Allan Pettersson: Symphonie Nr.13
Symphonie Nr.13
CD
CD (Compact Disc)
Herkömmliche CD, die mit allen CD-Playern und Computerlaufwerken, aber auch mit den meisten SACD- oder Multiplayern abspielbar ist.
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- Künstler: BBC Scottish Symphony Orchestra, Alun Francis
- Label: CPO, DDD, 93
- Erscheinungstermin: 27.10.2004
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Siebzehn Symphonien, drei Solo- und
drei Streichorchesterkonzerte zwei
Liederzyklen, Kammermusik - das Ergebnis
von 46 Jahren schöpferischer Arbeit. Gustav
AIlan Pettersson: Orchesterbratscher,
Komponist, Querdenker. Ein Mann, dessen
Musik sich jeder Kategorisierung entzieht,
obwohl er in seiner Arbeit stets die Verbindung
zur Tradition aufrechterhielt - und
vielleicht auch, weil er nie zu experimentieren
versuchte. Als der Großteil seiner westeuropäischen Komponistenkollegen sich
dem Serialismus zuwandte (und auch später,
in der postseriellen Phase), rang
Pettersson noch mit den überkommenen
Formen: Symphonie, Solokonzert, Kantate,
Lieder; keine seiner Partituren sieht die Verwendung
elektronischer Instrumente vor,
selbst die 16. Symphonie, die letzte, die er
noch vollenden konnte, schließt mit einem
A-Dur-Akkord der Streicher. Und doch:
Wegen ihrer radikalen Emotionalität erscheint
uns Allan Petterssons Musik als neu,
als im Wortsinne unerhört.
Bis auf wenige Ausnahmen sind Petterssons Symphonien einsätzige Kolossalgemälde von durchschnittlich dreiviertelstündiger Dauer, großorchestrale gewaltige Gesänge des Zorns und der Anklage, schwere Wetter, die ohne die spätromantische Tradition nicht denkbar wären, die aber dennoch geprägt sind vom harscheren Ausdrucksgestus der Musik des 20. Jahrhunderts.
Ein Satz des Komponisten geistert durch fast sämtliche Pettersson-Würdigungen, sein künstlerisches Selbstverständnis zu illustrieren; es ist ein Satz, entnommen einem Brief an seinen Biographen und fast einzigen Freund, den Stockholmer Musikjournalisten Leif Aare, erstmals veröffentlicht in der schwedischen Zeitschrift Nutido musik:
"Das Werk, an dem ich arbeite, ist mein eigenes Leben das gesegnete das verfluchte: um den Gesang wiederzufinden, den die Seele einst gesungen hat."
Das verfluchte, aber eben auch das gesegnete eigene Leben - eine Kindheit in den von Elendsalkoholismus, Gewalttätigkeit und Kinderreichtum geprägten Slums im Stockholmer Stadtteil Södermalm, eine Jugend unter dem Eindruck und dem Einfluß eines alkoholsüchtigen, gewalttätigen Vaters und einer demgegenüber hilflosen, frömmelnden Mutter, ein Leben mit dem ungeliebten Beruf eines Orchesterbratschers, der der Sehnsucht noch dem Komponieren im Wege zu stehen scheint, schließlich der rapide zunehmende gesundheitliche Verfall, der Eindruck mangelnder Anerkennung. Der Fluch, der über diesem Leben zu liegen scheint, mag evident erscheinen, schwieriger fallt da wohl schon die Suche nach dem Segen.
Das Milieu seiner Jugend hat Pettersson zum Kämpfer werden lassen. Sowohl in seinem Werk als auch in seinen ungewöhnlich zahlreichen schriftlichen oder mündlichen Stellungnahmen zur Position des Künstlers in der Gesellschaft hat Pettersson, ohne je zum parteipolitischen Instrument zu werden, sich in oftmals radikal anmutenden Worten geäußert. Dem häufig - gelegentlich unterschwellig - zu vernehmenden Vorwurf, die wesentliche Triebfeder seines Schaffens sei Selbstmitleid gewesen, begegnete er, getroffen vom Unverständnis gegenüber seiner auf globale Gerechtigkeit zielenden Arbeit mit entsprechender Härte:
"Jemand sagte mal, dass ich aus Selbstmitleid komponiere. Ich habe mich nie selber bemitleidet, ich habe nie weinen können. Mitleid mit anderen kenne ich, aber nicht Selbstmitleid. Mir fällt es schwer, Menschen zu hopsen, aber die sich selber bemitleiden, die hasse ich. Selbstmitleid ist so verdammt unproduktiv. Glaubst Du, daß ich das, was ich geschaffen habe, hätte schaffen können, glaubst Du, dass man eine einzige Note schreiben kann die lebt, wenn man dasitzt und sich selbst bemitleidet? Was ich vermittle, ist nicht Selbstmitleid, sondern bare Information."
