Casper: Nur Liebe, immer
Das neue Casper-Album heißt »Nur Liebe, immer.« und zeigt den erfolgreichen Rapper einmal mehr von seiner persönlichen Seite.
Schon seit Beginn seiner Karriere macht der Bielefelder sein ganz eigenes Ding. Statt auf prolliges Gangsterimage setzt er lieber auf kritische Beobachtungen und Indie-Sensibilität. Millionen Fans lieben ihn für diese Authentizität, seine letzten vier Alben erreichten alle Platz 1 der Charts.
MC ist die Abkürzung für »Musicassette«, im Deutschen auch »Musikkassette« oder »Audiokassette« genannt. Der Tonträger enthält ein Tonband in einem Kunststoffgehäuse und war von den frühen 1970er- bis in die späten 1990er-Jahre eines der meistgenutzten Audio-Medien.
- Label: Eklat, 2023
- Bestellnummer: 11674428
- Erscheinungstermin: 24.11.2023
Weitere Ausgaben von Nur Liebe, immer
Casper – nur liebe, immer.
Dass Casper es wie kein anderer Künstler hierzulande schafft, Gefühle auf den Punkt zu bringen und daraus Zeilen für die Ewigkeit zu machen, hat er in einer mittlerweile gut anderthalb Jahrzehnte andauernden Karriere mit vier Nummer-1-Alben, unzähligen Tourneen und Festivals und einem beispiellosen Grenzgängertum bewiesen.
2008 veröffentlichte er sein Debütalbum »Hin zur Sonne«, welches nicht nur im Titel sondern auch mit seinem Klangbild bereits den Weg für eine bis heute untypische Deutschrap-Karriere vorgab – und zwar nicht durch die Mitte, sondern links und rechts der zu genüge ausgetretenen Pfade. Mit »XOXO« vollzog der Rapper den eindrucksvollen Wandel vom szeneinternen Geheimtipp zum Teil einer neuen Rap-Generation, die Genregrenzen nicht nur überschritt, sondern gänzlich hinter sich ließ. Das Album vereinte HipHop-Nerdtum mit Hardcore- und Punk-Vergangenheit und einem popkulturellen Referenzrahmen, den man auf Rap-Alben bis dahin vergeblich gesucht hatte. Kiss Tha Game Goodbye – im wahrsten Sinne des Wortes.
»Hinterland« eröffnete 2013 schon allein durch seinen Titel eine gänzlich neue Welt, in welcher Casper die elf Stücke des Albums inhaltlich als auch musikalisch spielen ließ. Americana, Springsteen und der in die eigene Biografie eingeschriebene Süden der USA - mit spielerischer Leichtigkeit gelang es Casper, seine mannigfaltigen Einflüsse zu bündeln und zu einer homogenen Platte zu verdichten. Ganz anders »Lang lebe der Tod« aus dem Jahr 2017 – eine düster-dunkles, ja, mitunter dystopisches Album, dessen Songs die gesamte Spielzeit über knapp an immer wieder andersartigen Abgründen vorbeitaumelten.
2021 schließlich »Alles war schön und nichts tat weh«. Ein Album, das wirkte, als habe Casper seinen künstlerischen und persönlichen Frieden gefunden. Er rappte, sang und schrie so offen und reflektiert wie noch nie über Mental Health, öffentliche Erwartungshaltung, Eifersucht, Krieg, die schwere Krankheit eines Freundes und gesellschaftliche Disruption – und umarmte nach dem Tod doch das Leben mit all seinen Facetten.
Die Konsequenz daraus ist nun »nur liebe, immer.« – denn eins ist nach fünf Soloalben klar: Es geht einfach nicht ohne dieses vielleicht stärkste und schönste Gefühl von allen. Man muss auf die Liebe hören, in sie vertrauen und sich von ihr leiten lassen. Genau das hat Casper auf seinem neuen Album getan. Einfach machen. Aus dem Bauch heraus. Auch aus dem Rap. Vom Flow kommen. Die Dinge geschehen lassen. »Bei den vergangenen Alben gab es immer schon Titel, Themen, Konzepte und dramaturgischen Bogen noch bevor auch nur ein Ton Musik stand«, erinnert sich Casper.
