Meisterwerk eines Motown-Genius
"Genie" dieses überstrapazierte Wort, hier macht es Sinn! 1940 wurde in Detroit (Michigan, U.S.A.) William 'Smokey' Robinson geboren. Er sollte zu einem Universaltalent der Soul-Musik heranreifen und die Welt würde von ihm hören!
Als der, von seiner Familie Smokey gerufene, William Robinson mit seinen Highschool-Freunden eine Gesangsgruppe gründete, die zunächst als Amateur-Straßenchor auftrat, ahnte wohl kaum jemand, wie groß Smokeys Einfluss auf die Musik der 1960er, 1970er und 1980er Jahre einmal werden würde.
Smokey Robinson hat viele Talente: "Er ist ein begnadeter Song-Schreiber, dem die Einfälle nur so zufliegen, außerdem ist er ein Sänger mit elegantem Falsett, das die Klarheit und Weichheit eines Soprans annehmen kann ..." (Barry Graves und Siegfried Schmidt-Joos) und er hat einen ausgesprochenen Geschäftssinn. Das alles zusammen, verbunden mit dem Talent doppelbödige Song-Texte, mit überraschenden Wendungen, quasi aus dem Ärmel zu schütteln machte ihn schließlich zu einer Ikone der Musik-Szene.
Es war einer dieser Schicksalstage, Smokey und seine Gruppe (The Miracles) waren beim Manager des schwarzen Gesangsstars Jackie Wilson, "dieser gehörte neben Sam Cooke und Cliyde McPhatter zu einer neuen Generation schwarzer Sänger, die mit ihrem gospelgetönten Pop-Vokalstil den Übergang vom Rhythm & Blues der 1950er Jahre zum neuen Soul-Gesang der 1960er Jahre markierten ..." (Barry Graves und Siegfried Schmidt-Joos) und Wilsons Manager hatte kein Interesse an den Miracles, die ihm zu sehr nach The Platters klangen.
Frust! Im Vorzimmer dieses Managers wartete auch ein junger schwarzer Song-Schreiber, der schon mehrere Hits für Super-Star Jackie Wilson geschrieben hatte (u.a. Reet Petite +++ To Be Loved +++ Lonely Teardrops); dieser junge Mann, der außerdem Hobby-Boxer in der Fliegengewicht-Klasse war, interessierte sich für die Gruppe und für den Stapel Songtexte, den Smokey in der Hand hielt. Der Name dieses Mannes: Berry Gordy!
Schnell sprang der Funke über zwischen den beiden jungen Männern (es entwickelte sich daraus eine lebenslange enge Freundschaft). Berry Gordy sah sich die aufgeschriebenen Songs an und wusste Rat: Ein Song sollte einen vollständigen Gedanken enthalten und eine Geschichte erzählen, in der Zeit (damals meist etwa 3 Minuten), die für eine (Vinyl-Single-) Platte zur Verfügung steht. Smokey Robinson war von Berry Gordy und dessen pragmatischer Vorgehensweise genauso fasziniert, wie dieser von Smokey und dessen vielen Talenten. Eine magische Verbindung! Smokey hatte damals schon weit über 100 Songs verfasst, die er nirgends unterbringen konnte. Gordy ging sie mit ihm durch, zeigte ihm wo Änderungen nötig waren, um sie erfolgreich zu machen und es funktionierte!
Berry Gordys Zeit, als unabhängiger Song-Schreiber ging zu Ende, nachdem er einige Robinson-Songs erfolgreich an lokale Plattenlabel verkaufen konnte: Mit Smokeys Miracles als Vertragsgruppe gründete Berry Gordy MOTOWN RECORDS. Der Song 'Shop Around' der Miracles wurde zu einem der ersten Millionen-Erfolge des jungen MOTOWN-Labels und Smokey Robinson zum wesentlichen Antriebsfaktor der Company. Er regte u.a. das Engagement zukünftiger Hitmacher, wie The Supremes an und schrieb erfolgreiche Songs für die neuen MOTOWN-Stars, wie Mary Wells ('My Guy') und die Antwort darauf von den Temptations ('My Girl' sowie 'Get Ready').
