Musiker unterschiedlicher Stilrichtungen verwirklichen ihre Vorstellung eines Frank Popp Ensemble-Tracks und tragen mit individuellem Charme zu der bunten Mischung und einer spannenden Würdigung bei.
Man soll die Feste feiern wie sie fallen! Das hat sich auch das Frank Popp Ensemble gedacht, dessen zweite Single "Hip Teens Don`t Wear Blue Jeans" am 12. November 2001 erschien, dann 2003 im Rahmen der Verwendung für eine Coca-Cola-Werbung ein veritabler Radio-Hit war und nun sein 20jähriges Ersterscheinungs-Jubiläum begeht.
Zu diesem Anlass hat Frank Popp persönlich 21 Formationen dazu eingeladen, einen Titel aus dem Popp-Universum zu covern, was zu recht unterschiedlichen Betrachtungsweisen geführt hat: Der ehemalige Teenage Fanclub-Sänger und Bassist Gerry Love eröffnet die Hommage-Show mit dem sinnlich-coolen Latin-Psychedelic-Soft-Rock "The World Is Waiting", der stellvertretend für Eleganz, Rausch und Erotik steht.
Die unverwüstlichen The Posies haben als glühende Big Star-Verehrer so einige Power-Pop-Evergreens entworfen. Sie sind seit 1986 im Geschäft und "Live Wire" zeigt sie wieder in bestechender Form. Ein hämmerndes Piano macht Druck, kurze, hart angeschlagene E-Gitarren-Riffs zerreißen die Luft, polternde Bass/Drums-Kaskaden lassen den Rhythmus brodeln und der Lead-Gesang bleibt bei aller Energie überlegen und gelassen. Melodie und Refrain werden zu einer unwiderstehlich harmonisch kribbelnden Bubblegum-Pop-Versuchung kombiniert.
Das Damen-Trio 24/7 Diva Heaven ist ein Newcomer am Riot-Girl-Firmament, denn grade erst im März 2021 erschien ihr Debüt-Album "STRESS". Eine dröhnende Rhythmus-Kombination - wie sie in ähnlicher Form auch bei den White Stripes nicht ihre aufpeitschende Wirkung verfehlt - wird zur Erkennung von "Magic Birds" und lässt bei entsprechender Lautstärke die Därme vibrieren. Nach verhaltenem Anfang erscheinen dann zwar nicht magische, aber wilde Raubvögel am Firmament. Es kracht, quietscht und scheppert, was das Zeug hält und der so entstandene Hard-Rock-Punk klingt zusätzlich wie eine Verneigung vor den Runaways um Joan Jett.
Die Hardcore-Punks von Hammerhead aus Bonn spielen schnell und aggressiv auf, so dass "Gettin' Down" wie ein Schlag ins Gesicht wirkt. Aber dennoch bleibt der Song so differenziert, dass er eigentlich als Rock & Roll mit Stacheldraht ums Herz durchgeht. Mit Hammerhead als Einheizer gibt es zumindest keine Energiekrise.
Love Machine aus Düsseldorf haben in diesem Jahr das herrlich skurrile Album "Düsseldorf-Tokyo" herausgebracht und im Rahmen der Popp-Verneigung nehmen sie sich den Hit "Hip Teens Don't Wear Blue Jeans" vor. Nur: Wiedererkennen kann man ihn kaum. Höchstens dann, wenn man textsicher ist oder auf den Refrain achtet. Dieser Funk-Space-Rock sprengt alle Erwartungen und ist wohl auch deshalb so erfrischend und positiv verrückt geworden.
Als "A Dark Disco Project" bezeichnet sich Maria Ghoerls aus Berlin. Die Formation verstärkt sich für "Leave Me Alone" um Aydo Abay, dem Gründer der Alternative-Rock-Bands Blackmail und Ken. Aber was heißt hier eigentlich Formation? Hinter dem Synonym Maria Ghoerls versteckt sich niemand geringeres als Frank Popp persönlich. Gothic-Wave-Vibes im Herzschlag-Rhythmus bestimmen den schleppenden Groove und New Order-Gitarren sowie Kraftwerk-Synthesizer sorgen für eine 80er Jahre-Retro-Verzierung. So entstand ein Klang, der bekannte Muster bedient, aber in dieser Zusammensetzung dennoch neu erscheint.
Wow! Der HipHop-Rock von "Scarecrow Kids" der Fünf Sterne Deluxe geht trotz bremsender Rap-Einlagen mächtig ab, so dass der Titel die Tanzfläche zum Kochen bringen kann. Erobique alias Carsten Meyer lässt es da mit "Enough" gediegener und gesitteter angehen. Sein gelöster Bossa Nova-Easy Listening im Stil von Esquivel oder Sergio Mendes kommt gepflegt und sauber daher.
Auch die Acid-Jazz-Jünger von Corduroy Industries wissen, wie man elegant unterhält. "Belly Bossanova" reiht sich ansatzlos hinter Erobique ein und verbreitet ein genauso charmant-gelassenes Brasilien-Flair. Eine weitere Variante des Titels kommt vom Duo Cobra Killer aus Berlin, die eine Möglichkeit sahen, ihren harten Electro-Hardcore-Punk mit Bestandteilen von lieblichem Pool-Bar-Sound zu verfremden. Beide Komponenten neutralisieren hinsichtlich der Wirkungsweise, so dass eine undefinierbare Masse übrigbleibt.