Aus der Sicht des großen, wenngleich etwas verqueren Humanisten, der Pettersson zweifelsohne war, ist diese Einschätzung durchaus nachvollziehbar. Der Gegenstand seiner Musik ist der Mensch, gleichgültig ob er nun verbal thematisiert auftritt wie in der 12. Symphonie oder in der Kantate Vox humano oder als gewissermaßen ethische Folie wie in den reinen Instrumentalwerken. Und als gesegnet konnte Pettersson sein Leben bezeichnen, weil es ihm wie wohl keinem anderen Komponisten dieses Jahrhunderts gelang, dieses Engagement für den Menschen und das Menschliche hörbar zu machen. Die künstlerische Identifikation mit den Unterdrückten war in seinen Augen eine (notwendige) Selbstaufopferung: Die Identifikation mit dem Kleinen, Unansehnlichen, Anonymen, mit dem ewig Unveränderlichen, aber ständig Neuen, Frischen. Darin wird dem Menschen das Leben bewahrt.
Anders als die Symphonien der mittleren Schaffensphase, denen bei aller krass herausgeschleuderten Emotionalität doch eine gewisse Ausdruckskonzilianz nicht abgesprochen werden kann, sind - vielleicht mit Ausnahme des Konzerts für Violine und Orchester (2.Violinkonzert) und eventuell noch der 15.Symphonie - die nach Petterssons neunmonatigem Krankenhausaufenthalt von 1970 / 71 entstandenen Werke geprägt von einer nachgerade unbarmherzig scheinenden Kompromisslosigkeit, gleichsam langanhaltende Wutausbrüche, wie unaufhörliche Ströme zornig herausgeschrieener Klage und Anklage. (Gleichviel finden sich ober auch hier jene lyrischen Inseln, die vielleicht wirklich erst in ihrer so stark kontrollierenden Wirkung die pessimistische Grundhaltung des Komponisten untermauern).
Dieses Charakteristikum finden wir auch in der 1976 vollendeten 13. Symphonie, Petterssons nach der Symphonie Nr. 9 umfangreichsten Partitur.
Die Arbeit an der Symphonie fällt in eine Phase größerer wirtschaftlicher Sicherheit: lm Dezember 1975 erhielt Pettersson das mit 10000 Schwedischen Kronen dotierte Kurt Atterberg-Stipendium der STIM (der schwedischen Urheberrechtsgesellschaft), im März 1976 den gleichen Betrag aus dem Carl Albert Andersson-Gedächtnisfonds, schließlich im Mai 25000 Kronen vom Bergen-Festival für die kurz zuvor begonnene 13. Symphonie. Und 1976 ist auch das Jahr, in dem ihm eine Staatswohnung zugesprochen wird. (Das Haus in der Stockholmer Bastugatan 30 wurde übrigens zuvor lange Jahre von Ture Rangström (1884 - 1947), einem der gewichtigsten expressiven Komponisten Schwedens vor Pettersson, bewohnt).- Die absolut unbefriedigende Wohnraumsituation ist es auch, die gerade in der Entstehungszeit der Symphonie die ohnehin räumlich begrenzten Entfaltungsmöglichkeiten des Komponisten zunehmend einschränkt: Vor dem Umzug in die Staatswohnung hatte er 1974 zuletzt das alte Haus, in dessen viertem Stockwerk er lebte, verlassen können; der Lärm von Bauarbeiten tagsüber und die Popmusikbeschallung durch die Nachbarn in der übrigen Zeit erschwerten ihm das Komponieren. Opernaufträge, obwohl sie an ihn herangetragen wurden, musste er ablehnen, weil er sich außerstande sah, unter diesen Umständen an einer ihm neuen Gattung zu arbeiten.
