Tolles Konzert mit Jazzrock-Einlagen und diversen Zu-Wort-Meldungen von Kapitän Schweineherz
Während andere sich remasterte Deluxe-Ausgaben der LPs und CDs ihrer Lieblingsstars vergangener Dekaden kaufen und sich vor ihrer Edel-Hifi-Anlage rumlümmeln, schmeiße ich mein Geld gerne bedürftigen Bootleggern in den Rachen. Ich will das Teil im Regal und im Player wiederfinden statt auf meiner Festplatte, da bin ich altmodisch. Hier liegt somit eine Veröffentlichung vor, die nicht vom Zappa Family Trust abgesegnet ist. Was soll's? Zappa hatte sich ja bekanntlich zu Lebzeiten auch mit Bootleggern abgefunden und auch seine Witwe scheint solche Veröffentlichungen zu tolerieren (obwohl Klage-Wut - man erinnere sich an den "Zappanale"-Streit - ihr ja nicht fern liegt).
Der Mitschnitt bietet den Eindruck eines echten Konzertes aus dem Jahr 1975 - genau so, als würde man im Publikum stehen -, wozu eben auch ein paar Spacken gehören, die manchmal dumm reinranzen oder labern, was von Zappa auch kommentiert wird. Ich vermute, es handelt sich um einen einfachen Radio-Mitschnitt, denn für Kassettenrecorder oder ähnliches klingt es zu gut (nicht vergessen: Wir sind in den 70ern!). Mir sind komplette Konzerte einfach lieber als zusammen-geschnittenes Zeug. Die "YCDTOS"-Reihe, "Dub Room Special" und ähnliches fand ich teilweise nervig, weil ich nicht damit klar kam, dass verschiedene Band-Besetzungs-Jahrgänge mit verschiedenen Klangbildern aufeinanderfolgten. Ein komplettes Konzert von Zappa und seinem alten Kumpel fehlte mir zudem noch in der Sammlung.
Das Konzert wurde gut drei Wochen vor den Aufnahmen der Live-Stücke auf "Bongo Fury" aufgenommen, die Band ist gut eingespielt, auch Zappas Gitarren-Solos sind meines Erachtens völlig okay. Vereinzelt grätschen saftige Blues Einlagen in den Bläser-gefütterten Sound (Bruce Fowler an der Trompete) und auch die Funk-Akzente am Bass sind auch nicht zu überhören. Teilweise werden richtig alte Sachen gereicht („I'm not satisfied“ vom Erstling "Freak Out"), die Band wird zudem passenderweise von Zappa mehrfach als "Mothers of Invention" angekündigt, obwohl seit "Roxy & Elsewhere" nur noch "Mothers" auf den Covern der offiziellen Veröffentlichungen prangte. Keine Ahnung, warum er das macht - hatte vielleicht marketing-technische Gründe, denn viele Zappa-Fans trauerten der Ur-Besetzung nach und konnten sich damals mit Brock, Fowler, Duke etc. nicht so recht anfreunden.
Captain Beefheart, der angeblichen Augenzeugen zufolge die meiste Zeit des Auftritts auf einem Stuhl am Rande der Bühne rumlungerte, meldet sich vereinzelt zu Wort, reibeisen-stimmt gekonnt und faszinierend Songs, die er auch auf "Bongo Fury" zum Besten gibt ("Muffin Man", "Poofter's Froth", "200 Years old"), kann sich auch eine "Jazz and Poetry"-Einlage nicht verkneifen und sorgt für eine ungewohnte Variation von "The Torture never stops", die mit Funk und Blues-Tupfern komplett anders rüberkommt, als die mir von "Zoot Allures" bekannte Version. Die Mundharmonika packt Kapitän Schweineherz natürlich auch aus und lt. Zappas Ankündigungen ist er ebenfalls für Saxoponeinlagen zuständig. Napoleon Murphy Brock (der eigentliche Saxophonbeauftragte der Besetzung) darf ebenfalls fleißig improvisieren, bis Zappas launige Sprecheinlagen, in denen er über das Wesen der Liebe philosophiert, in groovenden Bigband-Sound übergehen, der dann wiederum in Keyboard-lastige Jazzrock-Gefilde abdriftet, bis auch der Funk zu seinem Recht kommt. Und irgendwann bringt sich Beefheart auch gesanglich wieder ein, als hätte er vergessen, dass wir immer noch (oder schon wieder?) in "The Torture never stops" sind.
