Der Hippie-Traum ist längst vorbei, aber die Macht der psychedelischen Töne wird durch den Mild High Club am Leben gehalten.
Der Mild High Club ist im Kern der Multiinstrumentalist Alexander Brettin, der sein Domizil passenderweise von Chicago nach Los Angeles verlegte, denn das dortige Lebensgefühl spiegelt seine musikalischen Inhalte besser wider. So einfach ist das und doch so komplex, denn Brettin legt von Fall zu Fall im Detail fest, welche Wendungen er für seine Kompositionen nutzt und welche Gastmusiker benötigt werden, um bei der Erschaffung der eigentümlichen Musik besondere Akzente zu setzen.
Für das dritte reine Mild High Club-Werk gilt das gleiche, was auch schon für "Timeline" (2015) und "Skiptracing" (2016) galt: Die Musik orientiert sich hauptsächlich am Psychedelic- und Harmony-Pop sowie dem Soft-Rock und Easy-Listening-Sound der 1960er und 1970er Jahre. Dazu fallen als Referenz Namen wie The Beach Boys, The Association, Harpers Bizarre, Burt Bacharach oder Sergio Mendes ein.
Aber es gibt noch wesentlich mehr Anhaltspunkte zu bestaunen: So hört sich "Dionysian State" wie ein vergessener Pop-Jazz-Outtake von Steely Dans "Aja" an, der allerdings in diesem Fall klingt, als sei er betrunken eingespielt worden. Das kurze Zwischenspiel "Trash Heap" hat gleich mehrere Gesichter: Ein schläfriger Fake-Bossa Nova, swingende Piano-Jazz-Figuren und elektronische Gimmicks lassen eingangs einen verdrehten, aber sommerlichen Song erwarten. Der Track bricht jedoch nach etwas über einer Minute plötzlich ab. So verschwenderisch geht Alexander Brettin mit seinen Ideen um!
"Taste Tomorrow" vermittelt den Eindruck, als wäre das Lied dem Kochtopf einer Voodoo-Hexenküche entsprungen. Träge Smooth-Soul-Takte machen den Anfang. Dann stoßen flatternde Keyboard-Schwärme hinzu und es setzt ein von Fieber oder Drogen beeinflusster, hallend-langgezogener Gesang ein, der dem Stück bei seinem bizarren Verlauf eine seltsame Konstante verleiht. Es folgen holprige Passagen, hastende Klavierläufe, sonderbar entrückte Chorstimmen und ein immer langsamer werdender Abschluss, der von absichtlichen Tonstörungen geplagt wird.
Für "A New High" wird die gute alte Bossa Nova reaktiviert, jene brasilianische Musikrichtung, die sowohl Melancholie wie auch gediegene Lebensfreude ausdrücken kann. Schützenhilfe gibt es dabei von der brasilianischen Sängerin Samira Winteron, die ihre jugendlich-laszive Stimmlage genüsslich über den Track verteilt. Aber natürlich produziert der Mild High Club keine klassische, traditionelle Auslegung des Brazil-Sounds. Hier zirpt, brummt und klimpert es, dass es eine Freude ist, aber schräge Einfälle wie plötzliche Bläser-Sätze, wallende Chor-Stimmen und vergnügte Piano/Synthesizer-Duelle sorgen für unerwartete Ablenkungen von der sommerlichen Entspannung.
Im schwelgenden Latin-Disco-Funk-Rhythmus geht es mit "It’s Over Again" relativ konventionell weiter. Gewagte Loops eröffnen im Anschluss "I Don’t Mind The Wait", das danach in einen erneuten Bossa Nova-Reigen einsteigt und für eine gelassene Heiterkeit oder einen erfrischenden Müßiggang sorgt. Diese Gegensätze sind durchaus Teil des Konzeptes, weil sie Kontroversen ausdrücken und somit für eine innere Spannung zuständig sind.
Cool-Jazz mit Bestandteilen von Funk und Elektronik speisen den Inhalt von "Dawn Patrol", eine weitere kurzen Episode, die ein schnelles Ende findet. An leiernden Sounds hat Alexander Brettin wohl seinen Spaß, denn auch "Waving" fällt durch Töne auf, die sich anhören, als stammten sie von einem kaputten Kassetten-Rekorder. Mal laufen sie etwas zu schnell, dann wieder etwas zu langsam. Der Song beginnt als "Field-Recording" mit Umweltgeräuschen und ruckelt sich danach taumelnd zu einem bedächtigen Electro-Soul-Pop zurecht.
"Me Myself And Dollar Hell" beruft sich wieder auf eine Pop-Jazz-Eleganz, wie sie von Steely Dan perfektioniert und von Mayer Hawthorne wiederbelebt wurde. Das Stück ist cool, clever und infektiös, wenn es um den Ohrwurm-Faktor geht. Am Ende gibt es mit "Holding On To Me" nochmal eine kuriose Soundspielerei: Den rauschend-wehenden Klangflächen werden Effekte verpasst, die sie defekt erscheinen lassen, worauf der Smooth-Soul-Gesang versucht, diese kritische Situation zu retten. Aber schon bald ist die Gelegenheit verpasst, denn der etwas über eine Minute lange Soundschnipsel ist vorbei. Zwischendurch gibt es übrigens noch zwei unterschiedliche Instrumental-Titel zu hören, die aus der experimentellen "Smile"-Phase der Beach Boys ("Kluges I") oder von einer Funk-Jazz-Band wie The Crusaders stammen könnten ("Kluges II").
Bei aller gelegentlichen Schrulligkeit ist "Going Going Gone" keine Sammlung von ausgeflipptem Freak-Pop, sondern ein Bekenntnis zum Recht auf sonderbare Arrangements mit Hang zur verzückten Träumerei. Die berauschende Wirkung einer solchen Vorgehensweise kannte schon der Pink Floyd-Gründer Syd Barrett, als er im Jahr 1967 für Songs wie "Arnold Layne" und "See Emily Play" betörende Melodien mit seltsamen psychedelischen Tönen versah und dadurch Pop mit einer langen Haltbarkeit erschuf. Mild High Club führen diese Tradition gewissermaßen als Erben dieses Sounds fort und bringen einige merkwürdige, jedoch mild gestimmte Songs zustande, die aufhorchen lassen.