Der Ska-Sound der Liga der Gewöhnlichen Gentlemen erinnert stimmungsmäßig an die gutgelaunten Madness und so wird "Hurry Up" zum spaßig-unbeschwerten Zwischenspiel. "Breakaway" ist im Original ein hinreißender, orchestral arrangierter, cool groovender, schmachtender Mid-Tempo-Soul-Track. Der Alternative-Pop-Musiker Nathan Joseph White aus London nennt sich Whitey und macht daraus ein von psychedelisch-sakralen Orgel-Klängen unterlegtes, dunkles, tapsendes Chanson.
BTM zerlegen dasselbe Stück in seine Einzelteile und setzen es als fieses Metal-Punk-Monster mit wütend-rotzigem Gesang wieder zusammen. "Hey Mr. Innocent" der vierköpfigen Frauen-Punk-Band Östro 430 konserviert die Neue Deutsche Welle in der Phase, als sie noch nicht trottelig-albern war. Monotone Drums, ein fetter Bass, billige Synthie-Fills und freche Stimmen vermitteln das unbekümmerte Gefühl von Do-It-Yourself-Dance-Punk.
Das Stück "High Voltage" wurde im Film "Password: Swordfish" (mit Halle Berry und John Travolta) verwendet. Die US-amerikanische Electro-Pop-Künstlerin Angie Reed lässt den Track nicht so heftig rhythmisch überkochen wie es bei der Vorlage des Frank Popp Ensembles der Fall war. Ihr Ansatz besteht darin, die geheimnisvolle, Angst schürende Komponente hervorzulocken und mit spleenig-unberechenbaren Elementen zu verknüpfen.
Hinter Ascii Disko verbirgt sich der Hamburger Produzent und DJ Daniel Holc. Der ursprünglich frankophile, erotisch aufgeladene Easy Listening-Song "Foncé Dans Le Coeur" wird von ihm lediglich mit einem Dance-Beat und Sound-Effekten unterlegt. Außerdem streckt er ihn von fünf auf über acht Minuten. Das bringt alles allerdings keinen wesentlichen Mehrwert. Den ehemaligen Motown-Soul-Klang von "You've Been Gone Too Long" verwandelt der Entertainer Bernd Begemann auf seine ureigene, freundlich-eingängige Weise in einen leichtfüßig-sympathischen Pop-Swing.
Hypnotische Trommeln, unnachgiebig schmirgelnde E-Gitarren, dezente Fake-Bläser und elektronische Space-Klänge sorgen bei "A Lifetime In A Day" mitsamt dem lasziven Gesang bei Suzan Körcher's Suprafon für eine beschwörende Stimmung. Im Original kam der Song als nicht minder eindringlicher, verführerischer Psychedelic-Pop daher. "Nothing To Gain" hat Power-Pop-Qualitäten, die sowohl in den 1960er Jahren Hit-Chancen gehabt hätten (zum Beispiel in einer Version von The Monkees), wie auch ins Repertoire der New Wave-Helden Blondie passen würden. Zeitloser Goodtime-Teenage-Pop eben.
Splinter aus den Niederlanden (nicht das englische Duo gleichen Namens, das in den 1970er Jahren von George Harrison für sein Dark Horse Label unter Vertrag genommen wurde), tritt in dieselben Fußstapfen, fügt eine quengelnde E-Gitarre hinzu, flirtet mit kurzen Funk-Riffs und hebt das Energielevel noch etwas an. So wird eine schützenswerte Musik-Tradition schwungvoll am Leben gehalten. Space Chaser aus Berlin verwandeln den tanzbaren R&B-Beat von "Mullet King" in einen aggressiven Thrash-Speed-Metal, der atemlos hetzt und unbarmherzig dafür sorgt, dass klanglich keine milden Zugeständnisse gemacht werden.
Exotischen, effekthaschenden Easy-Listening Sound bietet "The Thing Demands" vom Frank Popp Ensemble. Die Progressive-Rocker von The Cosmic Dead aus Glasgow ändern den Klang und erschaffen ein neunminütiges Space-Rock-Monster, dessen ausufernde Ton-Tentakel sie nur schwer unter Kontrolle halten können.
Frank Popp ist ein Ausbund an schöpferischer Intelligenz. Unglaublich, welche stilistische Bandbreite er abdeckt! Vom Mod-Sound der Swinging Sixties über Soul-Pop-Grooves und Power-Pop bis hin zu psychedelischen Klängen finden sich etliche Schattierungen in seinen Liedern wieder. Und wenn man dann noch weiß, dass er im legendären Düsseldorfer Punk-Schuppen Ratinger Hof auflegte und auch als Hardcore-Punk- und Metal-Band-Veranstalter gearbeitet hat, dann verwundert es nicht, dass auch diese Klänge Einzug in den Tribute-Sampler gefunden haben. In Anlehnung an das berühmte "Sgt. Peppers Lonely Hearts Club Band"- Cover der Beatles gestaltete der gelernte Grafik-Designer und DJ die Verpackung der aufklappbaren Doppel-CD und gibt in einem 6seitigen Booklet Kommentare zu den ausgewählten Songs und Künstlern ab.
Es ist kaum anzunehmen, dass alle Interpretationen für jeden Fan den gleichen Stellenwert haben werden, aber letztlich kommt es doch immer auf die Intensität und den Einfallsreichtum bei der Umsetzung an. Diese Zusammenstellung ist ein Musterbeispiel an ungebremster Spielfreude und ausgelassenem Spielwitz. Trotz unterschiedlichen Ausrichtungen demonstriert die vorliegende Würdigung des Frank Popp Ensemble einen reizvollen Flow mit vielen Überraschungen, der dafür sorgt, dass es richtig Spaß macht, alles nacheinander durchzuhören, weil man stets gespannt auf die nächste Idee ist.