiana angelandet, ausgestattet mit je einer Kiste als Brautgabe und zu dem Zweck in die Kolonie gebracht, sich mit den dortigen Franzosen der Garnison zu verheiraten und in Amerika quasi ein zweites Frankreich zu gründen. Elisabeth Savaret ist eine dieser jungen Frauen und die meisten dieser jungen Damen sind von ihren Eltern, ihrer Verwandtschaft und Gemeinden regelrecht abgeschoben worden. Die Alternative wäre für viele von ihnen entweder das Kloster oder ein ärmlicheres Leben gewesen, weil von Haus aus z.B. nicht für mehrere Töchter eine finanzielle Absicherung dagewesen wäre oder die Damen rein optisch nicht die besten Heiratschancen in Frankreich gehabt hätten. Sie sollen also mit Männern verheiratet werden, die sie vorher nie gesehen haben und eine lebensfähige Kolonnie gründen, wo bisher nur eine Garnison stationiert war.
Die kleine Anzahl Männer in dieser Garnison waren allerdings keine Bauern, hatten keine oder kaum Ahnung von Landwirtschaft und sollten ein Gebiet besiedeln und bewirtschaften, dass die Größe Frankreichs um ein Vielfaches überstieg. Das damalige von den Franzosen beanspruchte Gebiet war weitesgehend unerschlossen und umfasste das heutige Louisiana, Mississippi, Arkansas, Missouri, Illinois, Iowa, Wisconsin, Minnesota und Teile Kanadas.
Wie hat man sich das also wohl vorzustellen?
Man wußte nicht, welche Schätze und Reichtümer dieses Gebiet der Neuen Welt barg und wie man damit umgehen wollte. Klar war den Franzosen wohl nur, dass hauptsächlich der Erzfeind England sie nicht bekommen sollte! Die Indianer galten als unzivilisierte Wilde, mit denen man schon irgendwie durch billige Geschenke (Glasperlen und anderer Tand) und vor allem Alkohol fertig werden würde. Wichtig waren sie allerhöchstens als leicht zu benutzende Schachfiguren, bei denen sie eher die Rolle der Bauern einnahmen, in dem großen Kolonnial-Schachspiel der damaligen Weltmächte. Völlig naiv gedachte man vermutlich, einen Stützpunkt zu haben, den man ab und zu vom Mutterland Frankreich aus per Schiff versorgte, möglichst viel Gold o.ä. aus dem Gebiet heraus zu pressen und - dies allerdings erst einige Jahre später - unerwünschtes Volk aus Frankreich weg über den großen Teich quasi elegant zu entsorgen.
So, wie damals Schiffsreisen noch betrieben wurden, brauchte man sich in Frankreich auch kaum Sorgen zu machen, denn die Hälfte der Passagiere starb meistens schon auf der Überfahrt nach Amerika.
Das Klima der Sumpflandschaft, in der die Siedlung Mobile lag und das so ganz anders war als das gemäßigte Klima Europas, setzte den Europäern ebenfalls zu.
Der unberechenbare Mississippi mit seinen häufigen Überschwemmungen tat ein Übriges, um die Anzahl der Bevölkerung äusserst niedrig zu halten und im Laufe der Zeit trug die Siedlung Mobile ihren Namen sehr zu Recht, da die komplette kleine Siedlung aufgrund der häufigen Überschwemmungen durch den Fluß mehrmals umziehen mußte.
Mehrere Versuche der recht unerfahrenen Siedler, Weizen anzubauen, scheiterten zum Beispiel kläglich, da die Ähren schlichtweg verfaulten, bevor sie überhaupt Körner reifen lassen konnten. Ausserdem hatten viele Männer der Garnison schon alle Hände voll damit zu tun, die Bündnisse Frankreichs, die mit den indianischen Ureinwohnern geschlossen worden waren, ständig zu erneuern und zu verhindern, dass die Indianerstämme mit den Engländern zum Nachteil Bündnisse schlossen.
Eine Zeit später versuchte man, der ganzen Sache Herr zu werden, indem man Indianer als Arbeitssklaven nahm und noch eine Zeit später wurden afrikanische Sklaven nach Amerika verschifft, die die Feldarbeit übernehmen sollten. An Konfliktpotenzial mangelt es in diesem Roman also keineswegs.
