In einer vom Adult-Pop dominierten Welt wären Darling West vermutlich Chart-Stürmer.
Die Sprache der Musik wird überall verstanden und Stilrichtungen sind nicht unbedingt an eine Region gebunden. Kaum jemand würde anhand des Sounds vermuten, dass die Band Darling West aus Norwegen stammt, so authentisch-universell vermitteln sie ihren Pop, der von einem gekonnt adaptierten, feinsinnigen Americana-Aroma durchzogen ist. Ihre Klänge beinhalten einen Ausdruck von Weite, Leidenschaft, Lebensfreude, Liebesleid und Romantik - also quasi ein Abbild der klassischen Pop-Themen. In der Umsetzung dominierten dann Präzision, Spielfreude und emotionaler Überschwang. Wen interessiert da noch die Herkunft? Hier zählt nur die Qualität der Songs.
"Cosmos" ist nach dem Erstlingswerk "Winter Passing" aus 2014 das fünfte Studio-Album von Darling West aus Oslo, die schon auf dem SXSW-Festival in Austin/Texas und dem Americanafest in Nashville/Tennessee und als Vorgruppe von Lucinda Williams aufgetreten sind. Die Gruppe besteht aus Mari Sandvær Kreken (Gesang, Omnichord, Mundharmonika), Tor Egil Kreken (Bass, 12-saitige E-Gitarre, Akustikgitarre, Gesang), Christer Slaaen (Gitarren) und Thomas Gallatin (Schlagzeug, Percussion). Auf "Cosmos" wird die Kernbesetzung noch von diversen Gästen an Pedal-Steel-Gitarre, elektrischer Harfe, Harmonie-Gesang, Keyboards, Streichinstrumenten, Vibrafon und Blasinstrumenten begleitet, was dem Sound Fülle einbringt und einen Ton-Farbwechsel bei den Arrangements ermöglicht.
Der Song "Cosmos" ist eine Hymne, die zum Ohrwurm wird und dadurch den perfekten Appetitanreger für ein unbeschwertes, aber dennoch erhebendes Hörvergnügen darstellt. Das Klang-Gerüst wird von Harmonie ausgefüllt und getragen. Die Instrumente unterstützen sich gegenseitig, es gibt keine solistischen Extravaganzen. Selbst das Gitarren-Solo stellt sich in den Dienst der gleichgesinnten, ästhetischen Sache. Ein Hit!
"Light Ahead" punktet mit einem stoisch groovenden Coolness-Faktor und legt in punkto Optimismus-Ausstrahlung noch eine Schippe gegenüber dem Lied "Cosmos" drauf: Beim ertönen des Refrains scheint die Sonne aufzugehen und es verziehen sich schlagartig alle Schlechtwetter-Wolken. Ein Hit!
"Still Here" lässt es zunächst ruhig angehen. Der ausgeglichen wirkende Akustik-Folk wird durch einen kontrastreichen Duett-Gesang von Mari Sandvær Kreken und Thomas Gallatin aufgewertet und mutiert plötzlich zu einem seiden glänzenden, sehnsüchtig gleitenden Soft-Rock. Ein Hit!
"Will I Ever Know" entzieht sich geschickt der Zuordnung zu irgendwelchen Stil-Schubladen. Flüchtig auftauchende Zitate, die aus dem Reggae, dem Electro-Pop, dem Psychedelic-Sound und dem Country-Rock entliehen sind, lassen das Stück immer wieder in anderen Farben glänzen. Clever und smart!
So reif durchkomponiert, so positiv motivierend, so anziehend einprägsam: Der Power-Pop "Oh Love" wäre selbst im Repertoire von Fleetwood Mac positiv aufgefallen. Ein Hit!
Zwischen Mountain-Folk und Gospel-Pop ist noch viel Platz für "Wild Dreams", das in beiden Lagern zuhause ist. Eine attraktive Fusion! Eineinhalb Minuten lang werden für "Prelude" glitzernd-blinkende Töne als Einstimmung zur Ballade "Echoes" erzeugt.
So weit, so gut. Leider erweisen sich grade die Balladen ("Old Man", "Till Night Turns To Day" und eben "Echoes") als Achillesferse von Darling West: Sie verfügen über eine weichgezeichnete Sound-Dekoration, die die Songs seicht, flauschig und schwammig erscheinen lässt. Eine erdige, nachdenklich-dunkle Country-Folk-Basis mit seriös-weisem Gesang hätte die Lieder wahrscheinlich vor dem Schnulzen-Verdacht retten können. Die Band kann nämlich grundsätzlich sehr gut mit verheißungsvoll-sinnlichen Momenten umgehen - wenn sie nicht grade in eine verlockende, süßlich-verwässerte Mainstream-Falle tappt.
"Cosmos" weist nach Adult-Pop-Gesichtspunkten eine hohe, potentielle Hit-Dichte auf. Der zärtlich-sinnliche Lead-Gesang von Mari Sandvær Kreken ist das Sahnehäubchen auf dieser klug und perfekt arrangierten Musik. Alles scheint nach erstem Betrachten einem Marketing-Konzept zu folgen, das darauf beruht, romantische Sinnlichkeit, aufbauenden Optimismus, zuckersüße Melodien und eingängige Refrains optimal zu kombinieren, um möglicherweise die Charts zu knacken. Also alles nur kühle Berechnung - eventuell sogar von einer Künstlichen Intelligenz ersonnen? Das wäre durchaus möglich, wenn nicht die emotionale Ebene jegliche kritische Distanz atomisieren und einfach nur für gepflegte Ausgeglichenheit und eine entspannt-angenehme Zeit sorgen würde. Da mag man nicht mehr an Berechnung denken.
Es sieht so aus, als wären Darling West nur noch einen Steinwurf vom ganz großen kommerziellen Erfolg entfernt. Ein Anruf von einem erfolgreichen Agenten aus Nashville oder die Berücksichtigung eines ihrer Stücke in einem Soundtrack sollten genügen, um sie zu Superstars zu machen. Aber will man ihnen das wirklich wünschen?