Poem: Leonard Cohen in deutscher Sprache
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LP (Long Play)
Die gute alte Vinyl - Langspielplatte.
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- Label: Columbia, 2014
- Erscheinungstermin: 17.9.2014
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Als sich Leonard Cohen 2008 entschloss, nach einer langen Konzertpause noch einmal auf Tournee zu gehen, da war das ein Ereignis, welches weltweit Beachtung fand, ob im Züricher Hallenstadion oder im New Yorker Beacon Theater. Cohens über drei Stunden dauernde Konzerte brachten einen Musiker zurück auf die Bühne, der trotz (oder auch wegen) seiner Jahre in künstlerischer Hinsicht keine Vergleiche zu scheuen braucht. Nein, die Konzerte, die Cohen seitdem wieder regelmäßig spielt, sind ein Sonderfall in der Geschichte der Populären Musik. Hier wird Abend für Abend ein einmaliges Werk aufgeführt, das bis zum heutigen Tage nicht einen Deut an Bedeutung verloren hat, das lebt, atmet und sich ungebrochener Relevanz erfreut.
Das liegt zum Einen an Cohen selbst: Der Kanadier wird in diesem Jahr 80, doch die große Leidenschaft, Begeisterung und Authentizität, die offensichtliche Freude und Dankbarkeit, mit der der Sänger durch sein Werk führt, stünden vielen um Jahrzehnte jüngeren Vertretern seines Fachs gut zu Gesicht. Nicht zuletzt dieser Emphase, vor allem aber der musikalischen Grandezza, mit der Cohen und seine fantastischen Musiker diese Songs Abend für Abend aufs Neue zum Leben erwecken, ist es zu verdanken, dass in den vergangenen Jahren eine ganz neue Generation Zugang zu den künstlerischen Großtaten Leonard Cohens erhielt.
Zum anderen geht die ungebrochene Faszination von der Kohärenz der Musik und der Texte aus, die Cohens Liedern zugrunde liegt, und die sein Werk zu den ganz großen des 20. Jahrhunderts zählen lässt. Und so ist es nur konsequent, diese Großtaten auch jenseits der Originalversionen ähnlich zu behandeln wie die großen Werke der klassischen Musik. Dass dieses möglich ist, beweist eine überaus ambitionierte Zusammenstellung mit deutschsprachigen Versionen bekannter Cohen-Songs, für die der Autor und künstlerische Leiter Misha G. Schoeneberg einige der wichtigsten Cohen-Texte in jahrelanger Arbeit übersetzt hat. „Poem – Leonard Cohen in deutscher Sprache“ enthält 17 Cohen-Interpretationen von einigen der renommiertesten deutschen Musiker. Die beeindruckende Hommage erscheint am 19.09.2014 anlässlich des 80. Geburtstags von Leonard Cohen.
Die Faszination Leonard Cohen erschloss sich dem Berliner Autor, Übersetzer und Songschreiber bereits viele Jahrzehnte zuvor. Wie so vielen anderen öffnete sich auch dem Heranwachsenden Schoeneberg in den Sechzigerjahren durch die Musik der Rolling Stones und anderer ein neues Universum. Damals begann er, die Konzerte dieser Bands zu besuchen, ihre Musik, vor allem aber die Texte zu studieren. In besonderer Weise hatten es ihm die Alben von Leonard Cohen angetan: In den Siebzigern reiste er für Konzerte des Kanadiers durch die halbe Republik.
Besonders ist ihm aus dieser Zeit ein Konzert in Köln in Erinnerung geblieben: „Cohen stand auf der Bühne wie der Heilige auf dem Berg“, sagt Schoeneberg – der damals Zeuge einer einmaligen Inszenierung wurde, die er bis heute nicht vergessen hat. Schon damals war da aber auch die Frage: Was singt der da eigentlich? Die Bedeutung der Musik erschloss sich vor allem aus ihrer Attitüde, ihrem rebellischen Gestus und natürlich dem Sound. Schoeneberg aber wollte alles wissen.
