Aus einer beklemmenden Ausnahmesituation entsteht ein kreativer Höhenflug: Teresa Bergman öffnet mit "33, Single & Broke" ein Füllhorn an ideenreichen, hochkarätigen Songs.
Was für eine ernüchternde Bilanz. Es ist nicht unbedingt katastrophal, mit 33 Jahren noch oder wieder Single zu sein, aber es ist besorgniserregend, wenn man sich ausgelaugt, pleite, vielleicht ausgenutzt oder kaputt fühlt. Genau das ist der neuseeländischen Wahlberlinerin passiert: Die Pandemie nahm ihr die öffentliche Arbeit als Musikerin und zeitgleich musste sie eine Trennung verarbeiten - eine erschütternde Kombination.
Statt sich jedoch in Selbstmitleid zu suhlen, wandelte Teresa Bergmann ihre Enttäuschung in kreative Energie um. Sie inszeniert sich in ironisch-lustigen Videos als eine Protagonistin, die optisch an die oft missverstandene französische Königin Marie Antoinette angelehnt ist. Für ihr drittes Album "33, Single & Broke" schlüpft dieser Charakter sozusagen in ihre Rolle, so dass die persönliche Situation der leidenschaftlichen Straßenmusikerin quasi von außen als Beobachterin auf die Songs projiziert wurde. Befindlichkeiten, der Druck aufgrund gesellschaftlicher Konventionen und intime Gefühle konnten auf diese Weise ehrlich und ungefiltert verarbeitet werden.
Im Opener "Swallow" stellt sich Teresa Bergman der Frage, die jede Frau irgendwann einmal für sich beantworten muss: "Kann oder sollte ich das ungebundene Single-Leben gegen das der Rolle einer Ehefrau und/oder Mutter eintauschen? Wie gehe ich mit der gesellschaftlichen Erwartungshaltung um, die ein vorgefertigtes Bild davon, was eine Frau mit Anfang 30 erreicht haben sollte, als Leitlinie vorgibt? Diese zweifelnde Einschätzung wird durch die erste Textzeile verdeutlicht: "Kann ein Haus ein Zuhause sein, wenn man nicht ein Nest baut?" Die A Cappella-Einleitung schärft dabei die Aufmerksamkeit, so dass der muntere Pop-Jazz danach leichtes Spiel hat, um die Hörerschaft leichtfüßig mit der opulenten Eleganz klassischer Broadway-Musicals und gelegentlichen humorvollen Abstechern ins Arien-Fach um den Finger zu wickeln. Der umtriebige Song vereint dabei in etwa die Ausdruckskraft der Stimmen von Liza Minelli und Kate Bush in sich.
Das am filigran verschachtelten Westcoast-Folk der endsechziger Jahre geschulte "33, Single & Broke" transformiert seine allgegenwärtige Melancholie über eine wohlig-anschmiegsame, intime Stimmung mit gelegentlichen temperamentvollen Ausflügen.
In "So Many Men" geht es um das Dating-Verhalten von Männern: Sie prahlen, sie überschütten mit Komplimenten und Versprechungen - sie übertreiben und lügen, um ans Ziel zu kommen. Und wenn es ernst wird, sind sie wieder weg. Soweit die Erfahrungen oder Einschätzungen von Teresa alias Marie Antoinette. Ein groovender, federnd-entschlossener Latin-Jazz-Rock bildet den Soundtrack für diese Beurteilung der modernen Partnersuche, die prickelnd oder ernüchternd sein oder im besten Fall verheißungsvoll enden kann.
Als in der griechischen Mythologie "Pandora" aus Neugier eine Büchse öffnet, die ihrem Mann zur Aufbewahrung überlassen wurde, verbreiteten sich alle möglichen Übel, die darin gefangen waren, über die Erde. So auch die Angst, der sich die Protagonistin in dieser Ballade entgegenstellt, indem sie verkündet: "Monster sind dazu da, um sich von ihnen zu ernähren." Das Stück beginnt zunächst als sensible Ballade mit zerbrechlichen Akustik-Gitarren- und Piano-Tönen, die sich als empfindsame Begleiter herausstellen. Es gibt später auch noch leidenschaftlich flehende Passagen, die das Gefühls-Spektrum in Richtung Dramatik ausweiten.