Den Auftrag des Bergen-Festivals jedoch, für die Saison 1977 eine Symphonie zu schreiben, nahm er an; ausführen musste er ihn allerdings noch unter den beschriebenen, ihm zutiefst verhassten Umständen. Es mag sein, dass sein eigenes gespanntes Verhältnis zu dieser 13. Symphonie in erster Linie zurückzuführen ist auf deren unmittelbare Entstehungssituation. Und gewissermaßen als eine Bestätigung seiner Weltsicht könnte Pettersson es auch empfunden haben, dass die für das 25jährige Jubiläum des Festivals 1977 vorgesehene Uraufführung wegen zu kurzer Probenzeiten um ein Jahr verschoben werden musste: sie fand statt am 7. Juni 1978 im Bergener Abschlusskonzert, es spielte die Musikselskobel Harmonien Bergen (der das Werk, zusammen mit ihrem künstlerischen Leiter Karsten Andersen, auch gewidmet ist) unter der Leitung von Francis Travis.
Angesichts der immensen Anforderungen, die die Partitur sowohl an Orchester, Dirigent und Zuhörer stellt, ist die zunächst zu knapp bemessene Probenzeit des verschobenen Uraufführungstermins auch nicht weiter verwunderlich; mit einigem Recht darf man der 13. Symphonie eine Sonderstellung zusprechen: an Komplexität findet sie selbst in Petterssons Schaffen kaum ihresgleichen, in ihrer Dichte erreicht sie einen Ausdrucks-, ober auch Schwierigkeitsgrad, vor dem selbst er zurückgeschreckt zu sein scheint - die keineswegs "leichte" 14. Symphonie, die teilweise motivisch in der 13. vorbereitet wird, wirkt hier gleichsam konziliant. Pettersson kommt dem Hörer insofern entgegen, als er zwei (statt sonst einer) der "lyrischen Inseln" einarbeitet, die so charakteristisch für seine Symphonien sind. Aber selbst in ihnen finden sich Reibungen, die auf die extreme Bedrohlichkeit der musikalischen Umgebung hinweisen - so etwa in der zweiten "lnsel" kurz vor Ende des Werkes, in der er auf schwerer Taktzeit ein eis der Violen gegen ein e der Celli erklingen lässt, ungeachtet des hier unvermeidbar entstehenden Höreindrucks von schlicht "falschem" Spiel.
Die 13. Symphonie beginnt unvermittelt mit einem Aufschwung der Streicher, der in ähnlicher Gestalt häufiger aufgegriffen wird und bis zum Ende seine signalartige, öffnende Eigenheit bewahrt. Es finden sich auch darüber hinaus Elemente des Zeichenhaften, deren Wiederkehr werksymptomatisch erscheint, so eine zunächst von Posaunen vorgetragene, dann von den Trompeten aufgegriffene Tonfolge oder ein Fanfarenansatz in den Trompeten. AII diese Zeichen scheinen sich aus dem dichtest konzentrierten Moteriol nur für Augenblicke herauszulösen, fallen zurück, geben anderen Raum.
Es muss mit dieser Zeichencharakteristik zu tun haben, dass Pettersson Zitatanklänge einfügt, die an seine Vergangenheit als Orchestermusiker denken lassen, die auch so flüchtig im Höreindruck sind, dass man sie nicht als Zitate ansprechen mag: So etwa recht früh in den Streichern eine von Ludwig von Beethoven her nicht ganz unbekannte Repetitionsfolge, deren Beliebigkeit Vorsicht geboten sein lässt in Bezug auf eine Deutung in diesem Zusammenhange oder versteckt 150 Takte später eine Assonanz an Rossinis Barbier-Ouvertüre. Haben wir es, wenn tatsächlich der Orchestermusiker Pettersson hier bewusst "Eindrücke aus der Vergangenheit" verarbeitet, in der kurzen, bizarren Walzerepisode der zweiten Hälfte der Symphonie mit einer Referenz vor den skurrilen Walzern Carl Nielsens zu tun?
Greift die kurz vor der zweiten "lyrischen Insel" aufscheinende Cellokantilene Berlioz' Harold in ltalien auf, das Pettersson als Bratscher sicherlich gespielt haben dürfte (wie Burkhard Schmilgun, der Produzent der vorliegenden Einspielung mutmaßt), handelt es sich um ein weiteres Lied ohne Worte (wie die schwedische Pettersson-Forscherin Laila Barkefors sie in zahlreichen seiner Symphonien entdeckt hat), oder verbirgt sich hier ein wirkliches Zitat, dem die Quellenangabe fehlt? - Die 13, Symphonie stellt eine permanente Herausforderung auch an die Wissenschaft dar, die Fragen zu beantworten aufgerufen ist, die hier nahezu Takt für Takt aufgeworfen werden. Als Provokation mag sie in ihrer Sprödigkeit auch dem in Sachen Pettersson weniger geübten Hörer erscheinen, dem sie sich nur dann wirklich erschließen kann, wenn er ein Höchstmaß an konzentrierter Mitarbeitsbereitschoft mitbringt. En passant wird sich ihm dieses symphonische Monument nie erschließen können.
