Multikulti und eine sensitive Vorstellungskraft führen bei "Local Valley" zu einer musikalischen Erfolgsgeschichte.
José González wurde 1978 in Schwedens Metropole Göteborg als Sohn argentinischer Einwanderer geboren. Sein Vater motivierte und unterstützte ihn bei der frühkindlichen Musikerziehung und so stammten seine ersten Übungs-Lieder auf der akustischen Gitarre von den Beatles und aus dem reichhaltigen Bossa Nova-Song-Zyklus. Über Erfahrungen mit Punk und Metal kam er als Jugendlicher auch zum Jazz und Folk, was seine eigenen Songs bis heute stark prägt. Anmutige Raffinesse und einfühlsame Sinneswahrnehmungen sind Hauptzutaten der grazilen Gebilde, die auf den bisherigen drei Solo-Alben verteilt sind.
2015 erschien das bisher letzte Album des feinsinnigen Musikers mit dem Titel "Vestiges & Clawes". Davor gab es "Veneer" (2003) sowie "In Our Nature" (2007) und dann natürlich "Fields" (2010) und "Junip" (2013) von seiner Band Junip. Trotz der sechsjährigen Veröffentlichungspause war José González eigentlich nie so ganz weg. Immer wieder hört man seine Songs als Untermalung in Filmen und Fernsehspielen. Mindestens "Line Of Fire" von Junip dient gerne als Bereicherung von privaten Song-Zusammenstellungen (früher nannte man sowas übrigens "Mixtape"). Und genau dieses großartige Lied befindet sich jetzt als Remake auf dem aktuellen, vierten Werk von José González, das "Local Valley" heißt und am 17. September 2021 erscheint.
Auf "Junip" erwies sich "Line Of Fire" als ein epischer, sensibler Electro-Folk mit einem optimistisch-aufbauenden Groove. Aktuell ist der Song mit 3 Minuten nur noch halb so lang und wird mit trauriger Stimme in schleppendem Tempo zur akustischen Gitarre vorgetragen. Dadurch wird ihm seine ursprüngliche hypnotische Wirkung genommen. Er gewinnt jedoch an Intimität und Tiefgang. Das sind Tugenden, die häufig auf "Local Valley" zu finden sind.
José hat einen charmanten, sensibel-intelligenten Charakter, wodurch er auch bei sparsam und fragil instrumentierten Liedern überzeugen kann. So wie mit "El Invento", einem freundlich gestimmten Lied, bei dem die akustische Gitarre Freund, Stütze und Trost zugleich ist. González singt so sanft, verführerisch und erhaben, dass es zwecklos ist, sich gegen die Verlockung der anziehenden Töne zu wehren. Naturgeräusche begleiten den gemächlichen, ausgeruhten Folk-Song "Visions" auf seinem unspektakulär erscheinenden Weg. Dabei entstehen Erinnerungen an "Blackbird" von den Beatles.
Auch das ruhige, empfindsame Abschluss-Stück "Honey Honey" scheint in freier Natur aufgenommen worden zu sein. Durch das etwas tiefere Timbre als gewöhnlich lässt es an den großen Folk-Barden Fred Neil denken, dem wir unter anderem den Song "Dolphins" zu verdanken haben, den Tim Buckley mit einer grandiosen Cover-Version geadelt hat. Aber das ist eine andere Geschichte. "The Void" verhält sich undurchsichtig-rätselhaft. Den Song umgibt eine dunkle Aura, die mitunter spirituelle Züge annimmt. Das gilt im Prinzip auch für "Horizons", wobei hier zusätzlich noch beim Gitarre-Spiel der Geist von Leonard Cohen beschworen wird.
Mit "Head On" kommt ein belebender Takt ins Spiel, der das Lied mit Energie speist. Der souverän-kontrollierte Gesang tariert das Temperament so aus, dass der Track unter der Oberfläche leicht vor sich hin kocht. "Valle Local" klingt nach ethnischer, ursprünglicher Folklore aus Afrika oder Vorderasien, die sehr stumpf, gleichförmig und pochend interpretiert wird. Auch "Lilla G" gehört in diese Kategorie, hier ist es besonders der Gesang, der afrikanische Wurzeln vorweist.
José González definiert "Lasso ln" als romantische Western-Ballade, auch wenn eine Drum-Machine unveränderliche, trockene Schläge vorgibt, wie sie in den 1980er Jahren angesagt waren. Gegensätze ziehen sich bekanntlich an! "Swing" erreicht eine ähnlich exotische Wirkung durch die Verbindung von monotonen elektronischen Trommeln in Verbindung mit Gitarren-Linien, die vom Afro-Beat von Fela Kuti beeinflusst sind. "Tjomme" ist ein tanzbares Stück mit ansteckendem Weltmusik-Groove, das auch seine Verbindung zu Afrika offenbart, aber seine Fühler zusätzlich bis nach Brasilien ausstreckt. Zurück in Schweden: Man spürt quasi die Einsamkeit des langen Winters, die "En Stund Pa Jorden" (= Ein Moment auf der Erde) - eine Cover-Version der iranisch-schwedischen Künstlerin Laleh - einhüllt. Aber der warmherzige Gesang vertreibt jegliche Ungemütlichkeit und so kommt dieses Lied feierlich (hat jemand weihnachtlich gesagt?) und ernsthaft rüber.
Drei Sprachen (englisch, schwedisch, spanisch) und mehrere Darstellungsebenen werden den Songs von "Local Valley" zugeordnet. Der Blick geht hinaus in die Welt und die Klänge erscheinen als global ausgerichtete Hymnen, deren Entstehung im Prinzip unabhängig von Land und Leuten ist. Musik ist eben eine universelle Sprache, die unterschiedliche Schwingungen miteinander verbindet und Menschen vereint. José González schaut in die Herzen und öffnet sich den Kulturen. Seine Schöpfungen berühren tief, weil sie frei von Zorn und Hass sind. Songs mit meditativer Wirkung existieren neben rhythmischen Gebilden und schaffen eine Eintracht zwischen introvertiertem und extrovertiertem Dasein. Dem einen oder anderen Song täte eventuell eine Straffung gut, aber was ist das schon für ein geringer Makel, gemessen im Vergleich zu der enormen Harmonie und Lebenskraft, die die Musik aussendet.
Der Titel "Local Valley" hat eine Doppelbedeutung: Er steht als Sinnbild für unsere Erde, die es als wichtigste Aufgabe der Menschheit zu erhalten gilt. Daneben verbirgt sich ein Hinweis darauf, dass sich Völker oft gegeneinander abgrenzen, weil sie die Perspektive des jeweils anderen nicht akzeptieren. González wirbt für Vernunft und Verständnis. Dahinter verbirgt sich ein humanistischer Ansatz ohne politische Richtung, der in Verbindung mit der Nutzung menschlicher Intelligenz geeignet wäre, unsere weltweiten Probleme bewältigen zu können.