Im Prinzip geht die Idee zu „Poem – Leonard Cohen“ tatsächlich auf diese Zeit zurück. In den folgenden Jahrzehnten lebte Schoeneberg in Goa, Indien, schrieb Texte für Rio Reiser, übernahm für Jahre gemeinsam mit Claudia Roth das Tour-Management von Ton Steine Scherben, veröffentlichte seinerseits ein Album, schrieb Bücher, begab sich als wissenschaftlicher Forscher nach Asien. Eine satte, mannigfaltige Biografie – deren große Konstante das Werk Leonard Cohens blieb. Selbst nicht religiös erzogen, hegte Schoeneberg stets eine große Sehnsucht, den Dingen auf den Grund zu gehen, auf der Suche nach Sinn und Wahrhaftigkeit. Und er teilt mit Cohen sowohl den familiären, kulturellen Background als auch die ernsthafte Beschäftigung mit fernöstlichen Philosophien. All das sieht er gespiegelt in Cohens Werk: Zweifel, Hoffnung, Liebe, Licht wie auch die Dunkelheit; vor allem aber: Wahrheit, keine Lüge.
Anfang der Neunziger entstand die Idee, die Songs von Leonard Cohen ins Deutsche zu übertragen und von Rio Reiser interpretieren zu lassen, damit auch dem Englischen weniger mächtige Zuhörer die volle Wirkungsmacht des cohenschen Werks erfahren könnten. Cohens Manager war hilfreich, es kam zu einem ersten Treffen mit dem Meister im Berliner Temprodrom am Rande eines Konzerts. „My publisher is Buddha. If he agrees, I agree too,“ sagte Cohen damals – „Buddha ist mein Verleger, wenn er nichts dagegen hat, hab ich auch nichts dagegen.“
Nun: „Buddha“ war offenbar einverstanden – Cohen meinte seinen damaligen Verleger Budde, der die Idee Schoenebergs unterstützte –, und so machte der Berliner sich ans Werk. Ein wahnwitziges Unterfangen, das ihn mit Unterbrechungen über zwanzig Jahre beschäftigt hat und bisweilen die eigenen Grenzen spüren ließ. Immer wieder spürte er in solchen Phasen die vermeintliche Unmöglichkeit, die ihm so wichtigen Texte Cohens überhaupt adäquat übersetzen zu können. Durch den tragischen Tod Rio Reisers und den jahrelangen Rückzug Leonard Cohens kam das Projekt ins Stocken, – trotzdem ist Schoeneberg immer wieder zu Cohen zurückgekehrt, bis heute hat er 50 Songs übersetzt.
Über die Jahre gab es immer wieder Anfragen in Bezug auf das Projekt und viele Mitstreiter machten sich um seinen Fortbestand verdient. Um einige seiner Übersetzungen endlich mit Leben zu füllen, erarbeitete Schoeneberg 2010 gemeinsam mit dem Musiker Max Prosa eine erste Aufnahme, die er ans Cohen-Management schickte und an das damalige Treffen im Tempodrom erinnerte. Eine Antwort hatte er kaum erwartet, aber keine 18 Stunden später kam eine Mail von Robert Kory. Der Cohen-Manager lobte Idee und Übersetzungen, und erneute die Kooperationsbereitschaft von damals.
Wie aber soll man so etwas übersetzen? Und warum überhaupt? Von Anfang an ging es Schoeneberg vor allem darum, häufige Missverständnisse in Werk und Rezeption Leonard Cohens aufzulösen: Diese oberflächliche Deutung Leonard Cohens als den ewigen „Ladies‘ Man“, die sehr viel mit seiner Stimme, seiner Körperlichkeit, seiner äußeren Erscheinung zu tun hat – und sehr wenig mit seinem eigentlichen Werk. Schoeneberg hingegen wollte die Ironie in diesem Werk aufspüren und nicht zuletzt auch die Frage beantworten, ob die Songs so groß sind, dass sie auch jenseits der Originalversionen und der cohenschen Inszenierungen Bestand haben. Mit einem Satz: Er wollte, dass dieses Werk überlebt wie die großen Werke der Klassischen Musik.
