Trotz historisch bedingter Fehler eine eminent wichtige Ausgabe - zweihändige Version des Klavierauszugs
Von Francks fast einstündigem Meisterwerk Psyché gibt es neben dem eigenhändigen Klavierauszug für zwei Pianisten diesen alternativen aus der Hand von Gustave Sandré, einem jüngeren Zeitgenossen, Komponisten und späteren Konservatoriumsdirektor. Dieser Auszug hat den großen Vorteil, dass es zu seiner Darstellung keines zweiten Pianisten bedarf und man sich unabhängig auch von Tondokumenten ein Bild vom Ablauf der Komposition machen, ggf. aber andererseits überprüfen kann, woran es bei diversen bestehenden Gesamtaufnahmen mit großem Orchester und Chor hapert. Die von B-Note angekündigte und von Franckkennern jeher sehnsüchtig erwartete große Partitur wird hoffentlich bald erscheinen.
In den Audio-Einspielungen hängen die Sätze "Psyche und Amor" und die Beschreibung von "Psyches Leiden" trotz unverändert höchster kompositorischer Spannkraft und Dichte fast immer durch. Das kann man im Eigenversuch nachkontrollieren und unschwer jetzt richtigstellen: in "Psyche und Amor" schleppen die Dirigenten – außer wenn sie nicht, wie Willem van Otterloo, das ganze Werk übereilen –, während sie bei "Psyches Leiden" annehmen, die strukturierten Sechzehntelketten und Kanons innerhalb der scheinbaren Nebenstimmen bis zur Unkenntlichkeit in den Hintergrund drücken und verhetzen zu sollen. Mittlerweile gibt es Aufnahmen, die die feierlich ausgestaltete Choralbearbeitung des Schlusses ("Apotheose") als flotten Rausschmeißer missverstehen. Das Werk ist harmonisch wie kontrapunktisch mit das Ungewöhnlichste und Großartigste, was je ein Komponist zu Papier brachte.
Sandré hat Francks hochkomplexe Melodienschichtungen selbstredend nicht so abbilden können, wie es Francks vierhändige Übertragung versucht – es wäre von einer Person allein schlechterdings nicht spielbar; aber er fand einen geschickten Weg, wenigstens eine Illusion vom Reichtum der Komposition zu vermitteln. (Ausnahme: die gelegentliche Reduktion motivisch differenzierter kleinnotiger Gegenstimmen in bloße Tremoloakkorde.) Leider unterliefen ihm aber – im Gegensatz zu Francks perfekt redigiertem eigenen Klavierauszug in den in die Chorsätze übernommenen Passagen – einige Fehler. Francks Orchester sieht etliche transponierende Instrumente vor, so Klarinetten und Flügelhörner in A, Trompeten und Hörner in E, Hörner aber auch in F, Bassklarinette in B, Englischhorn, das sowieso immer eine Quinte tiefer klingt.
Insgesamt über 30 von mir erkannte Fehler entstellen den Text und sollten handschriftlich korrigiert werden, ehe man in die Auseinandersetzung einsteigt. Da es sich um eine Reprintausgabe handelt, sind Änderungen der Grunddatei vermutlich nicht machbar. Hier meine Errata-Liste zu dieser eminent wichtigen Edition mit Angabe von Seite, Akkolade und Takt:
7 – 2 – 1: 2. Note rechte Hand (rH) recte ais’’
8 – 3 – 1: rH vor 1. Stimme # streichen (recte e’’), vor 2. Stimme # ergänzen (recte his’)
9 – 2 – 1: 2. Note lH recte es
9 – 4 – 2: rH auf 1 erg. b; lH Unterstimme auf 5 erg. Auflösung (recte h)
9 – 5 – 2: lH auf 1 obere Stimme erg. b (recte fes)
10 – 1 – 2: lH auf 4 erg. b (recte fes; die Stammnote f wurde wohl undeutlich in e übermalt)
11 – 1 – 2: letzte Note 2. Stimme rH recte c’ statt cis’
11 – 4 – 1: lH auf 4 vor unterer Note erg. Auflösung (recte g statt gis)
13 – 2 – 2: rH vor 2. Note b str.!
14 – 2 – 3: rH letzte 16tel-Note keine Auflösung, sondern #
letzte Note von S. 14: erg. b (recte ces’’)
15 – 1 – 3: 7. Note rH erg. Auflösung
16 – 3 – 2: rH vor 1. Note 2. Stimme erg. #
viertletzter Takt S. 17 vor der letzten 16tel nicht Doppel-, sondern nur einfaches b (recte b’’ statt heses’’)
letzte Note S. 19 und zweite Note S. 20 recte ais’ statt a’
23 – 4 – 2: rH erg. Auflösung vor d’’ auf 4 und lH lösche Auflösungszeichen vor d auf 4+
24 – 5 – 1: lH auf 1 fehlt 4tel f’
24 – 5 – 2: lH auf 1 ges ersetzen durch es’
41 – 1 – 3: rH auf 3 fehlt 4tel gis’
42 – 4 – 2: vor letzter 8tel lH fehlt b (recte es)
43 – 4 – 3 und 44 – 1 – 1: Vorschlagsnote lH erg. #
44 – 5 – 3: lH auf 3 in Mittelstimme # erg. (recte his) und in Unterstimme # str. (da ja sowieso gis)
47 – 4 – 3: Oberstimme lH auf 3 recte aufgelöst c’
47 – 5 – 3: 2. Note lH recte ces’
48 – 1 – 3: letzte Note 2. Stimme rH recte ais’ statt cis’’
48 – 5 – 3: lH 1. Note (Vorschlagsnote) recte cis statt A
59 – 1 – 4: lH auf 1 erg. Halbe cis
59 – 3 – 1: lH vor unterer Note auf 4 erg. # (recte dis statt d)
62 – 4 – 2: lH auf 4 erg. Auflösung vor d’
64 – 1 – 3: rH auf 1 und lH auf 4 vor oberer Note Auflösung str. (muss cis’’’ bzw. cis’ lauten)
65 – 1 – 2: letzte Note lH recte b statt as
65 – 2 – 1: letzter Zweiklang rH recte mit as’ statt mit g’
67 – 4 – 1: rH auf 2 beide Stimmen recte f’ statt e’
73 – 3 – 1: Note auf 4 recte es statt e
73 – 3 – 2: rH Oktave auf 4+ recte fis’ – fis’’ statt e’ – e’’
76 – 3 – 1: rH obere Note recte cis’’’ statt e’’’
(78 – 1 – 2: es empfiehlt sich rH die Ergänzung des Zweiklangs auf 1 durch es’’ – als bei Franck vorgesehene Abschlußnote hinter dem Viertel fes’’)
78 – 1 – 2: rH auf 2 vor oberster Note fehlt b (recte as’’ statt a’’)
78 – 2 – 1: rH auf 4 vor zweitoberster Note b str. und Auflösung erg. (der Zweiklang Oberstimme lautet recte g’’/a’’)
78 – 2 – 2: mittlere Note dritte Triole recte cis’’ statt ces’’