Bis auf wenige Ausnahmen sind Petterssons Symphonien einsätzige Kolossalgemälde von durchschnittlich dreiviertelstündiger Dauer, großorchestrale gewaltige Gesänge des Zorns und der Anklage, schwere Wetter, die ohne die spätromantische Tradition nicht denkbar wären, die aber dennoch geprägt sind vom harscheren Ausdrucksgestus der Musik des 20. Jahrhunderts.
Ein Satz des Komponisten geistert durch fast sämtliche Pettersson-Würdigungen, sein künstlerisches Selbstverständnis zu illustrieren; es ist ein Satz, entnommen einem Brief an seinen Biographen und fast einzigen Freund, den Stockholmer Musikjournalisten Leif Aare, erstmals veröffentlicht in der schwedischen Zeitschrift Nutido musik:
"Das Werk, an dem ich arbeite, ist mein eigenes Leben das gesegnete das verfluchte: um den Gesang wiederzufinden, den die Seele einst gesungen hat."
Das verfluchte, aber eben auch das gesegnete eigene Leben - eine Kindheit in den von Elendsalkoholismus, Gewalttätigkeit und Kinderreichtum geprägten Slums im Stockholmer Stadtteil Södermalm, eine Jugend unter dem Eindruck und dem Einfluß eines alkoholsüchtigen, gewalttätigen Vaters und einer demgegenüber hilflosen, frömmelnden Mutter, ein Leben mit dem ungeliebten Beruf eines Orchesterbratschers, der der Sehnsucht noch dem Komponieren im Wege zu stehen scheint, schließlich der rapide zunehmende gesundheitliche Verfall, der Eindruck mangelnder Anerkennung. Der Fluch, der über diesem Leben zu liegen scheint, mag evident erscheinen, schwieriger fallt da wohl schon die Suche nach dem Segen.
Das Milieu seiner Jugend hat Pettersson zum Kämpfer werden lassen. Sowohl in seinem Werk als auch in seinen ungewöhnlich zahlreichen schriftlichen oder mündlichen Stellungnahmen zur Position des Künstlers in der Gesellschaft hat Pettersson, ohne je zum parteipolitischen Instrument zu werden, sich in oftmals radikal anmutenden Worten geäußert. Dem häufig - gelegentlich unterschwellig - zu vernehmenden Vorwurf, die wesentliche Triebfeder seines Schaffens sei Selbstmitleid gewesen, begegnete er, getroffen vom Unverständnis gegenüber seiner auf globale Gerechtigkeit zielenden Arbeit mit entsprechender Härte:
"Jemand sagte mal, dass ich aus Selbstmitleid komponiere. Ich habe mich nie selber bemitleidet, ich habe nie weinen können. Mitleid mit anderen kenne ich, aber nicht Selbstmitleid. Mir fällt es schwer, Menschen zu hopsen, aber die sich selber bemitleiden, die hasse ich. Selbstmitleid ist so verdammt unproduktiv. Glaubst Du, daß ich das, was ich geschaffen habe, hätte schaffen können, glaubst Du, dass man eine einzige Note schreiben kann die lebt, wenn man dasitzt und sich selbst bemitleidet? Was ich vermittle, ist nicht Selbstmitleid, sondern bare Information."
Aus der Sicht des großen, wenngleich etwas verqueren Humanisten, der Pettersson zweifelsohne war, ist diese Einschätzung durchaus nachvollziehbar. Der Gegenstand seiner Musik ist der Mensch, gleichgültig ob er nun verbal thematisiert auftritt wie in der 12. Symphonie oder in der Kantate Vox humano oder als gewissermaßen ethische Folie wie in den reinen Instrumentalwerken. Und als gesegnet konnte Pettersson sein Leben bezeichnen, weil es ihm wie wohl keinem anderen Komponisten dieses Jahrhunderts gelang, dieses Engagement für den Menschen und das Menschliche hörbar zu machen. Die künstlerische Identifikation mit den Unterdrückten war in seinen Augen eine (notwendige) Selbstaufopferung: Die Identifikation mit dem Kleinen, Unansehnlichen, Anonymen, mit dem ewig Unveränderlichen, aber ständig Neuen, Frischen. Darin wird dem Menschen das Leben bewahrt.