Kein einfaches Unterfangen: Nicht zuletzt Dr. Lutz Danneberg, Professor für Neue Deutsche Literatur an der Humboldt-Universität zu Berlin, vermittelte ihm in Philosophie und Praxis die Herausforderungen der poetischen Übersetzung. Das gesamte Wissen der Menschen basiert letztlich auf Übersetzungen. Sie sind voller Fehler und Missverständnisse. Es gibt keine Identität zwischen zwei Sprachen. Für internationale Verträge, zum Beispiel, ist das eine besondere Problematik. Doch auch für lyrische Übertragungen gilt: Die Unmöglichkeit einer Identität führt nicht ins Willkürliche, der Übersetzer ist nicht frei. Seine Arbeit ist ein permanentes Ringen um höchstmögliche Adäquatheit. Die Qualitätskriterien einer Übertragung sind die Form sowie die Nähe des Textes an der Intention des Dichters.
Schoeneberg hat sich durch all diese Probleme durchgekämpft. Jeder einzelne Song wurde am Ende wieder rückübersetzt und Cohen vorgelegt. Alle Übertragungen wurden vom ihm schließlich freigegeben. Eine Phase, in der Ulrike Alves Rocha vom Musikverlag Sony ATV ebenso große Unterstützung leistete wie Willy Ehmann von Sony Music.
Der größte Lohn für seine Beharrlichkeit war für Schoeneberg jedoch die Begeisterung jener Musiker, die schließlich für das Projekt gewonnen werden konnten und seine Übersetzungen endlich mit Leben füllten. Tatsächlich entstanden überragende Interpretationen des cohenschen Werks, die gleichermaßen von den sensiblen Übersetzungen Schoenebergs leben wie von der großen Emphase der beteiligten Künstler. Insgesamt 17 Songs wurden für das Projekt freigegeben. Sie werden interpretiert von einer generationsübergreifenden Gruppe renommierter deutschsprachiger Künstler aus allen Bereichen und Genres. Sie alle haben sich Cohens Songs angeeignet als wären es ihre eigenen – und so den Beweis für Schoenebergs alte These erbracht: Cohens Werk funktioniert auch als Interpretation.
Madsen machen den Opener: Ihre Version von „Hey, That’s No Way To Say Good-bye / Hey, das ist nicht der Tag zu gehen“ ist nah am 47 Jahre alten Original, die Musiker füllen es jedoch mit einer Zärtlichkeit und Emphase, die ihresgleichen sucht.
Mrs. Greenbird, das junge Duo, das mit seinem Debütalbum im letzten Jahr großen Erfolg feierte, interpretiert „So long Marianne / Leb wohl, Marianne“ ganz kunstvoll als kurzen Brief zum langen Abschied.
Anna Loos wählte sich „One Of Us Cannot Be Wrong / Einer von uns muss sich irren”, sie transponierte die rauchige Verlassenheit des Liedes auf eine einsame Wolke.
Tim Bendzko singt „Story Of Isaac / Geschichte Isaaks” in seinem intensiven Vortragsstil, die zeitlose Anklage der jungen Generation, in Sinnlosigkeit geopfert zu werden.
Max Prosa, dem es vergönnt war, als erster die deutsche Version von „Hallelujah“ in allen sieben veröffentlichten Strophen auf seinem Album „Rangoon“ zu singen, nimmt sich hier des Partisans („The Partisan“) an: Das Kampflied der Resistance, das Cohen selbst einst übersetzte.
Alin Coen feat. Johannes Kühn interpretiert “Joan Of Arc” auf ihre ganz eigene Art neu als aktuellen Beitrag zur Gender-Diskussion.
Reinhard Meys Version von „Famous Blue Raincoat / Sternblauer Trenchcoat“ verweist auf die Verbindung der deutschen Liedermacherszene zu den großen angloamerikanischen Singer-Songwritern . Mey, selbst ein großer Songschreiber, nähert sich Cohen mit der gebotenen Einfühlsamkeit, indes ohne übertriebene Ehrfurcht.
CÄTHE singt “Lover Lover Lover” in aller religiöser joplinscher Inbrunst, die diese Zwiesprache mit Gott erfordert.
Johannes Oerding singt sich in seinem hellen bluesigen Timbre den Schmerz aus der Seele: Wo ist meine Frau heut Nacht? „The Gypsy’s Wife / Die Frau des Wanderers“
Jan Plewka interpretiert „Dance Me To The End Of Love / Bis die Welt vergeht”, das Lied vom letzten Kuss im Angesicht des Todes, als würde die Band live dort an der Rampe spielen.
