Joshua Bonnetta: The Pines auf 4 CDs

Der Klangkünstler und Filmemacher Joshua Bonnetta möchte wissen, was passiert, wenn ein menschlicher Zuhörer eine Landschaft verlässt. Wie könnte sich die Klanglandschaft verändern? Wie wirkt sich unsere Anwesenheit auf die Aufnahme aus? Sein ehrgeiziges Langzeitwerk »The Pines I-IV«, das 2025 über Shelter Press und The Dim Coast erscheint, geht einigen dieser Fragen auf den Grund.

Es fängt das klangliche Leben einer einzelnen Kiefer im Norden New Yorks über ein Jahr hinweg mit Hilfe von Fernaufnahmen ein, die zu vier Stunden Audio zusammengeschnitten wurden und als 4-CD-Set mit einem Essay des renommierten Naturschriftstellers Robert Macfarlane und einem Vorwort des Kurators Jake Moore veröffentlicht werden, der behauptet, dass der Wald weiß, wenn ihm zugehört wird. Macfarlanes leuchtender Essay schlägt vor, dass dieses Projekt eine Antwort auf die Frage gibt, ob ein Baum in einem Wald überhaupt Geräusche macht, wenn niemand da ist, um sie zu hören. Bonnetta dreht diese Frage um - sie verwickelt den Baum in seine Umgebung, um zu fragen, welche Art von Geräuschen er und andere Pflanzen und Tiere machen, wenn kein Mensch zuhört; sie fragt, welche Geräusche in den Vordergrund treten, wenn wir aus dem Rahmen treten, und auf welche Weise ein Mikrofon die Art und Weise, wie wir in der Umgebung hören, verändern könnte.

Insgesamt 8760 Stunden Ton wurden von einem Mikrofon aufgezeichnet, das in 10 Fuß Höhe am Stamm eines Baumes in Tioga County befestigt war. Diese Aufnahmen wurden dann zu einer einzigen Stunde Ton für jede Jahreszeit verarbeitet, die jeweils Ereignisse in und um die Äste des Baumes und die unmittelbare Umgebung aufzeichnet. Wir hören das Wetter und die Tierwelt, Kojoten und Eulen, das Knarren der Äste unter dem Gewicht von Schnee und Eis - all das ist ein Fenster zum Klang dieses Ortes, an dem es keine Menschen gibt; ein Zeitraffer der hörbaren Welt rund um den Umfang eines einzigen Baumes. Die verwendeten Mikrofone und die Bearbeitungsmethoden stammen aus der Bioakustik und der passiven akustischen Überwachung, die Bonnetta eine Möglichkeit boten, viel tiefer in die Materie einzudringen, als dies bei einer normalen Feldaufnahme möglich wäre.

»The Pines I-IV« ist keine bombastische Klangarbeit, sondern subtil, oft kontemplativ und manchmal beruhigend, etwa wenn ein Regenschauer über die Landschaft fegt oder ein Gänseschwarm über den Himmel zieht. Es geht nicht um exotische Darstellungen von Orten oder um mythisch verbrämte Feldaufnahmen, sondern um eine neue Art des Hörens von etwas Vertrautem, indem die menschliche Anwesenheit entfernt und das Hörfenster über die üblichen menschlichen Fähigkeiten hinaus erweitert wird. Bonnetta wählte bewusst einen Ort aus, den er bereits kannte und zu dem er leichten Zugang hatte, der sich jedoch anders darstellen könnte, wenn er mit der Technologie der Dauerschallaufnahme erfasst wird. "Über ein Jahrzehnt lang habe ich in Ithaca gelehrt", sagt er, "und viel Zeit damit verbracht, den südlichen Teil von New York zu erkunden, aber ich habe dort nie ein Projekt gemacht. Vor ein paar Jahren beschlossen wir, nach München umzuziehen, und bevor ich abreiste, wollte ich die Klänge dieser Umgebung dokumentieren, in der ich so viel Zeit verbracht hatte und die mir ans Herz gewachsen war. Diese Technologie bot mir die Möglichkeit, ein ganzes Jahr lang Aufzeichnungen zu machen, und als ich anfing, sie abzuhören, war ich von den Ergebnissen überrascht und begann, ein System zur Bearbeitung der Arbeit zu entwickeln. Es gibt mehrere großartige Bioakustik-Anwendungen, die die Daten analysieren und interpretieren können, aber ich wollte das Material manuell durchsuchen und bearbeiten, so dass ich Geräusche außerhalb dessen, was die Anwendungen traditionell identifizieren könnten, sammeln konnte: hauptsächlich das Wetter und die Geräusche des Baumes selbst. Dim Coast erkannte das Potenzial der Arbeit als Installation und Publikation und half mir zu erkennen, dass es ein Projekt geben könnte, das nicht nur ein persönliches Dokument ist." Er kehrte alle paar Wochen zurück, um Speicherkarten und Batterien zu sammeln und zu ersetzen, und bearbeitete lange Audiodateien durch eine Kombination aus Hören und Betrachten des visualisierten Audiospektrums. Er verbrachte einige Zeit mit dem Zuhören, um sich wieder mit der Klanglandschaft vertraut zu machen, und scannte dann die visuellen Daten nach "Ereignissen" in den Dateien, eine Analysemethode, die normalerweise von Wissenschaftlern zur Kartierung von Vogel- und Wildtierpopulationen verwendet wird. Die Anziehungskraft dieser Art von Aufnahmen führt Bonnetta auf eine Kindheitserinnerung zurück, nämlich auf Wölfe, die auf Band aufgenommen wurden: "Ich bin in einer ländlichen Gegend in Ontario aufgewachsen und erinnere mich an zwei Brüder aus unserer kleinen Schule, die sagten, sie hätten eine Aufnahme von Wölfen gemacht, von denen es nur Gerüchte gab, dass sie sich so weit südlich wie wir aufhielten. Am Abend zuvor hatten sie ihren tragbaren Kassettenrekorder an den Rand ihres Weges gebracht, der an ein großes Waldgebiet grenzte, und behaupteten, sie hätten das Heulen von Wölfen aufgenommen. Am nächsten Tag spielten sie es in der Schule ab, und ich erinnere mich, dass es sich dabei hauptsächlich um Rauschen und Zischen handelte, aber wir hörten alle gespannt zu und versuchten, etwas zu hören, während sie das Band immer wieder abspielten. Ob sie nun wirklich da waren oder ob es sich nur um die kollektive Einbildung einer Gruppe von Kindern handelte, wir fingen an, Wölfe zu hören - oder wahrscheinlich eher Kojoten. Dieses Projekt hat seine Wurzeln in der anfänglichen Verwunderung über dieses Hörerlebnis