Anders als die Symphonien der mittleren Schaffensphase, denen bei aller krass herausgeschleuderten Emotionalität doch eine gewisse Ausdruckskonzilianz nicht abgesprochen werden kann, sind - vielleicht mit Ausnahme des Konzerts für Violine und Orchester (2.Violinkonzert) und eventuell noch der 15.Symphonie - die nach Petterssons neunmonatigem Krankenhausaufenthalt von 1970 / 71 entstandenen Werke geprägt von einer nachgerade unbarmherzig scheinenden Kompromisslosigkeit, gleichsam langanhaltende Wutausbrüche, wie unaufhörliche Ströme zornig herausgeschrieener Klage und Anklage. (Gleichviel finden sich ober auch hier jene lyrischen Inseln, die vielleicht wirklich erst in ihrer so stark kontrollierenden Wirkung die pessimistische Grundhaltung des Komponisten untermauern).
Dieses Charakteristikum finden wir auch in der 1976 vollendeten 13. Symphonie, Petterssons nach der Symphonie Nr. 9 umfangreichsten Partitur.
Die Arbeit an der Symphonie fällt in eine Phase größerer wirtschaftlicher Sicherheit: lm Dezember 1975 erhielt Pettersson das mit 10000 Schwedischen Kronen dotierte Kurt Atterberg-Stipendium der STIM (der schwedischen Urheberrechtsgesellschaft), im März 1976 den gleichen Betrag aus dem Carl Albert Andersson-Gedächtnisfonds, schließlich im Mai 25000 Kronen vom Bergen-Festival für die kurz zuvor begonnene 13. Symphonie. Und 1976 ist auch das Jahr, in dem ihm eine Staatswohnung zugesprochen wird. (Das Haus in der Stockholmer Bastugatan 30 wurde übrigens zuvor lange Jahre von Ture Rangström (1884 - 1947), einem der gewichtigsten expressiven Komponisten Schwedens vor Pettersson, bewohnt).- Die absolut unbefriedigende Wohnraumsituation ist es auch, die gerade in der Entstehungszeit der Symphonie die ohnehin räumlich begrenzten Entfaltungsmöglichkeiten des Komponisten zunehmend einschränkt: Vor dem Umzug in die Staatswohnung hatte er 1974 zuletzt das alte Haus, in dessen viertem Stockwerk er lebte, verlassen können; der Lärm von Bauarbeiten tagsüber und die Popmusikbeschallung durch die Nachbarn in der übrigen Zeit erschwerten ihm das Komponieren. Opernaufträge, obwohl sie an ihn herangetragen wurden, musste er ablehnen, weil er sich außerstande sah, unter diesen Umständen an einer ihm neuen Gattung zu arbeiten.
Den Auftrag des Bergen-Festivals jedoch, für die Saison 1977 eine Symphonie zu schreiben, nahm er an; ausführen musste er ihn allerdings noch unter den beschriebenen, ihm zutiefst verhassten Umständen. Es mag sein, dass sein eigenes gespanntes Verhältnis zu dieser 13. Symphonie in erster Linie zurückzuführen ist auf deren unmittelbare Entstehungssituation. Und gewissermaßen als eine Bestätigung seiner Weltsicht könnte Pettersson es auch empfunden haben, dass die für das 25jährige Jubiläum des Festivals 1977 vorgesehene Uraufführung wegen zu kurzer Probenzeiten um ein Jahr verschoben werden musste: sie fand statt am 7. Juni 1978 im Bergener Abschlusskonzert, es spielte die Musikselskobel Harmonien Bergen (der das Werk, zusammen mit ihrem künstlerischen Leiter Karsten Andersen, auch gewidmet ist) unter der Leitung von Francis Travis.