Hinter dem Bandnamen Beautiful Losers verbirgt sich niemand anderes als alle Beteiligten, die gemeinsam Cohens „Hallelujah“ singen. Die gewaltige, gravitätische Kraft des Originals bleibt bis zum heutigen Tage ungebrochen.
Peter Maffay (ihn im Reigen der Cohen-Interpreten zu sehen, ist vielleicht die größte Überraschung), wählte sich sehr bewusst „First We Take Manhattan / Zuerst also Manhattan“, den wohl härtesten Song im Werk Cohens. Er interpretiert das Lied mit grandiosem Furor und gewaltiger Durchschlagkraft.
Manfred Maurenbrecher singt in seiner unverkennbaren Art und Weise „Anthem / Hyme“, ein ganz subtil-geniales Arrangement.
Fehlfarben nehmen sich das dunkle, wütend-politische „Democracy / Gerechtigkeit“ von Cohens Meisterwerk „The Future“ vor. Über zwanzig Jahre alt, doch hochaktuell.
Stefan Waggershausen „Alexandra Leaving / Alexandra geht” beklagt gefasst und klar den Verlust von Alexandra, das Ende aller Liebe.
Nina Hagen interpretiert „By The River Dark / Am dunklen Fluss“’ in voller Hingabe. Das Lied scheint auf sie zugeschnitten: Lebt die Wahrheit, singt den alten Song, wenn ich vergesse: Es ist Babylon!
Suzanna feat. Karsten Troyke, ein Duo aus der jüdischen Szene Berlins, gibt mit „Undertow / Der Sog“ den Ausklang des Albums.
Tatsächlich: Den Musikern gelang es, das Werk Leonard Cohens in seiner eigentlichen Bedeutung frei von Kitsch und Pathos in neuem Glanz erstrahlen zu lassen. „Poem – Leonard Cohen in deutscher Sprache“ interpretiert nicht einen romantischen Schmusesänger, sondern Leonard Cohen, den großen Poeten, Visionär und Songschreiber. Die Geschichte bleibt lebendig, Leonard Cohen passiert genau: jetzt.
Das liegt zum Einen an Cohen selbst: Der Kanadier wird in diesem Jahr 80, doch die große Leidenschaft, Begeisterung und Authentizität, die offensichtliche Freude und Dankbarkeit, mit der der Sänger durch sein Werk führt, stünden vielen um Jahrzehnte jüngeren Vertretern seines Fachs gut zu Gesicht. Nicht zuletzt dieser Emphase, vor allem aber der musikalischen Grandezza, mit der Cohen und seine fantastischen Musiker diese Songs Abend für Abend aufs Neue zum Leben erwecken, ist es zu verdanken, dass in den vergangenen Jahren eine ganz neue Generation Zugang zu den künstlerischen Großtaten Leonard Cohens erhielt.
Zum anderen geht die ungebrochene Faszination von der Kohärenz der Musik und der Texte aus, die Cohens Liedern zugrunde liegt, und die sein Werk zu den ganz großen des 20. Jahrhunderts zählen lässt. Und so ist es nur konsequent, diese Großtaten auch jenseits der Originalversionen ähnlich zu behandeln wie die großen Werke der klassischen Musik. Dass dieses möglich ist, beweist eine überaus ambitionierte Zusammenstellung mit deutschsprachigen Versionen bekannter Cohen-Songs, für die der Autor und künstlerische Leiter Misha G. Schoeneberg einige der wichtigsten Cohen-Texte in jahrelanger Arbeit übersetzt hat. „Poem – Leonard Cohen in deutscher Sprache“ enthält 17 Cohen-Interpretationen von einigen der renommiertesten deutschen Musiker. Die beeindruckende Hommage erscheint am 19.09.2014 anlässlich des 80. Geburtstags von Leonard Cohen.
