vollständig!
Vorab eine wichtige Info für "Insider": Der Klavierauszug ist - im Gegensatz zur Leihpartitur - vollständig mit allen Nummern!
Karl Schiskes größtes, bedeutendstes Werk - das Oratorium „Vom Tode“ op. 25 - ist 1946 unter dem Eindruck des Zweiten Weltkrieges und des Todes seines Bruders Hubert, der1944 gefallen war, entstanden. Den Text stellte sich der Komponist selbst aus Gedichten von Rilke, Liliencron, Weinheber, Eichendorff, Seidel, Mörike, Hölderlin, Schiller, Hebbel, Klopstock, Thomas a Kempis und Goethe sowie dem Volkslied vom „Schnitter Tod" zusammen und ordnete ihn In sechs Teile, die zwischen Prolog und Epilog nach barockem Vorbild die vier Jahreszeiten mit den menschlichen Lebensabschnitten gleichsetzen.
Schiske selbst schreibt dazu: „Als ich den Text des Oratoriums 1945 unmittelbar nach dem Ende des furchtbaren Krieges aus zum Teil in meinem Notizbuch mitgetragenen Gedichten zusammenstellte, ergab sich die Form und der Jahreszeitenablauf wie von selbst Mit der Musik trachtete ich die Dichtungen verschiedener Autoren noch mehr zu verschmelzen ...In den Rahmen sind vier Teile eingefügt, die den Tod durch die vier Jahreszeiten schreiten lassen... So erscheint der Tod in vielerlei Bildern hinter den bunten Erscheinungen der Welt, hineingreifend ins Leben, oder nur ein dunkler Schatten, der in die Natur hineinfällt eine große Macht, das Rätsel und der Sinn des Lebens, die dunkle Nacht an die das Leben gebunden ist".
Hartmut Krones schreibt:
Verbindendes Element der sechs Teile ist die Vertonung von Rilkes „0 Herr, gib jedem seinen eigenen Tod", das gleich zu Beginn erklingt und dann jeden weiteren Teil abschließt Ein dumpfer Ostinato leitet das Stück ein, dann entwickelt sich die Thematik und führt zu einem ersten verzweifelten Aufschrei, ehe das Geschehen wieder zu seinem Ausgangspunkt zurückführt „Denk es, o Seele" (Mörike) Ist die erste Nummer des „Sommers". Über Pizzicati der Streicher wird die Szenerie entwickelt, zunächst heiter, dann plötzlich in tragischer Umdeutung. Der „galoppierende“ Rhythmus der „schwarzen Rösslein" sorgt noch einmal für positive Aspekte, ehe schwere Akkordik die Symbolisierung des Leichenzuges mit Dramatik erfüllt „Winterlandschaft" (Hebbel) eröffnet den .Winter" mit einem statisch-gleichbleibenden Akkord, der die Szene wie in einen feinen Schleier hüllt hinter dem die Detailzeichnungen anheben. Mit der Darstellung der noch einmal blitzenden Sonne durch den Chor ist ein kurzer optimistischer Anklang gegeben, der jedoch bald endgültig strenger Klanglichkeit zu weichen hat Ebenfalls dem „Winter" entnommen sind „Am Ziele“ (Weinheber) und „Also ist aller Ende der Tod" (Thomas a Kempis). Die dreiteilige Form der ersten Nummer belebt Schiske durch symbolhaften Einsatz der Stimmgruppen des Chores, deren verschiedene Klangbereiche adäquate Ausdruckssphären erhalten; nahezu asketisch ist die zweite Nummer, die den Solotenor den lapidaren Text mit erschütterndem Ausdruck vortragen lässt „Die Posaune" (Weinheber) ist die erste Nummer des Epilogs und bildet gleichsam ein deutsches „Dies irae". eine Zeichnung des Jüngsten Gerichts. Mit scharfer Klanglichkeit, dramatischen Blockballungen und symbolhaften Anklängen an frühere Teile gestaltet der Komponist das Bild zur letzten negativen Szene des Werkes, ehe der Schlusschor „Wer immer strebend sich bemüht" (Goethe) für einen positiven Ausklang sorgt wobei dessen kontrapunktische Verwebung mit dem „O Herr, gib jedem seinen eignen Tod" wieder einmal Schiskes Vorliebe für eine resümierende Synthese zeigt.
ANMERKUNGEN ZUR DER NOCH NICHT AUF CD AUFGELEGTEN AUFNAHMEN MIT MILTIADES CARIDIS:
Eine Fast-Gesamtaufnahme, die leider in der so entscheidenden Entwicklung des Epilogs (m.E. keine treffende Bezeichnung für diesen krönenden Schlussteil) verstümmelt ist. Nach der noch aufgeführten "Die Posaune" von J.Weinheber (Nr.21) fehlen dann der "Chor der Toten" von C.F.Meyer (Nr.22), das "Requiem" von F.Hebbel (Nr.23) und von der Nr.24 das einleitende und durch einen starken Kontrapunkt ("Herr, erbarme Dich unser") verwandelte letzte "Herr, gib jedem seinen eignen Tod" von R.M.Rilke, dessen Schwanken zwischen (An)Klage und demütiger Bitte völlig schlüssig in das hoffnungsvolle abschließende "Wer immer strebend sich bemüht" von J.W.v.Goethe führt.
Zu Militades Caridis Ehrenrettung ist nochmals zu erwähnen, dass die gedruckte PARTITUR der UE-Ausgabe die hier nicht gespielten Nummern tatsächlich nicht aufweist. Im KLAVIERAUSZUG sind sie allerdings enthalten. Bei neuen Informationen zu diesem Umstand werde ich hier ergänzen.
Durch die Streichung von zweieinhalb Nummern erscheint bei Miltiades Caridis Aufführung Weinhebers apokalyptische "Die Posaune" als quasi Einleitung zum abschließenden "Wer immer strebend sich bemüht", was leider unpassend und als innere Entwicklung nicht logisch erscheint. Somit handelt es sich hier tatsächlich um eine fragmentarische Aufführung, da die wesentliche "kompositorische Kuppel" des Werks nicht sichtbar wird.
Von dieser Einspielung mit Caridis habe ich privat einen LP-to-CD Transfer erstellt (siehe Klangbeispiel auf klangrede.de), der einen Vorgeschmack auf eine offizielle CD-VÖ geben könnte.
Joachim Wagner