Angesichts der immensen Anforderungen, die die Partitur sowohl an Orchester, Dirigent und Zuhörer stellt, ist die zunächst zu knapp bemessene Probenzeit des verschobenen Uraufführungstermins auch nicht weiter verwunderlich; mit einigem Recht darf man der 13. Symphonie eine Sonderstellung zusprechen: an Komplexität findet sie selbst in Petterssons Schaffen kaum ihresgleichen, in ihrer Dichte erreicht sie einen Ausdrucks-, ober auch Schwierigkeitsgrad, vor dem selbst er zurückgeschreckt zu sein scheint - die keineswegs "leichte" 14. Symphonie, die teilweise motivisch in der 13. vorbereitet wird, wirkt hier gleichsam konziliant. Pettersson kommt dem Hörer insofern entgegen, als er zwei (statt sonst einer) der "lyrischen Inseln" einarbeitet, die so charakteristisch für seine Symphonien sind. Aber selbst in ihnen finden sich Reibungen, die auf die extreme Bedrohlichkeit der musikalischen Umgebung hinweisen - so etwa in der zweiten "lnsel" kurz vor Ende des Werkes, in der er auf schwerer Taktzeit ein eis der Violen gegen ein e der Celli erklingen lässt, ungeachtet des hier unvermeidbar entstehenden Höreindrucks von schlicht "falschem" Spiel.
Die 13. Symphonie beginnt unvermittelt mit einem Aufschwung der Streicher, der in ähnlicher Gestalt häufiger aufgegriffen wird und bis zum Ende seine signalartige, öffnende Eigenheit bewahrt. Es finden sich auch darüber hinaus Elemente des Zeichenhaften, deren Wiederkehr werksymptomatisch erscheint, so eine zunächst von Posaunen vorgetragene, dann von den Trompeten aufgegriffene Tonfolge oder ein Fanfarenansatz in den Trompeten. AII diese Zeichen scheinen sich aus dem dichtest konzentrierten Moteriol nur für Augenblicke herauszulösen, fallen zurück, geben anderen Raum.
Es muss mit dieser Zeichencharakteristik zu tun haben, dass Pettersson Zitatanklänge einfügt, die an seine Vergangenheit als Orchestermusiker denken lassen, die auch so flüchtig im Höreindruck sind, dass man sie nicht als Zitate ansprechen mag: So etwa recht früh in den Streichern eine von Ludwig von Beethoven her nicht ganz unbekannte Repetitionsfolge, deren Beliebigkeit Vorsicht geboten sein lässt in Bezug auf eine Deutung in diesem Zusammenhange oder versteckt 150 Takte später eine Assonanz an Rossinis Barbier-Ouvertüre. Haben wir es, wenn tatsächlich der Orchestermusiker Pettersson hier bewusst "Eindrücke aus der Vergangenheit" verarbeitet, in der kurzen, bizarren Walzerepisode der zweiten Hälfte der Symphonie mit einer Referenz vor den skurrilen Walzern Carl Nielsens zu tun?
Greift die kurz vor der zweiten "lyrischen Insel" aufscheinende Cellokantilene Berlioz' Harold in ltalien auf, das Pettersson als Bratscher sicherlich gespielt haben dürfte (wie Burkhard Schmilgun, der Produzent der vorliegenden Einspielung mutmaßt), handelt es sich um ein weiteres Lied ohne Worte (wie die schwedische Pettersson-Forscherin Laila Barkefors sie in zahlreichen seiner Symphonien entdeckt hat), oder verbirgt sich hier ein wirkliches Zitat, dem die Quellenangabe fehlt? - Die 13, Symphonie stellt eine permanente Herausforderung auch an die Wissenschaft dar, die Fragen zu beantworten aufgerufen ist, die hier nahezu Takt für Takt aufgeworfen werden. Als Provokation mag sie in ihrer Sprödigkeit auch dem in Sachen Pettersson weniger geübten Hörer erscheinen, dem sie sich nur dann wirklich erschließen kann, wenn er ein Höchstmaß an konzentrierter Mitarbeitsbereitschoft mitbringt. En passant wird sich ihm dieses symphonische Monument nie erschließen können.
Rezensionen
H.Salm/Frankf.Rundschau v.30.10.93:"Eines der umfangreichsten und gewichtigsten Werke des ohnehin für den Hörer nicht bequemen Pettersson, die 13.Symphonie,1976 komponiert,einsätzig wie die meisten der 17 Symphonien:ein 67minütiger Riesensatz von berstender emotionaler Spannung. Kaum jemals wagte es ein Komponist,so groß- dimensional Höchstspannung als Dauerzustand durchzuhalten und zuzumuten...Interpreten- Eitelkeit kann bei der Musik Petterssons nicht zum Zuge kommen.Sie bedarf der verständig- sten,aufmerksamsten,zugleich bescheidenen Direktion.Dem Dirigenten Alun Francis gelang eine strenge,kompakte und klare Darstellung, die dem fast unübersehbaren Detailreichtum des Werkes zugute kommt."- Tracklisting
- Mitwirkende
- 1 Sinfonie Nr. 13
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