Die Faszination Leonard Cohen erschloss sich dem Berliner Autor, Übersetzer und Songschreiber bereits viele Jahrzehnte zuvor. Wie so vielen anderen öffnete sich auch dem Heranwachsenden Schoeneberg in den Sechzigerjahren durch die Musik der Rolling Stones und anderer ein neues Universum. Damals begann er, die Konzerte dieser Bands zu besuchen, ihre Musik, vor allem aber die Texte zu studieren. In besonderer Weise hatten es ihm die Alben von Leonard Cohen angetan: In den Siebzigern reiste er für Konzerte des Kanadiers durch die halbe Republik.
Besonders ist ihm aus dieser Zeit ein Konzert in Köln in Erinnerung geblieben: „Cohen stand auf der Bühne wie der Heilige auf dem Berg“, sagt Schoeneberg – der damals Zeuge einer einmaligen Inszenierung wurde, die er bis heute nicht vergessen hat. Schon damals war da aber auch die Frage: Was singt der da eigentlich? Die Bedeutung der Musik erschloss sich vor allem aus ihrer Attitüde, ihrem rebellischen Gestus und natürlich dem Sound. Schoeneberg aber wollte alles wissen.
Im Prinzip geht die Idee zu „Poem – Leonard Cohen“ tatsächlich auf diese Zeit zurück. In den folgenden Jahrzehnten lebte Schoeneberg in Goa, Indien, schrieb Texte für Rio Reiser, übernahm für Jahre gemeinsam mit Claudia Roth das Tour-Management von Ton Steine Scherben, veröffentlichte seinerseits ein Album, schrieb Bücher, begab sich als wissenschaftlicher Forscher nach Asien. Eine satte, mannigfaltige Biografie – deren große Konstante das Werk Leonard Cohens blieb. Selbst nicht religiös erzogen, hegte Schoeneberg stets eine große Sehnsucht, den Dingen auf den Grund zu gehen, auf der Suche nach Sinn und Wahrhaftigkeit. Und er teilt mit Cohen sowohl den familiären, kulturellen Background als auch die ernsthafte Beschäftigung mit fernöstlichen Philosophien. All das sieht er gespiegelt in Cohens Werk: Zweifel, Hoffnung, Liebe, Licht wie auch die Dunkelheit; vor allem aber: Wahrheit, keine Lüge.
Anfang der Neunziger entstand die Idee, die Songs von Leonard Cohen ins Deutsche zu übertragen und von Rio Reiser interpretieren zu lassen, damit auch dem Englischen weniger mächtige Zuhörer die volle Wirkungsmacht des cohenschen Werks erfahren könnten. Cohens Manager war hilfreich, es kam zu einem ersten Treffen mit dem Meister im Berliner Temprodrom am Rande eines Konzerts. „My publisher is Buddha. If he agrees, I agree too,“ sagte Cohen damals – „Buddha ist mein Verleger, wenn er nichts dagegen hat, hab ich auch nichts dagegen.“
Nun: „Buddha“ war offenbar einverstanden – Cohen meinte seinen damaligen Verleger Budde, der die Idee Schoenebergs unterstützte –, und so machte der Berliner sich ans Werk. Ein wahnwitziges Unterfangen, das ihn mit Unterbrechungen über zwanzig Jahre beschäftigt hat und bisweilen die eigenen Grenzen spüren ließ. Immer wieder spürte er in solchen Phasen die vermeintliche Unmöglichkeit, die ihm so wichtigen Texte Cohens überhaupt adäquat übersetzen zu können. Durch den tragischen Tod Rio Reisers und den jahrelangen Rückzug Leonard Cohens kam das Projekt ins Stocken, – trotzdem ist Schoeneberg immer wieder zu Cohen zurückgekehrt, bis heute hat er 50 Songs übersetzt.
Über die Jahre gab es immer wieder Anfragen in Bezug auf das Projekt und viele Mitstreiter machten sich um seinen Fortbestand verdient. Um einige seiner Übersetzungen endlich mit Leben zu füllen, erarbeitete Schoeneberg 2010 gemeinsam mit dem Musiker Max Prosa eine erste Aufnahme, die er ans Cohen-Management schickte und an das damalige Treffen im Tempodrom erinnerte. Eine Antwort hatte er kaum erwartet, aber keine 18 Stunden später kam eine Mail von Robert Kory. Der Cohen-Manager lobte Idee und Übersetzungen, und erneute die Kooperationsbereitschaft von damals.
