"Terribly Good" bietet energische Girl-Power, die mitreißend, melodisch und voll innerer Spannung in Szene gesetzt wird.
Wo sind sie geblieben, die peppigen, erfrischenden, engagierten Bands, bei denen Frauen dringlich und selbstbewusst den Ton angeben, wie bei The B-52`s, Blondie, The Go-Go`s, The Bangles, The Donnas oder den Pretenders? Sie sind völlig zu Unrecht aus der Mode gekommen. Das ist bedauerlich, denn Musikerinnen, die schon alleine mit ihrem Temperament statt nur mit schierer stimmlicher Gewalt (wie z.B. Whitney Houston oder Adele) auftrumpfen, haben sich stets als nachhaltig vitalisierende Unterhaltungs-Künstlerinnen herausgestellt.
Die Kanadierin Skye Wallace weiß genau, wie man schwungvoll-vitalisierendes Material, das zwischen Pop und Rock angesiedelt ist, attraktiv in Szene setzt. Textlich dreht sich bei "Terribly Good" vieles um den Selbstfindungsprozess der jungen Frau. "Am Anfang war ich spröde, da war ich in meiner schlimmsten Phase...Habe mich selbst zerfleischt", heißt es im Eröffnungsstück "Tooth And Nail". Aber aufgeben kommt nicht in Frage, der Wunsch nach Veränderung hat oberste Priorität. Dieser entschlossene Kampfeswille findet sich auch im Aggressionspotential der Musik wieder: Trockene und scharfe Hard-Rock-Riffs leiten "Tooth And Nail" ein und bald darauf übernimmt Skye Wallace die Kontrolle, feuert das Stück durch sich steigernden zupackenden Gesang kräftig an, nimmt sich zurück und startet erneut eine Erregungs-Offensive. Die Rhythmus-Fraktion sorgt ständig für Bodenhaftung und variiert die Dynamik, so dass ein robuster und gleichzeitig flexibler Eindruck entsteht.
Manchmal treten im Leben Zweifel auf, ob das eigene Durchhaltevermögen ausreicht, um festgefahrene Zustände ändern zu können. Diese Skepsis führt im schlimmsten Fall zu weiterem Verdruss. Davon handelt "The Doubt". Der Song knüpft hinsichtlich seiner unverbrauchten Frische an den Vorgänger an und präsentiert sich als reizender New Wave-Song, bei dem die Eingängigkeit präsenter als die Eigenwilligkeit ist.
Vielleicht hilft es, in komplizierten, verwirrenden Zeiten einfach auf Zweckoptimismus zu setzen, wie in "Everything Is Fine" beschrieben. Der angenehme Soft-Pop wird in Funken sprühende und scharf angeschlagene Gitarren-Kaskaden gehüllt, die den Track aus der romantischen Kuschel-Ecke ins pralle Leben holen.
Es ist schwer, zu sich selbst entwaffnend ehrlich zu sein, denn dann muss man sich auch schonungslos mit den eigenen Schwächen und Fehlern auseinandersetzen und das kann weh tun. Dieses über den eigenen Schatten springen ist in etwa die Botschaft hinter "Truth Be Told". Der Track läuft zunächst ausgeglichen-friedvoll ab, entwickelt sich jedoch schließlich noch zum druckvollen Rocker, dessen Energie abhängig von den Emotions-Strömen angepasst wird. Dynamische Abstufungen bestimmen also das Gesicht dieses verführerischen Liedes.
Phantomschmerzen können an Gliedmaßen entstehen, die gar nicht mehr da sind. Sie sind also sinnbildlich eine Verbindung zur Vergangenheit. "Ich habe keinen Platz, um zu akzeptieren, dass du nicht mehr mein bist", singt Skye in "Phantom Limb". Sie hat also psychische Phantomschmerzen. Die Musik erinnert in seiner Rhythmus-Struktur phasenweise an "I Love Rock & Roll" von Joan Jet & The Blackhearts. Das Stück verfügt als Lockmittel über kontrolliert brodelnde E-Gitarren-Töne, die der sich einschmeichelnden, ungekünstelten, gradlinigen Melodie die Zähne zeigen.
"Keeper" ist Beichte und Liebesbezeugung zugleich: "Ich bin trauriger als du, ich habe mehr Fehler gemacht. Und mein Herz kann die Last der Welt nicht tragen. Aber wenn ich in deinen Armen liege, steht die Zeit still", heißt es dort. "Keeper" ist die einzige Ballade des Albums und wird von wehmütigem Gesang und einem fragilen Arrangement gespeist, das dem Song ein innig-feierliches Gospel-Feeling verleiht.
Wut liegt in der Luft, wenn sich schroffe Gitarren für "You Left" ungestüm ihren Weg durch diese vor Tatkraft strotzende, lebendig-bewegliche, stimulierende Power-Pop-Nummer bahnen. Das Lied erzählt von einer bitteren Trennung, die aus Sicht der Protagonistin nicht nötig gewesen wäre, wenn sich beide Personen mehr Mühe gegeben hätten. Und es bleibt ein übler Nachgeschmack: "Ich sah dich an und du sahst mich an. Aber du schienst mich nicht zu hören, als ich dich anflehte."
Im letzten Stück wird die Entschlossenheit, sich von Nichts und Niemandem mehr bei der Lebensplanung aufhalten zu lassen, nochmal nachdrücklich und provokativ aufgegriffen. Der deftige Bass und die feurigen Gitarren erinnern bei "Tear A Piece (Bite Me)" wegen ihrer auffälligen, herausgestellten Prägung an "Seven Nation Army" der White Stripes.
E-Gitarren in unterschiedlichen Schattierungen spielen eine entscheidende Hauptrolle in den Songs von Skye Wallace. Schnörkellos-entschlackt rütteln sie auf, geben Kraft oder rebellieren. Die Kompositionen sind griffig, transparent, mitreißend und aufbauend. Und dass, obwohl es mehrheitlich problembelastete textliche Inhalte gibt. Aber die Selbstfindung ist auf einem guten Weg, weil einiges knallhart analysiert und verarbeitet wurde. Deshalb bezeichnet die Musikerin das Album als Liebesbrief an sich selbst. Die Patientin befindet sich also eindeutig auf dem Wege der Besserung und legt ein unter Dampf stehendes, enthusiastisch eingespieltes Album ohne Durchhänger vor. Die hart rockende Power-Pop-Fraktion ist jedenfalls um eine entschieden-konsequente, kurzweilige und beflügelnde Stimme reicher! Der Name der Platte ist nämlich durchaus Programm: "Terribly Good" verbreitet erschreckende Wahrheiten und ist musikalisch (sehr) gut gelungen.