"Aaron" hat ein Herz gebrochen: "Aaron, du bist eine Moll-Taste. Du nahmst die Liebe, die uns besser machte. Und hast sie in etwas Bitteres und Fremdes verwandelt." Das Lied verbreitet trotz dieser bedrückenden Ausgangssituation eine überlegene, geschmeidige Pop-Brillanz, wie sie sonst gegenwärtig wohl nur noch von Aimee Mann oder A Girl Called Eddy entworfen werden kann. Das ist reife Komponier- und Arrangier-Kunst in Vollendung. Ergreifend und schön.
Und danach folgt noch eine gescheiterte Beziehungsgeschichte, die zu der Frage führt: "Wann wirst Du Dich selbst genug lieben, um jemand anderen lieben zu können?". Teresa und ihre bewährten, exzellenten Band-Kollegen Matt Paull (Keyboards), Tobias Kabiersch (Bass) und Pier Ciaccio (Schlagzeug, Percussion) erzeugen für "Collateral Damage" einen flexibel aufgebauten Power-Pop-Sound mit einer rauschenden Southern-Soul-Orgel-Basis, bei dem Teresas anpassungsfähige Stimme prominent in den Mittelpunkt gestellt wird.
Der leise, zurückhaltende, demütige Folk-Jazz von "Checkout Tears" ist laut Aussage der im Berliner Wedding beheimateten Teresa Bergman ein Lied über das Weinen im Supermarkt im Speziellen und das Loslassen im Allgemeinen. "Tears And Time" ist dem Freund Nummer siebenunddreißigeinhalb gewidmet. Das Lied klingt gut gelaunt, zapft Skiffle- und Oldtime-Jazz-Elemente an, hört sich aber dennoch nach flockigem Folk-Pop an.
"Whatever That Was" beinhaltet ein einminütiges Fragment mit improvisiertem Übungsraum-Charakter, das erst noch ein richtiger Song werden soll. Dieses Stadium hat "Old Timer" lange hinter sich gelassen. Das perfekt eingespielte, märchenhafte Stück wurde mit einer warmen Ausstrahlung versehen. Das Tirilieren der Stimme versprüht jedoch eine klebrige Zuckerlösung, die das Lied zu glatt und süßlich erscheinen lässt.
"Nearly You" kommt ganz ohne instrumentellen Beistand aus. Teresa Bergman zieht alleine durch ihre strahlende Persönlichkeit und ihren einnehmenden, ausgeglichenen, klaren Gesang alle Aufmerksamkeit auf sich und schafft von leichter Hand eine Atmosphäre der Sicherheit und Geborgenheit. Wie bei einem lauschigen, in sich gekehrten Wiegenlied.
"33, Single & Broke" ist das dritte Album der in Neuseeland geborenen und aktuell in Berlin lebenden Künstlerin und erfährt gegenüber dem sehr guten Vorgänger "Apart" aus 2019 noch eine Steigerung. Das neue Werk ist auf erstaunliche Weise sowohl leicht zugänglich wie auch niveauvoll. Eine Kombination, die eigentlich großen kommerziellen Erfolg verspricht. Dazu kommt noch, dass Teresa Bergman über eine herausragende, anpassungsfähige, mächtige und gefühlsechte Stimme verfügt, die sämtliche Kompositionen adelt.
Die Künstlerin scheint nur noch einen Wimpernschlag vom internationalen oder nationalen Durchbruch entfernt zu sein. Ihr fehlt eigentlich nur noch der entscheidende Fernsehauftritt, die Berücksichtigung in einem Soundtrack oder das Quäntchen Glück, das manchmal die Steine ins Rollen bringt. "33, Single & Broke" hat zumindest das Format, um im Vergleich zu anderen, berühmteren Musikerinnen locker zu bestehen, weil die Platte clever und unterhaltsam zugleich dargeboten wird.