Wie aber soll man so etwas übersetzen? Und warum überhaupt? Von Anfang an ging es Schoeneberg vor allem darum, häufige Missverständnisse in Werk und Rezeption Leonard Cohens aufzulösen: Diese oberflächliche Deutung Leonard Cohens als den ewigen „Ladies‘ Man“, die sehr viel mit seiner Stimme, seiner Körperlichkeit, seiner äußeren Erscheinung zu tun hat – und sehr wenig mit seinem eigentlichen Werk. Schoeneberg hingegen wollte die Ironie in diesem Werk aufspüren und nicht zuletzt auch die Frage beantworten, ob die Songs so groß sind, dass sie auch jenseits der Originalversionen und der cohenschen Inszenierungen Bestand haben. Mit einem Satz: Er wollte, dass dieses Werk überlebt wie die großen Werke der Klassischen Musik.
Kein einfaches Unterfangen: Nicht zuletzt Dr. Lutz Danneberg, Professor für Neue Deutsche Literatur an der Humboldt-Universität zu Berlin, vermittelte ihm in Philosophie und Praxis die Herausforderungen der poetischen Übersetzung. Das gesamte Wissen der Menschen basiert letztlich auf Übersetzungen. Sie sind voller Fehler und Missverständnisse. Es gibt keine Identität zwischen zwei Sprachen. Für internationale Verträge, zum Beispiel, ist das eine besondere Problematik. Doch auch für lyrische Übertragungen gilt: Die Unmöglichkeit einer Identität führt nicht ins Willkürliche, der Übersetzer ist nicht frei. Seine Arbeit ist ein permanentes Ringen um höchstmögliche Adäquatheit. Die Qualitätskriterien einer Übertragung sind die Form sowie die Nähe des Textes an der Intention des Dichters.
Schoeneberg hat sich durch all diese Probleme durchgekämpft. Jeder einzelne Song wurde am Ende wieder rückübersetzt und Cohen vorgelegt. Alle Übertragungen wurden vom ihm schließlich freigegeben. Eine Phase, in der Ulrike Alves Rocha vom Musikverlag Sony ATV ebenso große Unterstützung leistete wie Willy Ehmann von Sony Music.
Der größte Lohn für seine Beharrlichkeit war für Schoeneberg jedoch die Begeisterung jener Musiker, die schließlich für das Projekt gewonnen werden konnten und seine Übersetzungen endlich mit Leben füllten. Tatsächlich entstanden überragende Interpretationen des cohenschen Werks, die gleichermaßen von den sensiblen Übersetzungen Schoenebergs leben wie von der großen Emphase der beteiligten Künstler. Insgesamt 17 Songs wurden für das Projekt freigegeben. Sie werden interpretiert von einer generationsübergreifenden Gruppe renommierter deutschsprachiger Künstler aus allen Bereichen und Genres. Sie alle haben sich Cohens Songs angeeignet als wären es ihre eigenen – und so den Beweis für Schoenebergs alte These erbracht: Cohens Werk funktioniert auch als Interpretation.
Madsen machen den Opener: Ihre Version von „Hey, That’s No Way To Say Good-bye / Hey, das ist nicht der Tag zu gehen“ ist nah am 47 Jahre alten Original, die Musiker füllen es jedoch mit einer Zärtlichkeit und Emphase, die ihresgleichen sucht.
Mrs. Greenbird, das junge Duo, das mit seinem Debütalbum im letzten Jahr großen Erfolg feierte, interpretiert „So long Marianne / Leb wohl, Marianne“ ganz kunstvoll als kurzen Brief zum langen Abschied.
Anna Loos wählte sich „One Of Us Cannot Be Wrong / Einer von uns muss sich irren”, sie transponierte die rauchige Verlassenheit des Liedes auf eine einsame Wolke.
Tim Bendzko singt „Story Of Isaac / Geschichte Isaaks” in seinem intensiven Vortragsstil, die zeitlose Anklage der jungen Generation, in Sinnlosigkeit geopfert zu werden.