»nur liebe, immer.« ist für Casper »ein Mixtape, das im Prozess zum Album geworden sei«. Die Antwort auf die Frage, was passiert, wenn man einfach macht. Ein bisschen so wie damals 1993 in Statesboro, Georgia, wo das Kinderfoto entstanden ist, welches das Cover des Albums ziert. Es zeigt einen elfjährigen Benjamin Griffey, lange bevor er zu Casper wurde. »Ich liebe den Schnappschuss, die Nostalgie und vor allem, dass unser Hund Samantha Jo damit nochmal unsterblich gemacht wird«, sagt Casper. »Ich erinnere mich nicht an den genauen Moment, in dem es gemacht wurde, wohl aber an das Haus, wie es darin gerochen hat und wo alles stand.«
Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb »nur liebe, immer.« nach einem gerade mal eine gute halbe Minute langem Intro, das aus nicht viel mehr als sanften Blechbläsern besteht, in »echt von unten / zoé freestyle« übergeht. Ein nostalgischer Vibe aus Sample-Loops, hochgepitchten Vocals, Keys und hier und da ein bisschen Bounce, zu dem Casper nochmal einen Blick auf Kindheit und Jugend zwischen Georgia und Extertal wirft, aber auch auf die letzten 15 Jahre Karriere schaut.
Und doch ist »echt von unten / zoé freestyle« nicht nur trackgewordene Heldenreise, sondern auch waschechter Battletrack: »Bin keiner deiner Deutschrap-Deppen / ich kauf Häuser keine goldenen Ketten«, lautet die unmissverständliche Botschaft. »Vielleicht möchte ich mir mit dem Song selbst auf die Schulter klopfen«, sagt Casper. »Auf jeden Fall geht es mir in dem Track weniger um die Einzelbilder meiner Kindheit als Trauma, sondern vielmehr um den Wahnsinn, dass ich es trotz dessen geschafft habe, meinen Jugendtraum zu erfüllen.«
Es ist genau dieses Einnehmen anderer Perspektiven, das »nur liebe, immer.« auch auf den weiteren neun Songs zu so einem interessanten Album macht. Mit nilly, Dokii, Flo August, Tom Thaler und Wanja Bierbaum, aber auch Markus Ganter, Ralph Heidel und Jonathan Schmid aus seiner Live-Band hat Casper dazu einen freien und doch in sich zusammenhängenden Sound entworfen. »Vielleicht vereint alles, dass es wieder mehr zum eigentlichen Song zurückgeht«, erklärt Casper. »Raus aus der Welt voller Collagen, in der jeder Song alles vereinen muss und hin zu Songs, in denen eben Platz ist, um neu auf die Dinge zu schauen.«
Da ist zum Beispiel »luft holen«. Ein Song über den Moment, an dem man eigentlich endlich mal durchatmen will, aber plötzlich ist da auch die Erkenntnis, dass man sich zwischen dem ständigen Rennen und den Lasten auf den Schultern erst selbst und dann die Menschen um sich herum verloren hat. »Viele meiner persönlichen Songs spielen eher in der Vergangenheit, sortieren ein oder arbeiten auf«, erklärt Casper. »Aber ›luft holen‹ ist schon etwas Neues für mich, da er in Echtzeit mit Problemen und Gedanken an Szenarien im Jetzt spielt.« Ganz ähnlich »wimpernschlag«: Was machen Ruhm und Wirbel um eine Person aus jemandem? Wie kann es sein, dass die Musik so viele Leute erreicht, aber man gefühlt doch allein und außenvor steht?