Vor diesem sehr authentisch beschriebenem Hintergrund begleiten wir nun also in dem Roman vorrangig drei Menschen:
Elisabeth Savaret, eine junge Frau, die bei ihrer Überfahrt nach Amerika noch keineswegs weiss, was sie vom Leben möchte. Sie weiss im Grunde nur, dass sie nicht so werden möchte wie andere junge Frauen ihrer Generation, die ihr allesamt vorkommen wie dumme, kichernde Gänse. Und so ist sie auch sehr überrascht, als der gutaussehende, selbstbewußte und leicht arrogant auftretende Soldat Jean-Claude Babelon ausgerechnet sie zur Frau wählt und versucht, ihm alles besonders recht zu machen.
Babelon wird als Vermittler und Unterhändler bei den Indianerstämmen eingesetzt, soll mit ihnen Handel treiben, für die französische Regierung ausspionieren, was die Engländer treiben und durch geeignete Geschenke verhindern, dass die Indianer sich mit den Engländern gegen die Franzosen verbünden. In Wahrheit ist er selbst aber nur daran interessiert, möglichst gute Geschäfte zu machen und irgendwann reich nach Frankreich zurück zu kehren.
Elisabeth sieht das allerdings zunächst nicht, sondern ist im Gegenteil fast krankhaft eifersüchtig darauf bedacht, dass Babelon in den wenigen, seltener werdenden Stunden und Tagen, wenn er mal zuhause bei ihr ist, vor allem mit anderen Frauen keinen Kontakt hat.
Am dörflichen Leben in Mobile nehmen Babelon und Elisabeth daher aus unterschiedlichen Gründen kaum teil, sondern sich ab und Babelon macht seiner Frau ihrer Ansicht nach sehr häufig klar, dass er auch keine Kinder haben möchte. Diese Konstellation ist zur damaligen Zeit, wo Verhütung noch ein Fremdwort war, nicht ganz ungefährlich. Erschwerend kommt auch noch die Begegnung und spätere Kameradschaft von Babelon und dem jüngeren Auguste hinzu, den man als Junge mit dem Auftrag, als Spion bei einem Indianerstamm zu fungieren, zurückgelassen hatte. Auguste hat nun einen ganz anderen Charakter als Babelon entwickelt und sich im Laufe der Jahre sehr gut im Indianerstamm integriert, allerdings aber auch eine ganz eigenständige Art und Weise entwickelt, in der Neuen Welt zurecht zu kommen.
Als sich Auguste in Elisabeth verliebt und die Charaktereigenschaften von ihr und auch von Babelon vollständig erfasst, steuert ihre Beziehung unaufhaltsam auf eine Katastrophe zu.
Mehr möchte ich aber nicht verraten, denn erstens soll man es ja noch selber lesen wollen und zweitens geht das Buch meiner Meinung nach über die Schilderung einer Dreiecksbeziehung in historischer Kulisse weit hinaus. Historische Romane haben ja quasi immer noch eine Art Hochsaison und wahrscheinlich auch ihre Berechtigung, sonst würden sie ja nicht so gerne gelesen und gekauft werden, denke ich mal.
Aber dieses Buch hebt sich doch sehr von anderen Romanen dieses Genres ab, da man sich als Leser dazu aufgefordert fühlt, mit zu denken und zu fühlen. Man erlebt die Entwicklung der Protagonisten nicht als gegebene Fakten - und bekommt auch nicht von der Autorin einfach gesagt, was in ihnen vorgeht, sondern entwickelt quasi ganz allmählich im Laufe des Romans das Verständnis für sie, würde sie am liebsten vor manchen Fehlern bewahren, versteht manche Handlungen erst im Nachhinein, baut es auch oft erst auf, wenn man sich bewußt macht, in welcher Zeit, mit welchen Normen und gesellschaftlichen Zwängen die Menschen vor mehr als 200 Jahren noch umgingen.
***Fazit***
Wenn ich mir die Meinungen anderer Rezensenten so anschaue, ist der Schreibstil der Autorin wohl nicht jedermanns Geschmack. Mir gefällt er allerdings sehr gut, weil ich es sehr schön finde, wie ich mich gerade durch die Landschafts- und Lebensumständebeschreibungen auf eine Reise in die Vergangenheit begeben konnte, die sich mit der Kolonisierung Amerikas befasst, die auf mich sehr viel authentischer gewirkt hat, als ich es erhofft hatte.
Von dieser Autorin lasse ich mich gerne zum Selbernachdenken verführen.