Skandinavische Americana in Deluxe-Form!
Der schwedische Singer-Songwriter Kristofer Åström ist stets gespannt darauf, wie seine Kompositionen interpretiert und ausgelegt werden. Sein zehntes Studioalbum "Hard Times" wird von der Single "Inbetweener" eingeleitet, die im Vorfeld der Veröffentlichung von seiner Tochter Astrid beurteilt werden sollte. Statt in Worten drückte sie ihre Ansicht in einer Zeichnung aus, die das Cover des Werkes ziert. Darauf ist ein schöner, anmutiger, schlanker Hundekopf zu sehen, der aus einem Hemd heraus ragt. Der Hund strahlt Stolz, Eleganz, Wehmut und Freundlichkeit aus.
Was für eine ausdrucksstarke Skizzierung, die ja sinnbildlich zumindest einen Track charakterisieren soll: "Inbetweener", der über sechsminütige Song zum Bild weist klare Strukturen, locker fließende Folk-Rock-Akkorde und warmherzig-leidenschaftliche Melodie-Linien auf. Die Besetzung aus Bass, Schlagzeug, E-Gitarre und Orgel erzeugt eine gelassene, aber dennoch wache Stimmung mit viel Soul zwischen den Noten. Außerdem gibt es wirkungsvoll eingeschobene, raffinierte instrumentale Delikatessen zu hören, die gezielt zur Aufmerksamkeitssteigerung eingesetzt werden. Kristofers Stimme tariert dabei Leidenschaft und Besinnlichkeit perfekt aus. Ein begeisternder Opener!
Das sich anschließende "In The Daylight" klingt in etwa so, als würden Nick Cave und The Jayhawks gemeinsam musizieren. Die Essenz einer dunklen Piano-Ballade geht in Verbindung mit einem liebevollen, edlen Country-Rock eine heilige Allianz ein.
Und mit "Our Thing" scheinen sogar die Country-Rock-Pioniere The Flying Burrito Brothers um Gram Parsons und Chris Hillman wieder auferstanden zu sein. So eindringlich-sinnlich ist dieser romantisch-verträumte Country-Got-Soul-Beitrag geworden.
Das intim-intensive "Another Love" wird vom verzehrenden, bitter-süßen Duett-Gesang von Kristofer und Britta Persson durchdrungen. Als Begleitung dient lediglich eine akustische Gitarre. Diese Reduzierung auf das Wesentliche sorgt für besonders eindringliche Emotionen. Das Duo ist fokussierter als Nancy Sinatra & Lee Hazlewood, aber ebenso ergreifend. Nicht so düster wie Mark Lanegan & Isobel Campbell, aber genauso intensiv. Sie sind nicht so poppig wie Sonny & Cher, aber mindestens so melodisch. Die Beiden beschwören eigentlich den innigen Geist von Emmylou Harris & Gram Parsons herauf, dem ersten Traumpaar des Country-Rock. Die Luft knistert bei "Another Love" vor erotischer Spannung und die Kompositions- und Arrangierkunst feiert einen Triumph, der auf effektiver Reduktion beruht. Das ist meisterlich und wunderschön!
"What´s Dangerous" bringt das Kunststück zustande, unglaublich aufbauend und aufmunternd zu klingen, obwohl kein hohes Tempo vorgelegt wird. Das Stück ist eingängig, verliert sich aber nicht in Beliebigkeit. In einer besseren Welt könnte der Titel die Charts aller an anspruchsvollem Pop interessierten Menschen anführen, die ansonsten The Beatles, Tom Petty, Big Star oder Joseph Parsons favorisieren. Wohlfühl-Roots-Pop der Güteklasse A!
Der Walzer "And Then She Moved On" nimmt die Betrübten warmherzig an die Hand und signalisiert ihnen, dass sie mit ihrer Traurigkeit nicht alleine sind. Bei "Nowhere In Sight" bleibt es gemütlich und harmonisch. Mit ordentlich Hall auf der Stimme croont sich Kristofer durch diesen langsamen, kuscheligen Country-Folk, der bestens zur dunklen Jahreszeit passt. Der kratzige Rocker "Night Owl", der im Geiste von Neil Young epische Weiten und erhabene Coolness demonstriert, schließt die normale Version von "Hard Times" ab.
Das Bonusvinyl der limitierten LP-Auflage verfügt noch über vier zusätzliche Stücke: "Strength Of Love" hört sich an, als wäre der Titel Ende der 1960er Jahre im Künstlerviertel Laurel Canyon - oberhalb von Los Angeles gelegen - entstanden. So entspannt, sonnendurchflutet und nach individuellen Zutaten suchend, klingt dieser angenehm ins Ohr gehende Country-Rock. "Michelle" ist dagegen ein simpler Singalong-Folk-Pop, der nicht so richtig überzeugen kann, weil Überraschungsmomente fehlen.
Als richtiger Country-Schmachtfetzen entpuppt sich "My Heart Breaks Again". Wenn die Töne den Gehörgang finden, können sie eventuell spontan dazu führen, dass ein paar Tränen ins Bier fallen, so berührend sind sie. "First Down" lässt phasenweise an das tiefenentspannte "Harvest Moon" von Neil Young denken, rumort aber im Gegensatz dazu manchmal knurrig-unzufrieden im Hintergrund.
Die Platte verkörpert alle Tugenden, die Kristofers Tochter im Cover-Portrait untergebracht hat: Stolz, Eleganz, Wehmut und Freundlichkeit. Kristofer Åström bleibt hinsichtlich seiner Veröffentlichungs-Politik ein stabiler, anspruchsvoller Partner für seine Fans und die, die es noch werden sollen. Er liefert wieder einmal skandinavische Americana in Deluxe-Form ab!