Menschen sind unterschiedlich. Musik verbindet. Efterklang bringen Menschen und Musik durch hinreißend originelle Klänge zusammen.
Das dänische Projekt Efterklang, das im Jahr 2000 gegründet wurde und dessen Name so viel wie Nach- oder Widerhall bedeutet, besteht im Kern aus den Jugendfreunden Mads Brauer (Computer), Casper Clausen (Gesang) und Rasmus Stolberg (Gitarre). Es gesellen sich bei den Veröffentlichungen zeitweise Gäste hinzu, die dabei helfen, den aus verschiedenen Stilen und Strömungen bestehenden Sound zu einer neuen Einheit zu verbinden und abzurunden. Dazu gehört auch der Pianist und Komponist Rune Mølgaard, der bei sieben der neun Songs auf "Things We Have In Common" Co-Autor war und dessen Werdegang das Konzept und die Aussage des neuen Albums maßgeblich beeinflusste.
Rune Mølgaard verabschiedete sich von dem Gefüge Efterklang im Jahr 2007, weil er sich verliebt hatte. Seine Angebetete gehörte der Glaubensgemeinschaft der Mormonen an. Nachdem Rune zwei Jahren in diesem Umfeld gelebt hatte, trat er mit voller Überzeugung dieser Religion bei. Er fühlte sich zunächst in der Gemeinschaft geborgen, erlebte daneben aber auch Regeln, die einen unbedingten Gehorsam gegenüber den Autoritäten der Sekte einforderten. Solche Einschränkungen standen seiner weltoffenen Gesinnung entgegen. Die daraus entstandenen Konflikte zermürbten ihn und führten zum körperlichen Zusammenbruch. 2022 trat er dann aus der Mormonenkirche wieder aus.
Nach dieser Erfahrung stellte sich bei den Efterklang-Musikern die Frage ein, wie wichtig denn eine prägende gesellschaftliche oder religiöse Zugehörigkeit sei und welche Dinge uns eigentlich alle miteinander verbinden. Es geht also sozusagen um den kleinsten gemeinsamen Nenner der menschlichen Existenz. Casper Clausen fühlt sich eher einer "nomadische" Zugehörigkeit verbunden. Für Brauer & Stolberg steht hingegen die Familie an erster Stelle. Rune Mølgaard musste sich nach dem Verlust der Religionsgemeinschaft neu orientieren. Was nicht schwer war, denn für alle vier zuvor genannten Personen ist die Partnerschaft untereinander, die sich auch durch eine kreative Herausforderung auszeichnet, wie eine zweite Familie. Und diese starke Verbindung ist sogar in der Lage, sich Kompositionen von sinnlicher Schönheit auszudenken und mit Experimenten von beißender Schärfe zu versehen, die trotz der offensichtlichen Widersprüche immer noch überzeugend und attraktiv klingen. Für "Things We Have In Common", dem siebenten Studio-Album der Dänen, wird dieses Prinzip unverändert angewendet, was wiederum zu einer genüsslichen Spannungssteigerung beiträgt.
Eine hohe Frequenz von Beats pro Minute, wie sie bei der elektronischen Dance-Music angesagt ist und langsame, Trommel-artige Töne, die an ethnische Folklore erinnern, gehen beim Eröffnungs-Stück "Balancing Stones" Hand in Hand. Genauso wie dröhnende, muskulöse Bässe und sphärische Schwingungen. Diese Unterschiede in der Kreation sind Programm und werden verträglich miteinander kombiniert. Sie sind mit einer Stimme gesegnet, die sich wie ein gefallener Engel anhört: sowohl von Liebe erfüllt, als auch leidend. "Ich fühle mich gespalten. Auf mich allein gestellt", verkündet der Sänger. Und dann gibt er noch den Tipp: "Gehen sie durch die Augen der Stille", was einem Hinweis gleich kommt, der aus der Notsituation führen soll. Jede Darstellung, jeder Ausdruck und jeder Beitrag bei "Balancing Stones" ergibt für sich genommen einen Sinn und führt durch Akzeptanz der konkurrierenden Details zu einem anschaulichen Gesamtbild.
Mit den Zeilen "Heb mich hoch, gib uns Flügel. Du siehst aus wie Baumwolle im Wind" beginnt "Plant". Mit "Arme strecken sich aus. Wir gehören nicht dazu" endet der Text. Vertrauen und Enttäuschung rahmen diese Hollywood-reife, atmosphärisch am psychischen Abgrund stehende Ballade ein. Aber mit Mut und Durchhaltewillen lässt sich so manche Krise überwinden. Eine Metapher dafür ist die Pflanze, die sich jeden Tag wieder in die Sonne dreht, egal, was um sie herum passiert. Aus der Dramatik heraus baut sich ein Schub auf, der den Song aus der Melancholie befreien soll. Der Duett-Gesang zwischen Casper Clausen und der aus Guatemala stammenden Sängerin und Cellistin Mabe Fratti ist dabei ein weiterer herausragender emotionaler Lichtblick.