Mir gefällt der Auftritt aus dem Provicence College großartig, denn ich liebe diese Zappa-Phase sehr und mag es, wenn sich die Musiker improvisierend umschleichen! George Duke erhält natürlich auch die Chance, etwas zu solieren, was er wie gewohnt brillant meistert: Er klöppelt mit einem Stick auf einer Triangel rum, wird dazu von Zappa groß angekündigt und steigert sich in eine Art 70er-Jahre-Version einer Human-Beat-Box hinein, um dann über eine Keyboard/Gesangs-Improvisation in einen mitreißenden Jazzrock-Groove überzuleiten - angereichert mit dem üblichen Gefrickel, welches zu dieser Zeit modern war. Natürlich ist das alles nicht immer 100%-ig flüssig, doch wenn sich dann das Bühnenensemble zum Harmoniegesang aufstellt und alle miteinander Lautmalereien zum Besten geben, in die auch Beefheart einstimmt, worauf das wilde Gebräu in eine Kakophonie aus Hörspieleinlagen, Poetry und Instrumental-Dressing mündet… dann sind das exakt die Momente, auf die ich lange gewartet habe. Einfach Klasse!
Klar, das sind die (wenigen) Teile der CD, die manchen Zeitgenossen bei mehrfachem Anhören schon etwas nerven könnten. Doch da ich in diesem Falle voreingenommen bin und endlich zum Ende dieses Textes kommen möchte: Ich bin von diesem Mitschnitt begeistert und bereue den Kauf nicht, auch wenn Zappa und Beefheart hier nicht gleichberechtigt auftreten (das wäre der heilige Gral der Zappa-Fans) und Beefheart eher als Gastsänger und Mi[e]t-Musiker dabei ist. Da er wohl nicht in der Lage war, präzise Rhythmus und Takt zu halten, war sein Gastspiel in dieser Besetzung auch schon bald beendet – da kannte Zappa keine Gnade. Ein paar Songs von Beefhearts eigenen Longplayern einzustudieren, das wäre eine nette Geste von Zappa gewesen. Nun ja... schade drum. Trotzdem schön, die beiden hier zusammen zu erleben. Zusammen mit den deutlich besser klingenden ZFT-Releases "Philly '76" (dort singt Bianca Odin als Gast) oder "Imaginary Diseases" (ein rein instrumentales Live-Album von '72) ist diese Veröffentlichung für mich eine eigenwillig-reizvolle Variante des Zappa-Repertoires, die klanglich leicht unterhalb der offiziell veröffentlichten "Road Tapes"-Reihe rangiert.
Fazit: Zappa und Beefheart – ein komplettes Konzert auf Doppel-CD als semi-offizielle Veröffentlichung, das gab es bislang nirgends auf legalem Wege zu kaufen. Trotz einiger Längen und suboptimaler Klangqualität ist die Doppel-CD für mich ein echtes Highlight mit Jazzrock-Einlagen und diversen Zu-Wort-Meldungen von Kapitän Schweineherz. Das Repertoire geht von frühen Mothers-Sachen bis hin zu u.a. "Roxy"/"Bongo Fury" und bietet zudem einen Vorausblick auf Dinge, die (in anderen Versionen) erst noch auf Alben veröffentlicht werden sollten. Zudem gibt's mitreißende Improvisationen und launiges Bühnengeplauder. Höhepunkt: Das später auf "Zoot Allures" zu findende "The Torture never stops" in einer tollen Version mit Beefheart-schen Vocaleinlagen. Nix für Hifi-Fetischisten, doch das Dargebotene entschädigt für den bescheidenen Klang. Pflichtkauf für Zappa-Fans!