"Great American Painting" steht für Transparenz und Vielfalt im Rock & Roll.
Immer wieder zeigen neue Bands auf, dass die Wirkung des Rock & Roll als treibende Kraft in der populären Musik ungebrochen ist. The Districts gibt es zwar schon seit 2009, sie haben sich aber eine Frische bewahrt, die sie wie eine junge, neugierige, von ihrer Musik begeisterte Kapelle klingen lässt.
"Great American Painting" erscheint am 11. März 2022 und ist das fünfte Album der vom Quartett zum Trio geschrumpften Gruppe aus Lititz in Pennsylvania, die jetzt in Philadelphia lebt. Die Aufnahmen machen deutlich, dass der Rock & Roll nicht tot ist. Er riecht heutzutage nicht immer nach Schweiß, strotzt bei Bedarf jedoch vor Energie, ist aber auch für den einen oder anderen Ohrwurm gut.
Mal elastisch wie Gummibänder und mal klirrend wie splitterndes Glas klingen die E-Gitarren bei "Revival Psalm". Die Rhythmus-Abteilung verbreitet dazu einen lockeren und dabei stabilen Groove. Leiht etwa Andy Partridge von XTC dem Song seine Stimmbänder? Macht er nicht, denn der Gesang gehört dem Frontmann Rob Grote, der dem Titel einen eigenwilligen New Wave-Schliff verleiht.
Beim Anti-Waffengewalt-Song "No Blood" vermischt sich die bissige Schärfe von "Killing An Arab" (The Cure) mit dem unwiderstehlichen Charme von "Make Me Smile (Come Up And See Me)" (Steve Harley & Cockney Rebel) zu einem herausfordernden alternativen Rocker. "Ich schrieb diesen Song als Katharsis mit der Idee, dass keine Waffe und keine Gewalt jemals die Wahrheit und ihre zugehörige Kraft beseitigen kann", erklärt Grote seine Beweggründe für dieses Lied.
"Do It Over" ist die Power-Ballade des Albums. Die vom Gesang eingebrachte Sentimentalität wird vom aktiven Rhythmus aufgerüttelt und über die silbrigen Gitarren miteinander verknüpft, so dass sie nicht zu süßlich erscheint. Rob Grote erklärt den Track so: "Dieser Song hat mehrere Ebenen von Bedeutung für mich. Da wäre die persönliche Seite übers Älterwerden und Rückblicken, wenn man darüber nachdenkt, wie man gewisse Sachen anders hätte handhaben können. Und dann wäre da eine andere Ebene, die sich damit beschäftigt, wie wir unsere Umwelt und den wunderschönen Planeten, auf dem wir leben, zerstören. Der Song fragt: Hätten wir das anders lösen können, ohne die Erde und uns gegenseitig auszunutzen?"
Rob Grote wandelt die überschwängliche Energie von "White Devil" durch seine souverän ausgleichende Stimme in hemmungslosen Power-Pop-Schwung um, bevor ein weitläufiger Steel-Guitar-Mittelteil einen sphärischen Country-Rock entstehen lässt. Danach nimmt der Song wieder ordentlich Fahrt auf.
"Long End" lädt dann zum entspannten Fahren durch weite, verlassene Landschaften ein. Sich kreuz und quer gedankenverloren in gemäßigtem Tempo fortzubewegen scheint die perfekte Einsatzmöglichkeit für den entspannt-locker swingenden Song mit dem nach vorn gemischtem, schleifendem Rhythmus zu sein. Der Puls des Tracks ist dabei im unteren Bereich angesiedelt und die Klänge geben einen Herzschlag vor, der sich im Normbereich befindet. Das ist Cruiser-Rock par excellence.
Der monotone Takt kommt bei "Outlaw Love" von der Bass-Trommel des Schlagzeugs, nicht aus dem Computer. Trotzdem führt das zu einem technisch-mechanischen Reiz, der noch durch andere gleichbleibende Drum-Figuren variiert wird. Der Song bekommt als Gegengewicht dazu einträchtig-wohlige Signale über harmonischen Background-Gesang. Das Konstrukt führt allerdings zu einer undifferenzierten Gemengelage. Gut, dass dann noch ein paar raue Gitarrenakkorde auftauchen, die den zwiespältigen Eindruck dieses Stückes aber nicht gänzlich retten. Interessant ist der gedankliche Aufhänger für das Stück: "Der Song handelt davon, die Vergangenheit neu zu bewerten, um dabei zu realisieren, wie sehr unsere Wahrnehmung von bestimmten Erfahrungen und Überzeugungen geprägt ist. Wer hatte recht und wer lag falsch? War es Liebe oder nur ein Netz aus Lügen?"
"Hover" macht sich zunächst durch verzerrte, harte, jaulende Gitarren bemerkbar, atmet dann ausgleichende Pop-Harmonie, wobei sich das Wilde nicht verdrängen lässt und ständig präsent bleibt. Eine roboterhafte Erscheinung liegt der Taktgestaltung von "I Want To Feel It All" zu Grunde, die im Hintergrund die Kontrolle übernimmt. Der Gesang hat Schnappatmung und die Elektronik lässt Traumreisen als beruhigende Klangmodelle entstehen. "Ich habe diesen Song inspiriert von LSD in einem dunklen Wald im Staat Washington unter einem Vulkan geschrieben. Es geht darum, alles Mögliche auf einmal zu fühlen, um emotionale Feuerwerke und Explosionen und das Universum und jeden darin zu lieben. Aber es geht auch um den Tod und die Dunkelheit, die Existenz und Vergebung, den Schmerz und die Akzeptanz", erklärt Grote die Hintergründe des Liedes.
Dumpf-bedrohliche, monotone Trommeln und helle, freundlich klingende Akustik-Gitarren zeigen bei "On Our Parting My Beloved" Gegensätze auf, die auch das wahre Leben prägen: Freude und Leid liegen da oft dicht beieinander.
Der Rock & Roll ist stetig im Wandel. Rebellion findet heute nicht mehr unbedingt auf der Straße oder im Übungskeller, sondern zwischen den Ohren oder im Heimstudio statt. Intelligente Aufklärung ist jetzt wichtiger als bloße Provokation, stilistische Öffnung und Anpassungen stellen die Fans vor neue Herausforderungen. Das führt dazu, dass sich die Musik nicht in feste Schubladen einordnen lässt. Das ist der Weg, den The Districts gehen. Gut so! Ein "Great American Painting" kann sowohl Polizeigewalt, Drogenproblematik oder Waffenverherrlichung darstellen, aber auch beeindruckende Landschaften und starke Persönlichkeiten zeigen.
The Districts, bestehend aus Rob Grote (Gesang, Gitarre), Pat Cassidy (Gitarre) und Braden Lawrence (Schlagzeug) sind unwiderstehlich, wenn sie Garagen-Rock, Power-Pop und Punk mit Hingabe zusammenführen. Dann sprudelt das Temperament über und der Rock & Roll zeigt, wie lebendig er ist.
Das Trio wollte mit "Great American Painting" den Raum innerhalb der Songs ausweiten, um jedes Instrument klar abgegrenzt zu Gehör zu bringen und dabei eine unbeeinflusste Musik-Collage erschaffen. Klangliche Transparenz und musikalische Vielfalt sind also die ausgeprägten Tugenden von "Great American Painting", die dem Album einen jugendlich-lebendigen Ausdruck verleihen.