Bei "Getting Reminders" geht es um Visionen. "Es ist, als würden die Bäume sterben" heißt ein Statement, das ans Eingemachte geht, wie man so schön sagt. Denn ohne Bäume gibt es auch keine Menschen mehr. Eine existentielle Bedrohung steht unter diesen Umständen unmittelbar bevor. Der Track übt sich verzweifelt und erfolglos in Zweckoptimismus. Manche Beigaben (wie das Klatschen) bemühen sich um gute Laune. Aber der betrübte Gesang und die traurige Trompete, die von Zach Condon von der Band Beirut gespielt wird, lassen keine ausgelassene Fröhlichkeit zu. Der Titel ist Teil der Dokumentation "Efterklang: The Makadonium Band", der eine Reise der Gruppe nach Nordmazedonien zugrunde liegt.
Es ist schon ungewöhnlich, wenn Avantgarde-Jazz-, Sinfonie- und Hard-Rock-Elemente in einen Pop-Song integriert werden, ohne dass dabei ein undefinierbares, gewagtes, nicht gelungenes Konstrukt herauskommt. Aber bei "Ambulance" funktioniert diese Zusammensetzung: Das Lied behält trotz der vermeintlich nicht zueinander passenden Zutaten klare Konturen, bleibt durchschaubar und vermittelt schließlich eine positive Zugewandtheit.
Die Piano-Ballade "Leave It All Behind" wird von suggestiven Minimal-Art-Strukturen angetrieben und durch die teilweise von einem Computer veränderte Stimme individualisiert. Dadurch entsteht so etwas wie ein künstlicher Ambient-Space-Pop, wenn man das so nennen mag.
Für "Animated Heart" wurde als Attraktion der süddänische Mädchenchor Sønderjysk Pigekor, mit dem Efterklang schon seit 12 Jahren zusammenarbeitet, erneut gewonnen. Der Track beginnt damit, dass der Chor das Lied in einen unschuldig wirkenden Gospel-Folk-Kokon einspinnt, der von einem soliden Rock-Rhythmus begleitet wird. Er endet dann in einem alles verzehrenden, verzerrten Ton-Inferno.
Für "Shelf Break" wird zunächst wieder ein manipulierter Gesang eingesetzt, der dominant herausgestellt wird. Bis das Schlagzeug ein impulsives Eigenleben führt. Im Anschluss daran übernehmen die natürlichen Töne von Casper Clausen das Geschehen und das Piano ist plötzlich rasend vor Erregung. Die angespannte Stimmung legt sich danach wieder und der Song wird zu einer ruhigen, ausgeglichenen Angelegenheit. In einem neuerlichen Anflug von Hektik, der mit balinesischer Gamelan-Musik in Verbindung gebracht werden kann, endet der Track aufgeregt-folkloristisch.
"Alles dreht sich um die Liebe", weiß "Sentiment" zu berichten. Casper Clausen betätigt sich als verführerischer Crooner und lässt in dieser Funktion alle Herzen dahinschmelzen. Diese überzeugende intime Intensität ist heutzutage wahrscheinlich am ehesten mit der betörenden Wirkung der Stimme von Matt Berninger (von The National) zu vergleichen.
Der altmodisch wirkende Adult-Pop-Song "To A New Day" geht zum Schluss ganz in Optimismus auf. "Was, wenn wir versuchen, sanft zu sein" ist eine Idee, die den hymnischen Track zu einer entschlossenen Forderung dafür macht, etwas Gutes für sich und andere zu tun. Versöhnlicher kann ein Album kaum enden.
Der "Rückkehrer" Rune Mølgaard beschreibt den Wert der Efterklang-Musik wie folgt: "Wenn wir gemeinsam Musik schreiben und spielen, wird Authentizität als zentraler Wert geschätzt, während wir gleichzeitig Raum für andere schaffen." Das hört sich nach der perfekten Kommunikationsform zwischen den agierenden Menschen an und sollte bestenfalls dazu führen, dass dieses harmonische Miteinander beim Lauschen der Töne Sinn-bildend auf die Hörerschaft abfärbt. Ob das klappt, ist eine Frage von Kodierung und Dekodierung: Wer sich voll und ganz auf die Klänge einlässt, kann diese Erfahrung teilen. An der Qualität der erzeugten Töne wird es nicht scheitern. Efterklang sind jedenfalls eine Klasse für sich, wenn es darum geht, schöngeistige und gleichzeitig anspruchsvolle Pop-Musik zum Leben zu erwecken.