Die Miracles (später: Smokey Robinson & The Miracles) wurden zu einer Stütze der jungen, überaus dynamischen, Detroiter Plattenfirma am West Grand Boulevard und lieferten mit You Really Got A Hold On Me +++ The Tracks Of My Tears +++ Going To A Go-Go +++ More Love +++ Ooo Baby Baby +++ Tears Of A Clown u.v.a. Hit auf Hit. Die Miracles bestanden aus Leadsinger Smokey Robinson, Bobby Rogers, Ronnie White, Pete Moore, Claudette Rogers und dem Gitarristen Marv Taplin. Smokey Robinson heiratete Claudette Rogers, diese wirkte ab ca. 1965 nur noch bei Plattenaufnahmen mit und verzichtete, nach einer Fehlgeburt, auf die Teilnahme an den anstrengenden Tourneen.
Zu Beginn seiner Gesangskarriere hatte Smokey ein entscheidendes Aha-Erlebnis. Damals sah er auf der Bühne Clyde McPhatter, den späteren Leadsänger der "Drifters". Der sang mit extrem hoher Stimme und machte dabei sein weibliches Publikum schier verrückt. Ab sofort genierte sich Smokey seiner eigenen hohen Stimmlage nie mehr.
Smokey war unentwegt beschäftigt: Wenn er nicht gerade Platten mit den Miracles aufnahm, komponierte und textete er Songmaterial für andere MOTOWN-Künstler (u.a. auch für The Marvelettes +++ Marvin Gaye +++ The Supremes +++ The Temptations). "Robinson gelangen einprägsame Beispiele eines sanften poetischen Rhythm & Blues, der banale Redewendungen der Alltagssprache mit ungewöhnlichen Gleichnissen anreicherte ..." (Barry Graves und Siegfried Schmidt-Joos). "People say I'm the life of the party, because I tell a joke or two, but although I may be laughin' loud and hearty, deep inside I'm blue" aus 'The Tracks Of My Tears'.
Smokey Robinson genoss das uneingeschränkte Vertrauen seines Freundes Berry Gordy und in Anerkennung seiner Leistungen und seines Geschäftssinns machte Gordy ihn zum MOTOWN-Vizepräsidenten (bei seiner Ernennung brach Robinson in Tränen aus).
1972 trennte sich Robinson von den Miracles, weil er sich ganz dem Komponieren von Songs, dem Produzieren von Musikaufnahmen und seinem Vize-Präsidenten-Job widmen wollte. An seine Stelle bei den Miracles trat William Griffith; die Gruppe konnte noch einige Zeit Erfolge feiern. Und als Smokey mal wieder einen Song fertig hatte, neckten ihn seine MOTOWN-Produzenten Kollegen damit niemand könne dieses Lied besser singen, als dessen Verfasser. Smokey Robinson ließ sich schließlich überreden und startete eine überaus erfolgreiche Solo-Karriere (Alben u.a. Smoke Signals und One Heartbeat).
Dass Smokey Robinson einige der komplexesten Arrangements schrieb steht bei Branchenkennern außer Frage und auch seine Texte haben immer "das gewisse Etwas". Bob Dylan sagte sogar: "Smokey Robinson sei wahrscheinlich Amerikas größter lebender Poet".
Zum Album/LP "Smokey Robinson & The Miracles - Going To A Go-Go"
Ein wunderbares, dance-orientiertes Album in bestem Stereo-Klang, das einem die Freuden-Tränen in die Augen treibt. Allein die Songs Going To A Go Go +++ Ooo Baby Baby +++ The Tracks Of My Tears +++ Choosey Beggar +++ Whole Lot Of Shakin' In My Heart +++ (Come 'Round Here) I'm The One You Need sind Jahrhundert-Werke der schwarzen Pop-Musik und würden den Kauf dieser, in ausgezeichnetem Remastering vorliegenden, LP bereits rechtfertigen. Aber auch die übrigens Songs sind Meisterwerke eines Multi-Talents, dem bis heute niemand das Wasser reichen kann.
Als Ergänzung empfehle ich die atemberaubend gut klingende Doppel-CD
"Smokey Robinson & The Miracles - Ooo Baby Baby The Anthology" (Motown CD 440 064 482-2).