"Forever Yours" gibt eine aktuelle, reizvolle Zustandsbeschreibung der Band Rhonda ab.
Mit 12 Jahren begeisterte der Film "Sister Act", in dem Whoopi Goldberg unfreiwillig eine Nonne wird, Milo Milone so sehr, dass sie ihren Gesang fortan an Gospels schulte. Das hat sich ausgezahlt, denn ihre Stimmkraft und -farbe sowie ihre Wandlungsfähigkeit brachten ihr später als professionelle Musikerin sogar Vergleiche mit Amy Winehouse ein. Mit der Band Rhonda entwirft die Sängerin aus Bremen, die aktuell in Los Angeles lebt, eine bunte Stil-Mischung, die unter anderem aus Pop, Rock, Rhythm & Blues, Reggae, Soul und Funk besteht.
Dieses authentische Retro-Sound-Abenteuer wurde 2014 mit dem transparent und vollmundig produzierten Album "Raw Love" öffentlich gemacht und es folgten noch die voluminösen Werke "Wire" (2017) und "You Could Be Home Now" (2019). Die musikalische Entwicklung der Gruppe zeigt auf jeden Fall, dass sie stilistisch nicht auf der Stelle tritt, sondern um Wandlung ihres Sounds bemüht ist. Und deshalb steht "Forever Yours" auch für eine weitere Entfaltungs-Facette des stetig gedeihenden Ensembles und wartet entsprechend mit ein paar Überraschungen auf.
So vermittelt der liebevolle Gesang der Ballade "The One For You" Country-Gospel-Feeling, während die Instrumentierung nach Folk-Jazz klingt. Ähnlich andächtig geht es mit "Light In Everything" weiter, wobei hier ein jaulend-wimmernder Synthesizer neben der gefühlvollen Stimme von Milo Milone für Betroffenheit sorgt.
"Modelo" ist ein Hybrid, der laut und leise, bedrohlich und betörend, lieblich und laut in sich vereint. Möglich ist das durch straffe, dominante, hartnäckig rockende Bass- und Gitarren-Riffs im Italo-Western-Speed-Modus, die von Milos sehnsüchtigen Stimmband-Schwingungen und einer rauschenden Orgel abgelöst werden. Indes umkreisen sich diese Phasen immer wieder gegenseitig und werden von strammen, entschlossenen Reggae-Rhythmen und einer knurrend-unruhigen E-Gitarre ergänzt. Erregung und Beruhigung raufen miteinander, beeinflussen sich gegenseitig und brauchen sich als Lebenselixier wie Ying das Yang.
"Golden Days" groovt intensiv, bleibt aber trotz einer erhöhten Geschwindigkeit gelassen. So entsteht eine lebendige Dynamik, die das Stück zu einem Ohrwurm macht. Der Instrumental-Titel "Partner In Crime" bietet cineastische Qualitäten auf und eignet sich hervorragend zur Vertonung eines mysteriösen Thrillers.
Die heilige Barbara ist unter anderem die Schutzheilige der Bergleute, Feuerwehrleute und Totengräber. Außerdem ist eine Stadt in Kalifornien nach ihr benannt, die zu den schönsten im Lande gehören soll. Ein Bezug zur Schutzheiligen oder zur US-amerikanischen Region wird im Text allerdings nicht herausgestellt. Es geht hier vielmehr um zwei Personen, die nicht zueinander finden können: Die eine hat einen schmerzlichen Verlust zu verarbeiten, die andere fühlt sich, als sei sie in einem Käfig gefangen. Erst im offiziellen Video wird eine Verbindung zu einer Landschaft hergestellt, bei der es sich womöglich um den Distrikt Santa Barbara handelt. Der Song "Santa Barbara" wurde bereits 2020 als Single veröffentlicht
und erfuhr ein Jahr später eine Überarbeitung, bei der zunächst bescheiden-intime, dann rhythmisch klopfende und klatschende Töne vorherrschen, die stellenweise von Geigen-umweht werden.
Für "Forever Yours" wurde die gradlinigere Soft-Rock-Ursprungs-Version berücksichtigt, die eine gewisse Ähnlichkeit zu "Wicked Game" von Chris Isaac aufweist, was zum Beispiel die vorherrschende, hemmungslos schmachtende Sentimentalität angeht. Der Song "Forever Yours" sucht sein Heil im psychedelisch groovenden Blues-Rock-Himmel, wobei Milo Milone stets die Chefin im Ring bleibt und mit Coolness und Übersicht die Fäden dieses heißen Gebräus in der Hand behält.
Ganz ruhig und langsam, idyllisch, wie im Halbschlaf, wenn Realität und Traum noch nicht richtig auseinandergehalten werden können, läuft "Good Things Fall Apart" ab. Auch "Strange You Never Knew" zieht unaufgeregt seine Bahnen, verliert seine Leidenschaft aber in den Untiefen von angenehmem Pop, dem Ecken und Kanten, aber auch verrückte Arrangement-Ideen fehlen. "Not The Ghost" beginnt zurückhaltend-filigran - mit luftiger Jazz-Orientierung - schlägt dann aber nach 2 Minuten und 39 Sekunden (von 3 Minuten und 48 Sekunden) in ein bösartig dröhnendes Progressiv-Rock-Spektakel um.
Milo Milone ist wahrscheinlich die aufregendste und selbstbewussteste Soul-Stimme, die die norddeutsche Tiefebene je hervorgebracht hat. Ihre Begleiter Ben Schadow (Gitarre), Offer Stock (Keyboards), Tom Wagner (Bass) und Gunnar Riedel (Schlagzeug) erzeugen für das differenzierte Gesamtbild einen kompakten Sound, der alle stilistischen Hürden souverän meistert und die Gegensätze miteinander verbindet.
"Forever Yours" ist das vierte Studio-Album von Rhonda und enthält bewährte Tugenden der Band, wie ein flüssig groovender Sound, kann aber auch mit frischen Ideen aufwarten. Es ist ein richtungsweisendes Werk geworden, denn es trägt auch die Erfahrungen von Milo Milones lasziv-lieblicher Soul-Pop-Solo-6 Track-EP aus 2020 weiter, offenbart aber gleichzeitig reizvolle Kontraste aus Sinnlichkeit (die mit Samt überzogene Stimme) und Härte (der herzhafte Rockabilly-Surf-Twang).
Und genau diese Kombinationen ermöglicht zum Beispiel bei "Modelo", "Not The Ghost" oder dem Track "Forever Yours" die Entstehung von attraktiven Reibepunkten, so dass man sich für die Zukunft weitere solcher Verbindungen vorstellen kann. Die emotionale Mischung macht unter anderem den hohen Unterhaltungswert des Werkes aus, das (fast) durchgängig ein konstant hohes Niveau aufweist.