Max Prosa, dem es vergönnt war, als erster die deutsche Version von „Hallelujah“ in allen sieben veröffentlichten Strophen auf seinem Album „Rangoon“ zu singen, nimmt sich hier des Partisans („The Partisan“) an: Das Kampflied der Resistance, das Cohen selbst einst übersetzte.
Alin Coen feat. Johannes Kühn interpretiert “Joan Of Arc” auf ihre ganz eigene Art neu als aktuellen Beitrag zur Gender-Diskussion.
Reinhard Meys Version von „Famous Blue Raincoat / Sternblauer Trenchcoat“ verweist auf die Verbindung der deutschen Liedermacherszene zu den großen angloamerikanischen Singer-Songwritern . Mey, selbst ein großer Songschreiber, nähert sich Cohen mit der gebotenen Einfühlsamkeit, indes ohne übertriebene Ehrfurcht.
CÄTHE singt “Lover Lover Lover” in aller religiöser joplinscher Inbrunst, die diese Zwiesprache mit Gott erfordert.
Johannes Oerding singt sich in seinem hellen bluesigen Timbre den Schmerz aus der Seele: Wo ist meine Frau heut Nacht? „The Gypsy’s Wife / Die Frau des Wanderers“
Jan Plewka interpretiert „Dance Me To The End Of Love / Bis die Welt vergeht”, das Lied vom letzten Kuss im Angesicht des Todes, als würde die Band live dort an der Rampe spielen.
Hinter dem Bandnamen Beautiful Losers verbirgt sich niemand anderes als alle Beteiligten, die gemeinsam Cohens „Hallelujah“ singen. Die gewaltige, gravitätische Kraft des Originals bleibt bis zum heutigen Tage ungebrochen.
Peter Maffay (ihn im Reigen der Cohen-Interpreten zu sehen, ist vielleicht die größte Überraschung), wählte sich sehr bewusst „First We Take Manhattan / Zuerst also Manhattan“, den wohl härtesten Song im Werk Cohens. Er interpretiert das Lied mit grandiosem Furor und gewaltiger Durchschlagkraft.
Manfred Maurenbrecher singt in seiner unverkennbaren Art und Weise „Anthem / Hyme“, ein ganz subtil-geniales Arrangement.
Fehlfarben nehmen sich das dunkle, wütend-politische „Democracy / Gerechtigkeit“ von Cohens Meisterwerk „The Future“ vor. Über zwanzig Jahre alt, doch hochaktuell.
Stefan Waggershausen „Alexandra Leaving / Alexandra geht” beklagt gefasst und klar den Verlust von Alexandra, das Ende aller Liebe.
Nina Hagen interpretiert „By The River Dark / Am dunklen Fluss“’ in voller Hingabe. Das Lied scheint auf sie zugeschnitten: Lebt die Wahrheit, singt den alten Song, wenn ich vergesse: Es ist Babylon!
Suzanna feat. Karsten Troyke, ein Duo aus der jüdischen Szene Berlins, gibt mit „Undertow / Der Sog“ den Ausklang des Albums.
Tatsächlich: Den Musikern gelang es, das Werk Leonard Cohens in seiner eigentlichen Bedeutung frei von Kitsch und Pathos in neuem Glanz erstrahlen zu lassen. „Poem – Leonard Cohen in deutscher Sprache“ interpretiert nicht einen romantischen Schmusesänger, sondern Leonard Cohen, den großen Poeten, Visionär und Songschreiber. Die Geschichte bleibt lebendig, Leonard Cohen passiert genau: jetzt.
- Tracklisting
- Mitwirkende
LP
- 1 Hey, das ist nicht der Tag zu geh'n
- 2 Leb wohl, Marianne
- 3 Einer von uns muss sich irren
- 4 Der Partisan
- 5 Geschichte Isaaks
- 6 Joan of Arc
- 7 Sternblauer Trenchcoat
- 8 Lover Lover Lover
- 9 Die Frau des Wanderers
LP
- 1 Küss mich bis die Welt vergeht
- 2 Hallelujah
- 3 Zuerst also Manhattan
- 4 Hymne
- 5 Gerechtigkeit
- 6 Alexandra geht
- 7 Am dunklen Fluss
- 8 Der Sog