»Ich bin unglaublich dankbar für alles, was ich erleben darf, aber viele Situationen arbeiten sich wahrscheinlich bis an mein Lebensende noch auf«, erklärt Casper. »Der Song ist wie viele Fotos mit vielen verschiedenen Menschen - und mir. Ich weiß zum Beispiel wirklich noch, wie die erste Person sich mein Logo hat tätowieren lassen. Einerseits habe ich mich sehr geehrt gefühlt und gefreut - aber ich habe sofort auch eine Art Druck und Panik verspürt. Deshalb frage ich: Wie habe ich mich verändert? Und wie sich andere? Will ich das alles überhaupt noch? Genau wie die Frage: ›Geht's um Ben oder Casper?‹ - das war und ist mir seitdem immer noch nicht immer zu 100 Prozent klar.«
»sowas von da (hellwach)« steht dem in nichts nach. Denn während sich links und rechts kilometerhohe Synthwände auftürmen, wälzt Casper sich mit vor flachem Atmen bebender Brust und schweißnasser Stirn an der Seite seiner Dämonen vergeblich in den Schlaf. »Mentale Gesundheit und Krankheit waren und sind in meiner Musik immer ein zentrales Thema gewesen. Einerseits, weil ich selbst damit zu kämpfen habe, andererseits weil ich es wichtig finde, darüber zu sprechen. Ich bin in den vergangenen Jahren sehr oft mit konkreten Sorgen, Befürchtungen und vor allem auch realen (!) Symptomen zu Ärzten gegangen. Physisch und rein medizinisch war alles ›fein‹, weshalb irgendwann immer die Fragen nach genug Schlaf oder Essen kamen. Das ist natürlich alles richtig und ich mache mich darüber nicht lustig, aber ich wars irgendwann mal leid. Ich habe mir mehr als einmal gewünscht, dass es die eine Wundertablette gibt, die verschrieben werden kann und dann geht's mir einfach gut.«
Manchmal reicht dafür eben auch einfach nur ein Song. Vielleicht einer wie »sommer«, es ist die Collabo mit CRO – und genau jene Zusammenarbeit, die man sich von den beiden Ausnahmekünstlern seit Jahren gewünscht hat. Ein Vibe wie ein warmer Regen nach endlos heißen Tagen, der an die Scheibe prasselt, während in der Ferne grollende Gewitterwolken die Luft zerreißen.
Und mit »verliebt in der stadt die es nicht gibt« findet sich auf »nur liebe, immer.« zum großen Finale auch endlich die längst überfällige Liebeserklärung an Bielefeld. Darüber, wie es ist, dort zu leben und zu lieben, aber auch, wie es sich anfühlt, diesem Ort den Rücken zu kehren und woanders das zu finden, was man hier vergeblich gesucht hat – bis man irgendwann merkt, wo man eigentlich zuhause ist. »Ich mag an dem Song, dass es im Kern unerheblich ist, von welcher Stadt er handelt. Es ist einfach ein kleines Coming-of-age-Lied, in dem sich bestimmt viele wiederfinden.«
Und es ist auch ein erster Vorgeschmack auf das kommende Jahr. Denn nachdem Casper es in der Vergangenheit mit seinen mittlerweile legendären Shows von kleinen Clubs bis hin zu großen Arenen immer wieder neue Maßstäbe gesetzt hat, folgt im kommenden Jahr die logische Konsequenz aus diesem Standing als begnadetster Live-Rapper des Landes. Casper kehrt nämlich für einen ganz besonderen Anlass in seine Heimatstadt Bielefeld zurück und spielt am 15.06.2024 unter dem Motto »verliebt in der stadt die es nicht gibt« das einzige Konzert des Jahres – und zwar in der ausverkauften SchücoArena.
»Mir ist unfassbar wichtig zu sagen, dass ich den ›Bielefeld gibt es doch gar nicht!‹-Gag nicht mehr hören kann. Ich will, dass nach dem Stadionkonzert alle wissen, dass es diese Stadt gibt und dass es dort mal ein unfassbar geiles Konzert von einem Künstler gab, das absolut Champions League war.« Und mit diesem neuen Album im Rücken besteht daran schon jetzt kein Zweifel.
- Tracklisting
Die Hörproben gehören zum Artikel Casper: Nur Liebe, immer (CD). Das Tracklisting kann bei diesem Artikel ggf. abweichen.
Disk 1 von 1 (MC)
- 1 Intro
- 2 Echt von unten / Zoé Freestyle
- 3 Sowas von da (hellwach)
- 4 Sommer x Cro
- 5 Immer noch nervös
- 6 Emma
- 7 Falsche Zeit, falscher Ort
- 8 Bist Du noch da
- 9 Wimpernschlag
- 10 Luft holen
- 11 Verliebt in der Stadt die es nicht gibt
- 12 Outro